Viele halten das Designstudium für den einzig wahren Weg in die Kreativbranche. Was ist eigentlich mit der Berufsausbildung zum Mediengestalter?
Dass sie einmal in einem kreativen Beruf arbeiten möchte, stand für Marie-Therese Knaust schon in der Schulzeit fest. Ein Studium an einer entsprechenden Hochschule sollte der erste Schritt dorthin sein. Nach dem Abitur bewarb sie sich an einer Akademie für Kommunikation und Design.
Ihr gefiel der Ansatz, aus einfachen Mitteln etwas entstehen zu lassen und durch Gestaltung Geschichten zu erzählen. Sie mochte es, Dinge durch einen anderen Blickwinkel zu sehen und so Regeln zu brechen. Allerdings, das stellte sie mehr und mehr fest: Sie kannte genau diese Regeln gar nicht richtig, auch nicht nach vier Semestern Grundstudium.
»Ich hatte gehofft, dass mir im Studium die Basiskenntnisse beigebracht werden, die ich brauche, um gestalterische Aufgaben ausführen zu können, aber auch um meine Ideen umzusetzen«
erzählt die 24-Jährige. Sie wollte wissen, warum eine PDF-Datei für die Druckerei ein bestimmtes Format haben muss, wie viele Pixel für eine gute Auflösung nötig sind und wie man aus Photoshop, Illustrator und InDesign das Beste herausholt. Um mehr Praxisbezug in ihre Designausbildung zu bringen, brach sie ihr Studium nach der Zwischenprüfung ab und entschied sich für eine Lehre zur Mediengestalterin Digital und Print.
Im Beruf stehen von Anfang an
»Für jemanden, der schon zu Beginn seines Berufslebens gerne ganz nah am kreativen Entstehungsprozess verschiedener Kommunikationsmaßnahmen sein möchte, ist eine Ausbildung zum Mediengestalter genau das Richtige«, sagt Knud Schlaudraff, Managing Director von Hogarth & Ogilvy, der Werbeagentur, in der Marie-Therese Knaust lernt.
Die Realisations-Unit der Ogilvy Gruppe kümmert sich intern, aber auch für andere Kunden um die Umsetzung von Werbemaßnahmen in allen Kanälen und stellt nahezu jedes Jahr Azubis im Bereich Mediengestaltung ein. Einerseits weil man seine soziale Verantwortung als Unternehmen wahrnehmen wolle, aber auch, um gute Leute zu fördern und zu binden. Die Übernahmequote liege bei 80 Prozent, Karrierechancen gebe es in alle Richtungen, berichtet Schlaudraff.
Ein Kollege etwa sei einige Jahre nach seiner Ausbildung Leiter einer Creative-Services-Unit geworden, ein anderer habe sich zum unverzichtbaren Spezialisten im Bereich Motion Design und Animation entwickelt. Auch beim Gehalt müssten Mitarbeiter ohne Universitätsabschluss nur leicht zurückstecken, meint Schlaudraff. Ein Top-Mediengestalter verdiene bei Ogilvy & Mather deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Zum Vergleich: Laut Gehalt.de beträgt das Jahreseinkommen von Mediengestaltern Digital und Print sowie Bild und Ton in Deutschland zwischen 21 000 und 31 200 Euro brutto.
Die Aufgaben eines Mediengestalters variieren von Arbeitgeber zu Arbeitgeber. In einer so großen Agentur wie Ogilvy & Mather sind die Zuständigkeiten von Kreation und Exekution strikter getrennt als in kleineren Häusern.
»Wir steuern eigene Ideen bei, arbeiten aber auch mit Vorgaben aus der klassischen Kreation. Hier ist es immer wieder wichtig, die Balance zu halten«
erklärt Marie-Therese Knaust. Sie betont aber auch, dass ohne sie und ihre Kolleginnen und Kollegen zum Beispiel im Printbereich kein Plakat und keine Anzeige in der Druckmaschine so umgesetzt würde wie gewünscht. Das Wissen über Maschinen, Verfahren und Papiere gehört ebenso zu ihrem Lehrplan wie Typografie-Grundlagen und die Erstellung eines kompletten Corporate Designs.
