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Listenhaftes Ich: Typografische Selbstreflektion

Was ihre materiellen und immateriellen Besitztümer über sie aussagen könnten, hat Farina Michelle in einem wunderbaren Buch festgehalten.

Dunkelgrünes Cover des Buches "Stand der Dinge" von Farina Michelle Goffelmeyer mit weißem Rechteck in der MitteBild: Farina Michelle Goffelmeyer

HAW Hamburg. Wer bin ich, und durch welche Dinge drückt sich das nach meinem Tod aus? Für ihre Bachelorarbeit in Kommunikationsdesign setzte sich Farina Michelle Goffelmeyer in einer beeindruckenden typografischen Arbeit mit ihrem materiellen und immateriellen Ich auseinander.

Im dritten und längsten Kapitel ihres Buchs »Stand der Dinge« listet sie in einem minutiösen Inventar all ihr Hab und Gut auf, wie es Nachlassverwalter nach dem Tod eines Menschen tun, und veranschaulicht mithilfe von schwarzen Vierecken in fünf verschiedenen Stärken, wie intensiv einige dieser Dinge sie belas­ten.

Zwar erfahren wir nicht genau, wieso dieser Druck von ihnen ausgeht – vielleicht weil sie nicht nachhaltig sind (wie ein Duschvorhang aus Plastik), an eine blöde Situation erinnern (wie eine karierte Bluse oder ungelesen herumliegende Bücher) –, dennoch nähert man sich Ding für Ding der Autorin und ihrem sehr persönlichen Kosmos an.

Doppelseite aus dem Buch "Stand der Dinge" mit Listen und schwarzen Rechtecken in verschiedenen Größen
In »Stand der Dinge« verwendete Farina Michelle Goffelmeyer die ursprünglich für die Munich Re entwickelte Schrift Atlas Collec­tion in fünf Größen. Je nachdem, wie bedrückend die aufge­listeten Gegenstände im Inventar auf einer Skala von 1 bis 5 sind, erhalten sie ein schwarzes Viereck in einer bestimmten Größe

Dieser spiegelt sich auch in den drei übrigen Buchkapiteln: dem vorangestellten Sach- und Namensin­dex sowie den sehr witzigen Listen zur Person und den abschließenden Memorabilien.

Das sind Erin­ne­rungsstücke wie Postkarten von ihrem verstor­be­nen Vater aus der Kindheit, Liebesbriefe oder auch Kas­senzet­tel, die durch ihre rein typografische und lis­tenhafte Darstellung besonders für sich selbst spre­chen und dabei tief berühren.

Doppelseite aus "Stand der Dinge" mit Listen in verschiedenen Themenbereichen, wie beispielsweise "Dinge, die ich immer noch nicht gerne esse" oder "Farben in meiner Wohnung"

Portraitfoto von Farina Michelle Goffelmeyer Während ihres Studiums verbrachte Farina Michelle Goffelmeyer ein Jahr in Kopenhagen, wo sie unter anderem ein Grafikpraktikum bei Studio David Thulstrup absolvierte und ihre Liebe zu dänischen Backwaren vertiefte. Backen ist im Gegensatz zu Tennis schon lange eine ihrer Leidenschaften. Inzwischen arbeitet sie als selbstständige Designerin vorwiegend in den Bereichen Brand- und Editorial Design. (Bild: Farina Michelle Goffelmeyer)

Dieser Beitrag ist erstmals in PAGE 7.2023 erschienen. 

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Kommentar zu diesem Artikel

  1. Sehr coole Idee – ich bin versucht, sowas (nur für mich) über mich auch zu machen. Oder dieses Buch komplett zu lesen und es mit mir zu vergleichen. Genau mein Ding!

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