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Patreon & Co: Alternative Einnahmequellen für Kreative

Membership-Plattformen wie Patreon oder Steady helfen Kreativen, sich über ihre Communitys zu finanzieren und ein eigenes digitales Business aufzubauen. Wir zeigen, wie das aussehen kann

Der Hamburger Designer Vincent Schwenk liebt es, Neues zu kreieren, und arbeitet deshalb nicht nur für Agenturen und große Kunden, sondern erstellt seit knapp zwei Jahren auch Video­tuto­rials zu Cinema 4D und Redshift für seine Community auf Patreon. Der Schlüssel zum Erfolg lag in seiner Bekanntheit auf Instagram. Dort ist er nach wie vor sehr aktiv und postet Teaser-Inhalte zu seinen Tutorials

Vor allem freiberufliche Kreative sind hart von der Pandemie getroffen. Nicht genau zu wissen, wo­von man die nächste Studiomiete oder den Kranken­kassenbeitrag bezahlen soll, zehrt ganz schön an den Nerven. Die Situation verstärkt bei vielen Freelancern den Wunsch, weniger abhängig von ständiger Akquise und regelmäßigen Kundenaufträgen zu sein. Und tatsächlich waren die Chancen wohl noch nie so gut wie jetzt, um in unserer digitalisierten, ver­netz­ten Welt aus eigener Kraft und unterschiedli­chen Quellen Einkommen zu generieren.

Inzwischen nutzen Designer und Developer überall auf der Welt Membership-Plattformen wie Patreon und Steady, um sich über ihre Community zu finanzieren. Sie verkaufen digitale oder physische Produk­te auf Online-Marktplätzen wie Gumroad, Big Cartel oder Redbubble und entwickeln darüber trag­fähige Geschäftsmodelle. Einmal erstellt, lassen sich In­hal­te wieder und wieder verkaufen. Und steckt man genug Energie in die Vermarktung und Fanpflege, können sich alternative Einnahmequellen langfris­tig sogar zum Hauptstandbein entwickeln.

Membership-Modelle: Folge deiner Leidenschaft!

So groß der Wunsch nach finanzieller Unabhängigkeit ist – mindestens ebenso groß ist der Wunsch nach kreativer Freiheit. Danach, das tun zu können, was man am liebsten macht und was dann im besten Fall auch anderen zugute kommt. Wie bei Armin Unruh, der seine ganze Energie in die Entwicklung des Portfolio-Templates Lay Theme steck­te: »Ich habe so sehr dafür gebrannt, dass es mir fast schon egal war, ob es als Business funktionieren wür­de, ich wollte es unbedingt umsetzen«, sagt der Designer und Developer. Krea­tive, die mit Membership-Finanzierung und di­­gita­len Produkten erfolgreich sind, haben alle eines gemeinsam: Sie brennen für ihr Projekt, wollen ihr Ziel erreichen – und hatten irgendwann den Mut, es einfach auszuprobieren.

Grafikjournalistin Sarah Mirk ist begeisterte Zine-Publisherin. Es gelingt ihr, jeden Tag ein achtseitiges Heft zu verfassen, während sie hauptberuflich für Reveal, Center for Investigative Reporting, und das politische Satiremagazin »The Nib« arbeitet. Die eine Hälfte ihrer Patreon-Spenden investiert sie zurück ins Projekt, die andere kann sie ansparen

Sarah Mirk kostete dieser Schritt einige Überwin­dung. Die Autorin und Grafikjournalistin aus Portland, Ohio, begeistert immer mehr Menschen mit ihren ­po­li­tischen Comic-Zines, die sie über Twitter und Instagram sowie mit einem Newsletter über ­TinyLetter verbreitet. Obwohl sie schon eine große Fan­ge­mein­de hatte, dauerte es ein paar Jahre, bis sie sich entschloss, es mit einer Seite auf Patreon zu ver­suchen. »Ich hatte Bedenken, dass es so rüberkommt, als wol­le ich Freundschaften oder Bezie­hun­gen zu Geld ma­chen«, sagt Mirk. »Im Austausch mit anderen Kreativen habe ich dann aber verstanden, dass es bei solchen Modellen darum geht, dass sie den Mittelsmann – etwa den Buchhändler oder Galeris­ten – entbehrlich machen.«

»Das Membership-Modell funktioniert für Kreative besser als der Verkauf von einzelnen Produkten. Das Einkommen fließt regelmäßig und vorhersehbar«