Nach der Zwischenprüfung vor der Industrie- und Handelskammer hat sie sich für den Fachbereich Konzeption und Visualisierung entschieden, um in Zukunft noch stärker in den gesamten Entstehungsprozess eingebunden zu sein und noch mehr Kontakt zu Auftraggebern zu haben. An ihrer Berufsschule ist sie mit diesem Fokus fast schon eine Exotin.
Der Renner unter den Schwerpunkten: Gestaltung und Technik
»Man erkennt deutlich, dass die meisten jungen Menschen, die eine Ausbildung zum Mediengestalter Digital und Print beginnen, im Grunde kreativ arbeiten möchten«, sagt Goy Grass von der Gutenbergschule in Frankfurt am Main, wo 90 Prozent der Mediengestalter-Azubis die Fachrichtung Gestaltung und Technik wählen.
So wie Moritz Küther. Der 19-Jährige macht seine Ausbildung in der kleinen Schwalbacher Digitalagentur Dietz, sein Fokus liegt auf der Gestaltung von Websites, Apps und anderen Onlineformaten. Anders als bei Ogilvy gibt es bei Dietz keine eigene Produktionsabteilung, Küther arbeitet als festes Teammitglied in der Kreation, ist vom Kundenbriefing über die Erstellung von Konzepten und Designs bis zur Abnahme so gut wie immer dabei.
»Das ist die Basis, um später als Junior Art Director oder Screendesigner einzusteigen«
sagt sein Ausbilder Markus Wirth, Kreativdirektor bei Dietz. Ob ein junger Kollege übernommen werde, hänge nicht ausschließlich vom Talent und dem Willen des Kandidaten ab, sondern auch von der wirtschaftlichen Situation der Agentur. Grundsätzlich schätzt Wirth die Möglichkeiten, als ausgebildeter Mediengestalter Karriere zu machen, aber trotzdem als gut ein. »Wahrscheinlich sind die Chancen, schnell weiterzukommen, sogar besser als in anderen Berufen, weil es in der Kreativbranche nicht zuletzt auf Leidenschaft und Ideen ankommt.«
Der Vorteil an der Arbeit in einer kleinen Firma ist sicher, dass man stark in die Prozesse eingebunden ist – vorausgesetzt natürlich, es geht um mediengestalterische Dienstleistungen. »Ab und an gibt es schwarze Schafe unter den Ausbildungsbetrieben«, erklärt Berufsschullehrer Goy Grass. Da das Kollegium die Schüler aber regelmäßig besuche, könnten zum Beispiel Copyshops, in denen kaum Fachwissen vorhanden ist und die Azubis nur an der Kasse sitzen, schnell an die IHK gemeldet werden.
Aber auch in größeren Unternehmen ist eine Ausbildung näher am Tagesgeschäft als ein Studium. »Sie könnten ein Diplom in Kommunikationsdesign machen, ohne jemals mit ihren Kommilitonen zu sprechen«, spitzt Azubi Matthias Rohmer seine Einschätzung zu. In einer Ausbildung, so der 21-Jährige, sei das nicht möglich und wahrscheinlich auch genau das Gegenteil von dem, was auszubildende Mediengestalter sich für ihren Einstieg in den Beruf wünschen.
Mediengestalter Ausbildung mit Fachrichtung Webdevelopment
»Wer gerne im Team arbeitet und eher auf Praxis als auf Theorie steht, kann mit einer Ausbildung einen guten Grundstein für eine Karriere in der Kreativbranche legen«, sagt Thomas Feldhaus, Geschäftsführer von Jung von Matt/next und Rohmers Ausbilder.
Eine Besonderheit in seinem Haus ist, dass die Mediengestalter Ausbildung grundsätzlich auf zwei Jahre verkürzt wird. Abitur wird dafür gerne gesehen, ist aber kein Muss. Besonders wenn jemand Talent habe, reiche auch die mittlere Reife, heißt es in der Agentur. Wenn jemand ein absoluter Crack sei, brauche er gar keinen Abschluss. Außerdem kommt praktische Vorerfahrung gut an, Matthias Rohmer etwa gestaltete schon während der Schulzeit Flyer und Poster für ein Kulturzentrum und arbeitete als Freelancer für ein Programmkino.
Mit Jung von Matt einigte er sich bereits bei der Einstellung auf den Bereich (Web-)Development. Eine frühe Spezialisierung ist hier üblich, nicht zuletzt, um möglichst allen Azubis später einen Job anbieten zu können.
