Buchdesigner Victor Balko im Gespräch über seinen Werdegang, seinen Gestaltungsprozess, Trends im Buchdesign und Tipps für angehende Buchgestalter:innen.
Bild: Studio Victor Balko
Faszinierendes Cover, schöner Umschlag, angenehmes Papier und Aufschlagverhalten: Nicht nur der Inhalt macht ein gutes Buch aus. Das wissen Gestalter natürlich. Für unseren Artikel über Buchdesign in PAGE 5.21 haben wir mit unterschiedlichen Buchdesignern gesprochen.
Auch Victor Balko aus Frankfurt am Main stand uns Rede und Antwort.
Wie bist du zum Buchdesign gekommen?
Victor Balko: Ich habe an der Hochschule für Gestaltung Offenbach studiert, meine Studienschwerpunkte waren Fotografie, Typografie und Grafikdesign. Gemeinsam mit Kommilitonen habe ich ein Fotomagazin mit unseren Arbeiten herausgebracht und dabei gemerkt, dass mir die Arbeit mit Fotos auf Papier gut gefällt. Für meine Diplomarbeit habe ich einen fiktiven Verlag entwickelt und für diesen vier Fotobücher gestaltet. Dafür habe ich sehr gutes Feedback bekommen und mir war klar, dass ich in dieser Richtung weiterarbeiten wollte.
Nach dem Abschluss habe ich in London Praktika in verschiedenen Designstudios gemacht, um Berufserfahrung zu sammeln. Zurück in Deutschland fing ich als Artdirektor bei dem für seine Fotobücher bekannten Steidl Verlag an. Mein erstes Projekt war die Überarbeitung des Corporate Designs des Verlags, danach habe ich Fotobücher gestaltet und später auch die kleinere Literatursparte übernommen. Nach fünf Jahren habe ich mich selbstständig gemacht und bin nach Frankfurt gegangen.
Was ist dein Schwerpunkt?
Bücher machen den größten Teil meiner Arbeit aus, das sind dann hauptsächlich Bildbände und Ausstellungskataloge, aber auch ein bisschen Literatur. Ich mache sowohl Coverdesign als auch die Innengestaltung und Textsatz.
Was gefällt dir besonders am Buchdesign?
Dass man ein physisches Objekt entwirft. Ein fertiges Buch in Händen zu halten ist einfach etwas anderes, als eine Website oder einen Post anzusehen.
Vorgehen bei der Buchgestaltung
Wie gehst du an die Gestaltung heran?
Bei Steidl fand ich die integrative Arbeitsweise sehr interessant – wie in einer Buchwerkstatt oder Manufaktur waren Gestaltung, Lektorat, Bildbearbeitung und Druckerei unter einem Dach versammelt, sodass ein direkter Austausch bestand zwischen den Künstlern oder Autoren und denjenigen, die dem Buch seine Form geben. Auch heute versuche ich, so eng wie möglich mit Künstlern und Autoren zusammenzuarbeiten – und natürlich mit den Lektoren der Verlage. Gegenseitiger Austausch ist enorm wichtig, genauso wie die Auswahl von Materialien und Produktionstechniken. Ich bin auch im ständigen Kontakt mit Herstellern, um zu wissen, was es an neuen Papieren, Druck- und Veredelungstechniken oder Bindungen gibt.
Welche deiner Bücher magst du besonders und warum?
Das ist fast so, wie wenn man Eltern fragt, welches ihr Lieblingskind ist! Aber na gut:
»Junge Wölfe« von Colin Barrett (Steidl, 2016): Ein Band von Kurzgeschichten des irischen Autors Colin Barrett, der sehr zeitgenössisch und straight schreibt. Das Buch hat ein Flexcover aus dünner, biegsamer Pappe. Die Illustration stammt von mir und bezieht sich inhaltlich auf eine der Storys. Außerdem ist sie auf das Leinencover geprägt – wie alles andere auch, sogar der Barcode. Die Gestaltung fängt hier sehr gut Inhalt und Stimmung des Buches ein.