Sarah Mirk, Graphic Journalist

Das A und O für Membership-Plattformen

Bei Vincent Schwenk, 3D Artist und Motion Desig­ner aus Hamburg, sind es Videotutorials, die er für seine Patreon-Community entwickelt: »Auf die Idee bin ich vor etwa anderthalb Jahren gekommen, als mich immer mehr Leute fragten, wie ich bestimmte Dinge in 3D mache. Um dann nicht jedem Einzelnen antworten zu müssen, habe ich den Channel ge­startet«, berichtet Schwenk. Sein Einkommen über Patreon steigt seitdem stetig, zusätzlich verdient er am Verkauf von Texturen, 3D-Modellen et cetera über die Online-Plattform Gumroad. Er nimmt zwar Auf­­­träge an – am liebsten, wenn der Kunde einen hohen Designanspruch hat –, aber es bleibt auch Zeit genug für freie Projekte und Kollaborationen, bei denen es nicht ums Geld geht.

Auf Patreon bietet Vincent Schwenk zwei verschie­dene Preislevel, sogenannte Tiers, an, für die er einmal im Monat ein 30- bis 60-minütiges Videotutorial produziert. Darüber hinaus gibt es einen Zugang zu allen Inhalten, der sich an Agenturen rich­tet.

»Der Content muss schon sehr maßgeschneidert sein, in mei­nem Fall sind das Cinema-4D- und Redshift-Tutorials am Beispiel von Designprojek­ten auf einem sehr ho­hen, technisch anspruchsvollen Niveau, denn es gibt genügend kostenlosen Content auf YouTube«

erklärt Schwenk.

Sein Wissen wollte Creative-Coding-Experte Tim Rodenbröker schon immer teilen und seine Lehrtätigkeit zur Profession machen. Nachdem er 2020 seine Lernplattform und erste Inhalte entwickelt hatte, stieß er auf Patreon und nutzt die Plattform heute ausschließlich zur Zahlungsabwicklung. Für 2021 plant er neue Formate wie einen Coding-Wettbewerb und ein Mentorship-Programm

Creative-Coding-Experte Tim Rodenbröker aus Paderborn hatte ähnliche Überlegungen, als er 2020 eine E-Learning-Plattform für Processing startete: »Es existiert eine riesige weltweite Community und entsprechend eine Flut an freiem Material«, berichtet Rodenbröker. Dennoch oder gerade deshalb schei­nen seine Premiuminhalte und das Vertriebskonzept zu funktionieren: Seit dem Launch hat er über 1000 Abon­nenten gewonnen, die er über Patreon ge­nau genommen nur abwickelt. Man bucht eines der beiden Level – Einsteiger oder Fortgeschrittene – und erhält damit Zugang auf die Lernplattform unter  https://timrodenbroeker.de  und alle dortigen In­halte wie Tutorials, Meetups oder Tim Rodenbrökers Slack-Community.

»Als Creator möchte ich die Kontrolle über meine Formate und Inhalte nicht aus der Hand geben. Deshalb nutze ich die Patreon-API, um den Content auf meiner Site zu sichern. Ich hoffe, dass Patreon Wort hält und die API weiterentwickelt«

so Rodenbröker. Patreon erleichtert das Einsammeln von kleineren Geldbeträgen aus der ganzen Welt, ver­rech­net die geltenden Umsatzsteuersätze und überweist den Kreativen einmal im Monat die eingesam­melte Summe abzüglich Servicegebühren.

Veröffentlichungsstrategie: exklusiv oder für alle?

Ebenso wie Videotutorials oder Artworks funktio­nie­ren auch fachspezifische Podcasts. Der Hamburger Webdesi­gner Jonas Arleth begann im Mai 2018, seinen Podcast »Web & Design« auch auf Patreon zu pushen. Weil er schon immer das Gefühl hatte, seine Zuhörer würden ihm gerne etwas zurückgeben, richtete er zunächst zwei unterschiedliche Level für den Bezug exklusiver Folgen ein. 2021 entschied sich Arleth für einen Strategiewechsel und bietet die Inhal­te nur noch eine gewisse Zeit lang exklusiv an:

»Am Anfang waren die Sonder­folgen gut, um die Leute auf Patreon zu ziehen – aber da schlummert so viel Wissen und Erfahrung, dass ich sie jetzt nach einem Monat öffentlich poste.«

Stattdessen bietet Arleth zusätzlich einen Webflow-Onlinekurs, den man über Patreon buchen kann, wo man zusätzlich einen Rabatt gegenüber der re­gu­lä­ren Buchung erhält.

