Siebert-Kolumne: Mit Not-to-dos aus der Krise
Wie wir die Krise für Veränderung nutzen können, erklärt unser Kolumnist Jürgen Siebert.
Bild: Norman Posselt
Früher, also vor fünf Monaten, da bestätigten Ausnahmen die Regeln. Unser berufliches und das private Leben folgten Gewohnheiten, einer inneren Uhr oder sich wöchentlich wiederholenden Kalendereinträgen. Dann waren plötzlich die Ausnahmen die Regel: Homeoffice, zu Hause kochen, leere Supermarktregale, Videokonferenzen, kein Kino, kein Theater. Verpflichtungen wie auch Freiräume wurden zum Spielball der Krise.
Covid-19 hat uns aus dem Rhythmus gebracht. Doch chaotische Zeiten sind gute Zeiten für Veränderungen. Achtet auf den Gong, nehmt ihn an: Wir starten gerade neu. Begegnet dem Restart positiv. Jetzt ist die Zeit, sich von alten Zöpfen zu trennen, Dinge neu zu sortieren und Prioritäten zu setzen. Die vielleicht größte Herausforderung besteht darin, nicht zum alten Normal zurückzukehren, sondern das neue Normal zu definieren.
Es gilt: Nicht zum alten Normal zurückkehren, sondern das neue Normal definieren.
Eine positive Erkenntnis aus der Krise ist, dass wir unser Tun blitzschnell um 180 Grad drehen können. Nehmen wir als Beispiel die To-do-Liste, für viele ein fester Bestandteil ihres Arbeitsalltags. Doch war sie nicht auch eine Bremse für Veränderungen und neue Ideen? Lasst uns die revolutionäre Kraft von Corona dazu nutzen, eine Not-to-do-Liste aufzustellen.
Eine solche Nicht-machen-Liste ist das perfekte Instrument für Menschen, die stets »zu viel zu tun« und dauerhaft »keine Zeit« haben. Die Zeitersparnis beginnt schon mit dem Wesen dieser Liste, die man – anders als die To-do-Liste – nicht täglich aktualisiert, sondern einmal erstellt.
Auf die Not-to-do-Liste gehören Verhaltensweisen, die ich abschalten möchte (was selbstverständlich auch schrittweise passieren darf), Dinge, die Zeit rauben oder Energie kosten:
• sich unentwegt von E-Mails unterbrechen lassen,
• Entscheidungen vor sich herschieben und nicht sofort treffen,
• alles selbst machen, statt einiges zu delegieren,
• in der Mittagspause durcharbeiten,
• mehr als drei Meetings am Tag.
Sortiert jetzt eure Gepflogenheiten neu. Sortieren bedeutet differenzieren – die Vorstufe des Entscheidens. Trefft dann eure Entscheidungen. Entscheiden heißt selbst bestimmen, was uns Menschen glücklich und erfolgreich macht.
Damit eine solche Liste Erfolg zeitigt, hilft eine Maxime des Verhaltensforschers Konrad Lorenz, die auch beim Management von Teams Wunder wirkt: »Gesagt ist nicht gehört, gehört ist nicht verstanden, verstanden ist nicht einverstanden, einverstanden ist nicht angewendet, angewendet ist nicht beibehalten.« Mit anderen Worten: Vom Erstellen einer Liste (gesagt) bis zu deren erfolgreicher Umsetzung (beibehalten) sind vier weitere Stufen zu bewältigen.
Als drittes Tool für den Neuanfang nach Corona empfehle ich das Pareto-Prinzip, vor gut hundert Jahren vom italienischen Ökonomen Vilfredo Pareto entdeckt. Es besagt, dass sich viele Aufgaben bereits zu 80 Prozent lösen lassen, wenn man nur 20 statt 80 oder mehr Prozent Zeit und Energie auf sie verwendet. Entwickler und Projektmanager nutzen diese Regel, um wichtige Arbeitspakete zu erkennen, Prioritäten zu setzen und schnelle Fortschritte bei relativ guten Ergebnissen zu erzielen.
Die wichtigste Lehre aus der Krise, die wir dauerhaft annehmen sollten: die Dinge neu sortieren, anstatt sie so laufen zu lassen wie vor Corona. In den vergangenen vier Monaten diktierte die normative Kraft des Faktischen unser Leben. Jetzt ist der Augenblick gekommen, eigene Entscheidungen zu treffen. Nutzt ihn! Ihr müsst es sowieso. Trefft sie klug!
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