Um die Zusammenhänge in einer großen Agentur kennenzulernen, hospitieren die Auszubildenden bei JvM aber auch wochenweise in »fachfremden« Abteilungen und sind von Anfang an an Kundenprojekten beteiligt. Auch die regelmäßigen Vorträge der hauseigenen Academy stehen sämtlichen Mitarbeitern offen. In seiner täglichen Arbeit ist Mattias Rohmer vor allem mit der Umsetzung komplexer Screendesigns auf Basis moderner Webtechnologien wie HTML5, CSS3 und JavaScript beschäftigt.
Lehre plus Studium: Hybridkarrieren haben Zukunft
Wer eine Mediengestalterlehre macht, legt einen guten Grundstein für die Arbeit in der Kreativbranche, so viel steht fest. Chancen, damit dann weit zu kommen, gibt es durchaus – vorausgesetzt, man findet den richtigen Lehrbetrieb.
»Das Sich-Behaupten auf dem Arbeitsmarkt beginnt schon mit der Suche nach einem Ausbildungsplatz«
erklärt Robert Glogowski, Fachbereichsleiter Berufswirtschaft beim Berufsverband der Deutschen Kommunikationsdesigner BDG. Sicherlich könne man sich auf eine ausgeschriebene Stelle bei Agenturen, Medienhäusern oder Unternehmen bewerben – und dort möglicherweise auch Glück haben und viel lernen.
»Ich persönlich glaube aber, dass es viel mehr bringt, in einer kleinen Firma zu lernen. Vielleicht sogar bei einem einzelnen Designer, an dem man sehr nah dran ist, dem man jede Frage stellen kann und mit dem man mitleidet, wenn es in die Endphase eines Auftrags geht. Wer es schafft, so jemanden dazu zu bringen, dass er einen ausbildet, hat Überzeugungskraft bewiesen«, findet der Inhaber von geckodesign.
Glogowski sitzt seit über zehn Jahren im Prüfungsausschuss Mediengestalter Print an der IHK Braunschweig und bildete in seiner Designagentur schon viele junge Menschen zu Mediengestaltern aus. Ein Abgesang auf das Studium ist sein Lob für die Lehre aber keinesfalls. Er findet es richtig, dass viele Mediengestalter gegen Ende der Ausbildung doch noch mit einer Hochschule liebäugeln.
»Gerade für Absolventen, die sich weiter auf den Bereich Gestaltung konzentrieren wollen, kann es sehr sinnvoll sein, das handwerkliche und betriebliche Wissen aus der Ausbildung mit dem ganzheitlichen Ansatz eines Designstudiums zu verbinden«, erklärt der Agenturchef. »Oder man entscheidet sich für ein ganz anderes Studienfach. Solche Hybridkarrieren mit Medienkompetenz haben in meinen Augen eine große Zukunft.«
Gute Zeiten für Mediengestalter Bild und Ton
Matthias Rohmer kann sich ein Informatikstudium vorstellen, für Sarah Dangel, die bei beim Filmproduktionsbüro Brainyard in die Lehre geht, sind Marketing, Kommunikationsdesign oder Werbepsychologie denkbare Ergänzungen.
Ihre Ausbildung als Mediengestalterin Bild und Ton will sie aber auf keinen Fall missen.
»Die Arbeit bei Brainyard umfasst im Grunde alle Stufen in der Entstehung eines Films. Vom Kundenbriefing bis zur Abnahme. Also vom Konzept und der Erstellung von Mood- und Storyboards über die Aufnahmen und den Schnitt bis zur Farbkorrektur«
erklärt die 21-Jährige. Genauso habe sie sich einen kreativen Job mit jeder Menge Abwechslung immer vorgestellt. In Deutschland lassen sich verhältnismäßig wenige junge Menschen zum Mediengestalter Bild und Ton ausbilden – aktuell sind es rund 600.
Zum Vergleich: Bei den Mediengestaltern Digital und Print waren es 2014 mehr als 8000. Das Image des Mediengestalters Bild und Ton sei jedoch ungebrochen attraktiv, die Nachfrage deutlich höher als die bestehenden Ausbildungsplatzangebote, weiß Anna Küchler von der IHK Frankfurt. Und weil Bewegtbild/Film in der Kommunikationsbranche bekanntlich immer wichtiger wird, dürften gute Leute nicht nur für die Rundfunkanstalten eine Rolle spielen, sondern außerdem auch für Werbefilm- und Postproduktionen sowie Agenturen.