Neben seinem Beruf als Webdesigner produziert Jonas Arleth den wöchentlichen »Web & Design«-Podcast zu Interface Design, Freelancing und Design-prozessen. Exklusive Sonderfolgen und ein Online-Tutorial zu Webflow vertreibt Arleth zusätzlich über Patreon. Dort funktionieren vertiefende Inhalte und Einblicke in aktuelle Kundenprojekte sehr gut

Patreon selbst rät den Creators zwar zu exklusiven Inhalten, aber auch Sarah Mirk glaubt nicht an die Alleingültigkeit dieser Strategie. Sie ist überzeugt, dass es Menschen gibt, die einfach genug Geld haben und gern in gute Projekte investieren – ganz unabhängig von Exklusivität. Sie hat deshalb vier verschiedene Level eingerichtet, das teuerste liegt bei monatlich rund 30 Euro, enthält die Zusendung von 30 gedruckten Zines im Monat und wird von ihren größten Fans gebucht: »Manche Leute sind froh, wenn sie dich mit 2 Dollar im Monat unterstützen können, andere verdienen so viel, dass sie dir mehr geben wollen. Aber niemand braucht jeden Monat ein neues T-Shirt, deshalb funktioniert das Member­ship-Modell für Kreative insgesamt besser als der Verkauf von einzelnen Produkten. Das Einkommen fließt regelmäßig und vorhersehbar.«

Die Community: das Prinzip der Gegenseitigkeit

Natürlich berichten alle Creators vom Kommen und Gehen ihrer Unterstützer – dennoch ist die Com­mu­­nity im Ganzen sehr loyal und großzügig. Das hat auch die Illustratorin und Mediendesignstudentin Jenny Hefczyc aus Hildesheim erlebt. Als Jenny Jinya eroberte sie mit ihren »Loving Reaper«-Comics im Sturm die Herzen Zehntausender Tierfreunde. Fast tausend von ihnen supporten sie auf Patreon und spenden monatlich zusammen rund 4000 Euro, von denen 30 Prozent als Spende an Tierschutzorganisa­tionen gehen.

»Patreon ist eine fantastische Möglichkeit, seiner kreativen Arbeit nachzugehen und Fans teilhaben zu lassen. Extra-Inhalte oder ein Blick hinter die Kulissen – alles, was im Entstehungsprozess sowieso anfällt, kann man teilen, und wird dank­bar angenommen«

so Jinya.

Als ihre Comics plötzlich viral gingen, war die Hildesheimer Illustratorin Jenny Jinya zunächst selbst überrascht von der enormen Resonanz. Doch wusste sie die Gunst der Stunde – und ihre vielen Follower auf Instagram – zu nutzen und sammelt seither auf Patreon und auf Redbubble regelmäßige monatliche Spenden für Tierschutzorganisationen

 

Ihre Illustrationen verkauft sie über Redbubble auch als Merchandise, und nutzt diesen zugleich als Extras für höhere Level in Patreon. Ihren Erfolg verdankt Jenny Jinya nicht nur ihrem Engagement als Tierschüt­zerin, sondern auch einer weltweiten Com­munity, die sie seit ihrem Blitzerfolg um sich versammelt hat. Über eine halbe Million Menschen folgen ihr allein auf Instagram und bekommen regelmäßig neue Inhal­te und Links zu den Plattfor­men, auf denen man sie unterstützen kann.

»Social Media ist das A und O, ohne meine vorherige Bekanntheit auf Instagram hätte ich auch keine Patreon-Follower. Deshalb investiere ich weiterhin sehr viel Zeit in Instagram und Co«, erklärt Vincent Schwenk. »Wenn mir Leute Fragen stellen, beantwor­te ich diese, auf Patreon ebenso wie per Mail oder auf Instagram. Aber insgesamt geht es vom Aufwand.« Mehr Zeit verbringt er mit dem Planen und Erstellen von Inhalten: »Derzeit brauche ich ein bis zwei Tage, um zu einem Design zu kommen, dann noch einmal zwei Tage, um alles aufzunehmen und zu schnei­den, und einen Tag für die Community-Pflege.«

Die Illustratorin Jooyoung Kim aus Leipzig verdient mit dem Verkauf von Postern, Büchern und Merch in ihrem Big-Cartel-Shop zwischen 50 und 500 Euro monatlich.

»Es kommt darauf an, wie oft ich neue Sachen veröffentliche und wie viel ich in meinem Netzwerk dafür werbe«

so Kim. Sie hat im­merhin 5000 Follower auf Instagram und postet dort regelmäßig Neuerscheinungen und Links zu ihrem Shop. Von Zeit zu Zeit beschert ihr die Social-Media-Aktivität auch Aufträge von Magazinen oder Koo­perationen mit internationalen Buchläden, die ihre Bücher und Designs vertreiben.