Bild: Studio Victor Balko
»Konrad Wolf« von Antje Vollmer und Hans-Eckhardt Wenzel (Die Andere Bibliothek, 2010): Bei der Biografie des Regisseurs aus der DDR sollte man die Beiträge der beiden Autoren gut auseinanderhalten können. Wir haben dem einem daher einen subtilen Grauton auf die Seiten gelegt, den man auch am Schnitt sieht. Als Schrift habe ich die Lapture gewählt, deren Ursprünge in der DDR liegen, und sie mit einer modernen Serifenlosen kontrastiert. Die Farbgebung erinnert an Sozialismus und Sowjetunion, die Auszeichnungsschrift an die Neue Typografie der 1920er Jahre. Besonderheiten der Anderen Bibliothek, einer bibliophilen Buchreihe unter dem Dach des Aufbau Verlags, sind die Schlaufen um die Bücher und ein ausführlicher Vermerk zur Gestaltung.
Bild: Studio Victor Balko
»Young New York« von Ethan James Green (aperture, 2019): Mit Schwarzweiß-Fashionfotografien dokumentiert Ethan James Green hier genderfluide Personen der schillernden New Yorker LGBTQ-Szene. Das Layout hält sich sehr zurück: Foto rechts, Paginierung links, Einleitungstext auf einem anderen Papier. Mir gefällt dieser sehr reduzierte und minimalistische Stil.
Bild: Studio Victor Balko
»Franz Gertsch. Bilder sind meine Biografie« (Kunsthalle zu Kiel): Das ist ein Katalog für die Einzelausstellung des Schweizer Malers Franz Gertsch 2018/19 in der Kunsthalle zu Kiel. Der Aufbau ist klassisch: Einleitung, kunsthistorischer Text mit englischer Übersetzung, Fußnoten, Kapiteltrenner, Bilder und eine Legende am Ende. Die Schrift ist aber zeitgenössisch-verspielt und gibt dem ganzen einen interessanten Look. Das Buch hat einen schönen Leineneinband und einen kontrastierenden Vor- und Nachsatz, was mir sehr gut gefällt.
Bild: Studio Victor Balko
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Tipps für angehende Buchgestalter
Gibt es andere Buchgestalter, deren Arbeiten du bewunderst?
Viele! Zum Beispiel Irma Boom, deren Bücher zu Recht einen Preis nach dem anderen gewinnen. Joost Grootens, der viel mit Infografiken und Karten arbeitet, oder Friedrich Forssman, der eine wunderbar klassische Gestaltung macht. Historisch sehr spannend finde ich Jan Tschichold und dessen Wandel von der radikalen Neuen Typographie hin zu einem buchgestalterischen Klassizismus.
Welche Trends beobachtest du gerade im Buchdesign?
Es gibt auf jeden Fall einen Trend zum schön gemachten Buch. Und eine Rückkehr zum Modernismus: klare Formsprache, viel Weißraum, wohlüberlegte Farbauswahl – dazu das ein oder andere verspielte Element. Vielleicht bin ich da aber voreingenommen, weil ich diesen Stil selbst sehr mag.
Was sind deine Tipps für angehende Buchgestalter?
Buchgestaltung ist ein sehr intrinsisch motivierter Beruf. Man muss Bücher lieben. Typografisches Handwerk ist ganz wichtig, Abstraktionsfähigkeit und ein milder Ordnungszwang schaden nicht. Und man muss netzwerken, am besten auf Buchmessen. Generell hilft natürlich ein gutes Portfolio, selbst wenn es nur Dummys und Kleinstauflagen zeigt.
Dieser Beitrag ist erstmals am 10. Mai 2021 erschienen.
Intrinsische Motivation ist das Mittel, um Zufriedenheit in sich selbst zu finden. Intrinsische Motivatoren sind zum Beispiel Neugierde oder die Bereitschaft, eine neue Herausforderung anzunehmen. Extrinsische Motivation bedeutet, externe Bestrafung zu vermeiden oder Belohnungen zu suchen.