Gemeinsam mit Ladies, Wine & Design Hamburg stellen wir regelmäßig interessante kreative Frauen aus der Stadt vor. Mit Freelance Designerin Ann Eckert sprachen wir über die unterschwellige Benachteiligung von weiblichen Kreativen und warum es so wenige Frauen in Führungspositionen gibt.
Ann Eckert ist freie Designerin und Artdirektorin in Hamburg. Sie war nie festangestellt, sondern schlägt sich seit dem Studium als Freelancerin durch – und das sehr erfolgreich. Wir sprachen mit ihr über ihre Erfahrungen in der Kreativbranche und entlockten ihr Tipps für Gestalterinnen.
Wie verlief dein Werdegang bisher?
Ich habe mein Diplom in Kommunikationsdesign an der Hochschule Rhein Main gemacht und mich seit dem Praxissemester als studentische Hilfskraft in Designagenturen weitergebildet. Ich war schon immer eher praxisorientiert und autodidaktisch, und ich würde heute sagen, dass ich meinen gestalterischen Weg außerhalb der Hochschule geprägt habe.
Wie war es für dich, als Freelancerin durchzustarten und warum hast du dich dafür entschieden?
Das war eher eine pragmatische Entscheidung: Nach dem Diplom empfand ich beide Möglichkeiten (Freelancen und Festanstellung) als gleichwertig, und als es dann mit den, zugegeben wenigen aber ausgewählten, Initiativbewerbungen nichts wurde, war ich sozusagen automatisch Freelancerin. Ich bin das damals mit einer etwas naiv-positiven Einstellung angegangen und würde es nochmal genauso tun.
Da gab es Versuche der emotionalen Unterdrückung, unfachlich-bossiges Machtgehabe und die viel zitierten Ungleichheiten in der Bezahlung.
Hast du schon mal eine Situation im Job erlebt, in der du benachteiligt wurdest, weil du eine Frau bist?
Leider finden sich patriarchale Strukturen auch in der Kreativszene, und auch mir sind sie schon begegnet. Da gab es Versuche der emotionalen Unterdrückung, unfachlich-bossiges Machtgehabe und die viel zitierten Ungleichheiten in der Bezahlung. Viele Formen der Benachteiligung sind unterschwellig und schwer zu erfassen, die finanzielle Form hat mich allerdings dann schon erstaunt.
Woran liegt es deiner Meinung nach, dass es in der Kreativbranche so wenige Frauen in Führungspositionen gibt?
Das ist ja eine branchenübergreifende Sache. Da kann ich jetzt viele Thesen aufführen, von fehlenden Vorbildern, über unterdrückte Neigungen oder fehlendem Willen bis zur Tatsache, dass am Ende eben oft Männer die Macht über die Entscheidungen haben. Vielleicht ist es auch eine realistischere Einschätzung der eigenen Kompetenz, die zur Unter- statt Übertreibung führt… ich habe da auch keine Antworten darauf, bin aber sicher, dass es oft mit der Sozialisation zu tun hat. Tatsächlich höre ich immer wieder von z.B. Veranstaltungen, die explizit weibliche oder non-binary Künstlerinnen oder Vortragende suchen und reihenweise Absagen erhalten. Die Gründe sind vielfältig, das Ergebnis inakzeptabel. Es ist also noch ein weiter Weg.
Hättest du selbst Lust, irgendwann als Chefin ein Team zu leiten?
Ich kann mir das gut vorstellen, auch wenn es nicht mein vorrangiges Ziel ist. Aber wer weiß, was kommt.
Wie erlebst du den Zusammenhalt unter weiblichen Kreativen?
Zu meiner Studienzeit empfand ich die Dynamiken unter Kommilitoninnen leider tatsächlich ziemlich kompetitiv, das war mitunter anstrengend. Das ist mir in der Berufswelt seitdem aber nicht mehr so stark aufgefallen. Ich habe da aber auch nicht bewußt drauf geachtet, entweder Menschen unterstützen sich, oder die Chemie stimmt eben nicht, unabhängig vom Geschlecht. Dass die Unterstützung explizit weiblicher Kreativer durch entsprechende Netzwerke wie z.B. Ladies Wine & Design ein bisschen besonders wird, merke ich aber neuerdings auch, einfach, da das Thema viel gegenwärtiger ist.
Was hältst du von Frauennetzwerken wie Ladies Wine & Design?
Ich begrüße das sehr! Auch, wenn es etwas nach Klischee klingt: Die Atmosphäre ist super, das Bonding funktioniert schnell… ich habe in der kurzen Zeit seit der Gründung des Hamburger Chapters schon wirklich tolle Frauen kennengelernt. Allerdings finde ich, dass es nicht »nur« um Frauen gehen sollte, sondern alle Geschlechter sich gegenseitig Respekt und Unterstützung zollen sollten.
Bildet Banden! Tauscht euch aus, sprecht über Jobs, über Erlebnisse mit Kund*innen und Auftraggeber*innen und – sprecht übers Geld!