Spezialisierung in der betrieblichen Ausbildung
»Die dreijährige Ausbildung ist eine solide Grundlage für die Arbeit im Film-Business«
bestätigt Henning Westerwelle, der als Managing Director beim Hamburger Postproduction-Studio Infected jedes Jahr ein bis zwei Azubis einstellt.
Ein Knackpunkt sei zwar die große Bandbreite der Lehrinhalte in der Schule – kein Producer müsse wissen, wie man einen Ü-Wagen anschließt –, doch könne man das mit einem klaren Fokus im Betrieb gut auffangen.
Lukas Willasch ging bei der Postproduktion Infected in die Lehre und arbeitet jetzt als Videographer bei Markenfilm Crossing
Bei Infected sollen die jungen Kollegen daher möglichst früh herausfinden, was ihnen besonders liegt – 3D-Animationen, Compositing oder Editing –, um darin anschließend richtig stark zu werden. Einer, der mit diesem Ansatz bisher gut fuhr, ist Lukas Willasch.
Er machte bei Infected eine Ausbildung zum Mediengestalter Bild und Ton, entwickelte eine Vorliebe für Schnitt und Produktion und ist seit Mitte Januar bei Markenfilm Crossing, wie Infected eine Tochterfirma von Markenfilm, als Junior Videographer tätig.
Was ihm in der Ausbildung am meisten gebracht habe? Die Berufsschule war es jedenfalls nicht. Viel wichtiger sei die Zeit im Betrieb gewesen: die realistischen Bedingungen, unter denen man arbeitet, das Learning by Doing in Projekten für echte Kunden mit realen Deadlines und Budgets, so Lukas Willasch. Der 25-Jährige ist guter Dinge, dass er bestens gewappnet ist, um im Film-Business Fuß zu fassen – auch ohne ein Studium.
Mit einem Gehalt von maximal 31 .200 Euro brutto können sich MediengestalterInnen wohl kaum eine zukunftsorientierte Existenz aufbauen. Dies gilt vor allem für die Städte in Deutschland, die sich als Hotspots der Kreativbranche verstehen und in denen junge Leute gerne arbeiten würden, um voranzukommen. Aber bei den üblichen, ausgedehnten Agentur-Arbeitszeiten ist es ja vielleicht auch nicht so wichtig, sich die Mieten für eine angemessene Wohnung erarbeiten zu können. Bei dem gerne unterbewerteten Thema Gehalt sollten sich die Agenturen daher bitte mal an die Nase fassen und ihre hart arbeitenden Kreativen besser entlohnen. Wer es aber trotzdem als Mediengestalter versuchen möchte, sollte der soliden Ausbildung in einer guten Agentur statt einem Studium den Vorzug geben.
Max schreibt
Oft werden Mediengestalter nur als Reinzeichner eingesetzt. Das kreative übernehmen studierte Designer, die daraufhin auch deutlich mehr Gehalt erhalten was in der Kreativbranche ohnehin sehr niedrig ausfällt.
Mit einem Gehalt von maximal 31 .200 Euro brutto können sich MediengestalterInnen wohl kaum eine zukunftsorientierte Existenz aufbauen. Dies gilt vor allem für die Städte in Deutschland, die sich als Hotspots der Kreativbranche verstehen und in denen junge Leute gerne arbeiten würden, um voranzukommen. Aber bei den üblichen, ausgedehnten Agentur-Arbeitszeiten ist es ja vielleicht auch nicht so wichtig, sich die Mieten für eine angemessene Wohnung erarbeiten zu können. Bei dem gerne unterbewerteten Thema Gehalt sollten sich die Agenturen daher bitte mal an die Nase fassen und ihre hart arbeitenden Kreativen besser entlohnen. Wer es aber trotzdem als Mediengestalter versuchen möchte, sollte der soliden Ausbildung in einer guten Agentur statt einem Studium den Vorzug geben.
Oft werden Mediengestalter nur als Reinzeichner eingesetzt. Das kreative übernehmen studierte Designer, die daraufhin auch deutlich mehr Gehalt erhalten was in der Kreativbranche ohnehin sehr niedrig ausfällt.