Die Illustratorin Jooyoung Kim vermarktet ihre Kreationen erfolgreich über Instagram. Wenn sie dort neue Artworks veröffentlicht, steigen die Umsätze in ihrem Big-Cartel-Shop – und auch Magazine sind schon darüber auf sie aufmerksam geworden

Wie wichtig die Community ist, weiß auch Tim Rodenbröker, der monatlich zwei Fragerunden mit anderen Creative Codern – etwa Vera van de Seyp, Kiel Danger Mutschelknaus oder Sander Sturing von Studio Dumbar – für seine Patrons anbietet. Ungefähr dreißig Leute tauschen sich zu Design, Kreativität, Technologien und Programmierung aus und teilen ihre Erfahrungen im Kreativgeschäft. »Ich lege Wert auf eine starke Vernetzung zwischen den Leuten und dass die Community aus sich selbst heraus funktioniert«, so Rodenbröker.

Vermarktung bei Patreon: Bewerben, ohne zu werben

Grundsätzlich sind die meisten Creators bei der Bewerbung ihrer kommerziellen Seiten in den Commu­nitys eher zurückhaltend. »Ich möchte meine Fol­lower nicht unter Druck setzen und ihnen das Gefühl geben, sie müssten etwas spenden«, sagt Sarah Mirk. Auch Patreon empfiehlt seinen Mitgliedern, bloß nicht zu betteln und Wörter wie »unterstützen«, »helfen« oder »spenden« zu vermeiden. Das ist ein Dilemma, denn um explorativ auf Patreon gefunden zu werden, bietet die Plattform so gut wie keine Möglichkeiten. Man muss seine Seite selbst vermarkten und gleichzeitig aufpassen, sein Publikum nicht durch zu viel Werbung zu vergraulen.

Dabei gibt es recht einfache und charmante Mög­lichkeiten, mit denen man seine Patreon-Seite in den Social Media bekannt macht, etwa indem man sich dort für neue Patrons bedankt, auf Inhalte aufmerksam macht oder indem man seine Fans für sich sprechen lässt. Die Plattform ermöglicht es, ein Patreon-Profil via Social Media zu teilen, dieses Feature wäre allerdings noch um einiges effektiver, würde es auch für Nichtpaten funktionieren, die wenigstens mit ei­ner Empfehlung unterstützen möchten. Denn selbst wenn nicht alle Fans in der Lage sind, regelmäßig Geld in kreative Projekte zu investieren, so hilft doch jeder einzelne Förderer den Kreativen dabei, mutig am Ball zu bleiben und Projekte, unabhängig vom Massenmarkt, nach den Bedürfnissen ihrer Community voranzutreiben.

Membership-Finanzierung: So funktionieren Steady & Patreon

Über die US-amerikanische Membership-Plattform Patreon oder das deutsche Pendant Steady können sich Kreative von ihrer Community finanziell unterstützen lassen. Als Creators entscheiden sie, ob sie monatlich oder pro produziertem und veröffentlichtem Inhalt von ihren Fans bezahlt werden möchten und in welcher Höhe. Im Gegenzug erhalten die Förderer Zugang zu den Inhalten, wobei die Plattformen etwa 10 Prozent dessen einbehalten, was die Unterstützer bezahlen.

Die Patenschaften lassen sich jederzeit kündigen. Neben dem offensichtlichen Vorteil – ein monatliches Zusatzeinkommen – regeln die Plattformen auch die Rechnungs- und Zahlungsmodalitäten und führen die verschiedenen internationalen Umsatzsteuersätze direkt ans Finanzamt ab. Als Kreativer erhält man statt Hunderter einzelner Buchungen nur einmal im Monat eine Überweisung sowie eine Abrechnung über die gesammelte Summe. Diese versteuert man beim Finanzamt wie jede andere Einnahme auch.

Erfolgreiche Membership-Finanzierung: »Hauptsache, das Produkt ist nützlich«

Armin Unruh

Wir sprachen mit Armin Unruh, Designer und Developer aus Berlin darüber, wie er mit seinem Portfolio-Template für Designer dauerhaft Gewinn erzielt und damit auch anderen Kreativen zu einem Zusatzeinkommen verhilft. Mehr dazu in unserem Interview mit Armin Unruh über alternative Einnahmequellen.

Dieser Artikel ist in PAGE 04.2021 erschienen, die Sie mit Ihrem Abonnement hier komplett runterladen können.

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