Was könnten Frauen sonst noch tun, um beruflich weiterzukommen?
Das gleiche, wie alle, die beruflich weiterkommen wollen, würde ich sagen. Bildet Banden! Tauscht euch aus, sprecht über Jobs, über Erlebnisse mit Kund*innen und Auftraggeber*innen und – sprecht übers Geld. Nur so kann man auch den (wirtschaftlichen) Wert der eigenen Arbeit im Umfeld oder der Branche abgleichen, das hilft allen. Und natürlich: Seid nett zueinander. Unterstützt euch gegenseitig, es ist Platz für alle.
Was würdest du Nachwuchsdesignerinnen diesbezüglich empfehlen?
Wenn es um den Start in die Selbstständigkeit geht: Traut euch. Ich höre immer wieder Frauen, die zu mir sagen: „Ich würde das auch gerne mal versuchen, aber ich traue mich nicht.“ In Wahrheit funktioniert ja nichts, an das du nicht selbst glaubst, und so ist es auch damit.
Wie würdest du deinen Stil beschreiben?
Ich versuche zeitlos und klar zu gestalten, habe einen typografischen Fokus, liebe Weißraum und Ruhe. Am Ende sehe ich mich aber zum größten Teil als Dienstleisterin, und meine Gestaltung sollte kein Selbstzweck sein. Der Inhalt ist immer das Wichtigste: Lesetexte muss man gerne lesen können und eine Geschäftsausstattung sollte zum Unternehmen passen. Das kann und darf ja trotzdem modern sein.
Für welche Kunden arbeitest du hauptsächlich?
Ich arbeite hauptsächlich mit Agenturen zusammen, die mich für Editorial Design oder Corporate Design Aufgaben buchen. Hin und wieder habe ich auch kleinere eigene Kundenprojekte in den Bereichen.
Machst du auch freie Projekte?
Tatsächlich selten. Aber ich unterstütze, wenn ich die Zeit finde, gern Projekte von Freunden, die aus ganz anderen Bereichen kommen. Das finde ich inspirierender als ganz freies Arbeiten.
Bild: Ann Eckert
Portfolio Paper für Anders Talleraas
Bild: Ann Eckert
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Bild: Ann Eckert
Corporate Design für Teedeeler
Bild: Ann Eckert
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Bild: Ann Eckert
Corporate Design für Zorn Korn – Illustrationen von Emil Underbjerg und Barbara Lüdde
Bild: Ann Eckert
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Bild: Ann Eckert
Corporate Identity – mit Timo Durst für Musikstudio BASS
Bild: Ann Eckert
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Bild: Ann Eckert
Fischer’s Archive, Sonder Edition zum 25-jährigen Jubiläum – mit Rasmus Bruning für Karl Anders
Bild: Ann Eckert
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Bild: Ann Eckert
Fischer’s Archive, Sonder Edition zum 25-jährigen Jubiläum – mit Rasmus Bruning für Karl Anders
Bild: Ann Eckert
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Bild: Ann Eckert
Redesign Buchtitel – mit Karl Anders für Marco Polo Reiseführer
Bild: Ann Eckert
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Bild: Ann Eckert
Redesign Buchtitel – mit Karl Anders für Marco Polo Reiseführer
Bild: Ann Eckert
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Bild: Ann Eckert
Pioneer Paper Press Kit und Magazin – mit Timo Durst & Max Weinland (Riesling Type) für Indiecon 2017
Bild: Ann Eckert
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Bild: Ann Eckert
Pioneer Paper Press Kit und Magazin – mit Timo Durst & Max Weinland (Riesling Type) für Indiecon 2017
Bild: Ann Eckert
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Bild: Ann Eckert
Poster für Stand-Up Show Comedy Heads
Bild: Ann Eckert
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Ladies, Wine & Design
ist ein internationales Frauennetzwerk, das von der Designerin Jessica Walsh ins Leben gerufen wurde (hier unser Interview mit ihr zum Thema Feminismus). Mittlerweile gibt es über 180 sogenannte Chapters in Städten auf der ganzen Welt – in Hamburg seit 2018. Die Gründerinnen Karolin Berndt und Anissa Carrington veranstalten regelmäßige Events zum Austauschen und Voneinander-Lernen. Auf dem Laufenden bleibt man über ihre Website oder ihre Facebook-Seite. Auf der Website haben die beiden außerdem eine Liste mit Kreativ-Ladies aus Hamburg angelegt, die stetig erweitert wird. Wir stellen in unserer Porträt-Reihe einige davon en detail vor.
Excel Yourself! Design & Beratung ++ Making-of: Innovative Mathe-Lernplattform ++ Botanical Branding ++ ENGLISH SPECIAL Studio Safar ++ Trend: Übersinnliches ++ Corporate Font BMWTypeNext ++ Zoom-Illustrationen: Tools & Tipps ++ Variable Fonts in der Praxis