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Ziemlich ernüchternd: Der neue WeTransfer Ideas Report

Hör auf zu träumen – dein Traumjob existiert nicht – so lautet das Fazit einer aktuellen Umfrage von WeTransfer. Aber es gibt auch positive Tendenzen.

Es ist an der Zeit, mit den romantischen Vorstellungen von einem Job in der Kreativbranche aufzuräumen: So beginnt der WeTransfer Ideas Report 22 – eine internationale Umfrage unter tausenden seiner Nutzer:innen, die das Unternehmen regelmäßig durchführt (siehe etwa hier und hier). An dem aktuellen Survey nahmen 6.500 Kreative aus 180 Ländern teil. WeTransfer unterteilte sie in 3 Gruppen: Agency Staff, Creative Professionals (hier finden sich Freelancer:innen und Studioinhaber:innen wieder) und Content Creators (meist selbständig).

Der Tenor ist alarmierend: Ein Großteil der Kreativen fühlt sich nicht wertgeschätzt, schlecht bezahlt und steht kurz vorm Burnout – oder hatte schon ein paar. Viele ordnen persönliche Ziele und Freiheit dem Job unter. Als großes Problem erleben viele sogenannten »Scope Creep«: Das Aufbürden von immer mehr Aufgaben, die nicht im ursprünglichen Briefing standen – nach dem Motto »Mach doch noch schnell Social Media Posts dazu«. Ein Zeichen dafür, dass Auftrageber:innen den Wert kreativer Arbeit nicht angemessen wertschätzen.

Und dennoch verliert der Sektor nicht seinen Optimismus. So ergab die Studie, dass dank immer zugänglicher werdender Technologie und einem gestiegenen Bewusstsein für das Wohlbefinden der Mitarbeitenden immer mehr Kreative eine Karriere nach ihren Wünschen formen können.

Die Insights im Einzelnen:

1. Professioneller Erfolg wird zunehmend neu bewertet

Der Mythos, dass »Doing what you love« automatisch zu Erfolg führt, ist – leider – Quatsch, so das Ergebnis der Studie. Gerade mal 22% der Befragten können nach der Maxime leben, nur Projekte anzunehmen, die mit ihren eigenen Werten übereinstimmen. Die meisten müssen Kompromisse eingehen und ziemlich ranklotzen, um zu überleben. 78% sind nach wie vor bereit, persönliche Opfer zu bringen für ihre Karriere.

90% haben das Gefühl, dass ihre Arbeit nicht wertgeschätzt wird – weder von Kolleg:innen, noch von Chefs oder Kund:innen. 56% fühlen sich sogar »unerfolgreich« im Job. Besonders Agenturmitarbeitende befinden sich im ständigen Kampf und müssen am ehesten ihre Werte und Freizeit opfern.

2. Geld ist nicht der Haupt-Motivator für Kreative

Eigentlich nichts Neues – aber erneut bestätigt. Soziale Verantwortung, persönliches Wachstum und Quality Time außerhalb der Arbeit sind den meisten Kreativen wichtiger als Geld. Viele würden sich mit »gerade genug« zufrieden geben.

Das heißt aber nicht, dass Kreative keinen Wert auf faire Bezahlung legen. Gerade mal 57% der Befragten aus der Gen Z fühlen sich fair entlohnt – 35% haben im letzten Jahr ihren Job gewechselt (im Vergleich zu 22% unter den Älteren). 20% aller Teilnehmer:innen gaben an, dass sie sich nach neuen Jobs umgucken. Auch Selbstständige beklagen mangelnde Zahlungsbereitschaft bei ihren Kund:innen.

3. Nein sagen ist der meist unterschätzte Skill

Abgesagte Verabredungen, verschobene Arzttermine, verkürzte Urlaube: Kreative opfern viel für den Job. In der Branche herrscht nach wie vor der Glaube, dass harte Arbeit der Schlüssel zum beruflichen Erfolg ist. Entsprechend schwer fällt es vielen mal Nein zu sagen – 57% beschreiben es als die am meisten unterschätzte Fähigkeit im Job.

Und das schlägt aufs Wohlbefinden: 75% unter den Befragten gaben an, bereits Erfahrungen mit Burnout gemacht zu haben, besonders betroffen sind die Angestellten in Agenturen (65%). Das sind ziemlich erschreckende Zahlen. Interessant: Mit 67% Burnout-Betroffenen liegt Europa unter dem globalen Durchschnitt von 75%.

4. Self-Promotion ist mega wichtig

Nicht unbedingt die Lieblingsbeschäftigung vieler – vor allem introvertierter – Kreativen, aber Self-Markting ist in einem so umkämpften Feld wie der Kreativbranche essenziell fürs Überleben. Natürlich gilt das besonders für freie Content Creators, deren Erfolg maßgeblich von ihrer Reichweite abhängt.

Gleichzeitig müssen natürlich auch die Skills stimmen. Hochschulen, aufgepasst: Nur 12% der Teilnehmer:innen glauben, dass es eine formale Ausbildung braucht, um kreativ erfolgreich zu sein. 60% sind der Meinung, dass unabhängige Weiterbildung, wie Online-Kurse, Lern-Apps oder Tutorials am effizientesten sind, um neue Skills zu lernen.

5. Unabhängige Content Creators haben am meisten Spaß im Job

Autonomie ist der größte Anreiz, freischaffender Content Creator zu werden. Auch wenn sich 40% der Befragten unterbezahlt fühlen: Sie haben mehr Spaß an ihrer Arbeit als Angestellte. 56% sagen, sie haben im letzten Jahr Freude an ihrem Job gehabt.

Apropos Einnahmequellen: 80% der Befragten gaben zu keine Ahnung von NFTs zu haben und wie man damit Geld verdient. Das gilt allerdings nicht für Kreative in Kolumbien, Brasilien und Mexiko: Hier ist die Offenheit gegenüber Web3, Metaverse, AR, VR und MR wesentlich größer.

Der WeTransfer Report schließt mit sechs Interviews mit Expert:innen aus verschiedenen Kreativbereichen ab. Hier findet ihr ihn in Gänze: https://wetransfer.com/ideas-report/2022.

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Vom Umgang mit Krisen im Berufsalltag und ein Interview mit Erik Spiekermann.

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