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»Ich habe mein Ziel nie aus den Augen gelassen«

Grafikdesignerin Joanna Zoelzer macht Mut zum Buch. Um »Wieso Bienen kein Rot sehen und wir manchmal blau sind« zu drucken, brauchte es zwei Funding-Kampagnen auf Startnext und eine Menge Durchhaltevermögen

Startnext-Kampagne: Die Welt der Farben

Hinfallen, aufstehen, abwischen, weiterlaufen – ohne Umwege oder anstrengungslos erreicht man im Leben die wenigsten Ziele – und was bedeutet schon ein Ziel, wenn es direkt oder einfach erreichbar ist?

Joanna Zoelzer wollte schon immer als Kreative arbeiten und seit ihrem Umzug von Kattowitz nach München 1987, über einen Umweg im Bankwesen in den 2000der Jahren, kam sie 2019 mit dem Abschluss ihres berufsbegleitenden Grafikdesign Studiums an der Akademie Faber-Castell in Stein/Nürnberg genau dort an, wo sie es immer gewollt hatte. Aber damit nicht genug …

Joanna Zoelzer
Joanna Zoelzer / Bild: Lara Fanika Kinnman Bild: Lara Fanika Kinnman

Du wolltest das Buchkonzept deiner Abschlussarbeit über eine Startnext-Kampagne finanzieren, wie kam das?
Joanna Zoelzer: Ich wollte das Buch unbedingt realisieren, aber als Grafikdesigner haben wir ja unsere ganz genauen Vorstellungen. Mein Buch sollte etwas Besonderes sein, nachhaltig, haptisch und optisch reizvoll. Dafür waren die Kosten pro Exemplar aber extrem hoch. Dann hatte ich die Idee, das Buch über Startnext zu finanzieren. Ich habe mich mit Kreativen zusammengesetzt und überlegt, wie so eine Kampagne aussehen könnte.

Mit wem hast du dich damals beraten?
Ich habe mit der Akademie Farber Castell Gespräche geführt und mit der Betreuerin meiner Abschlussarbeit Gabriele Werner von Kochan & Partner. Sie und das Team von Kreativ München haben mich bei der Umsetzung der Finanzierungskampagne unterstützt. Ich habe die Auflage mit 500 Exemplaren und die Funding-Summe mit 10.000 Euro in der ersten Runde sehr hoch angesetzt, aber ich war zuversichtlich und überzeugt, dass es klappen würde.

Wie hast du die Kampagne dann gestartet?
Ich habe in meinem Atelier ein Video gedreht, was mir sehr schwer fiel. Alle haben mir gesagt, man müsse mich sehen, ich solle sprechen und den Leuten zeigen wer ich bin. Ich hätte lieber einen Film nur über das Buch und die Farben gemacht. Aber als der Film dann geschnitten war, habe ich die Kampagne aufgesetzt und Dankeschöns angelegt, die mir die Unterstützer zur Verfügung gestellt hatten und die ich mir selbst überlegt hatte. Das waren im Endeffekt viel zu viele in der ersten Kampagne.

Und wie lief sie?
Ich habe schnell gemerkt, dass es irgendwie nicht voran geht und habe die Summe auf 5.000 Euro heruntergesetzt und die Dankeschöns reduziert. Aber es klappte trotzdem nicht und das Projekt wurde erfolglos beendet. Dann kam Corona und ich hatte andere Sachen im Kopf.

Aber du hast es noch einmal probiert, wie kam es dazu?
Kurz vor Weihnachten, im November, hab ich mir überlegt, dass es vielleicht klappen könnte, wenn ich statt 500 nur 50 Stück drucken lasse. Es gab ja außer mir noch andere Interessenten, die das Buch tatsächlich haben wollten, aber bei 50 Exemplaren lagen die Kosten mit 2.000 Euro immer noch über meinen eigenen Möglichkeiten. Ich brauchte also erst einmal diese Unterstützung.

Hast du beim zweiten Anlauf die Kampagne dann anders aufgesetzt?
Ja, ich habe zwar das gespeicherte Projekt auf Startnext wieder genauso aufgesetzt, mich aber aus dem Video rausgenommen und es so gemacht, wie ich es damals machen wollte; eine Geschichte über Farben mit Text im Hintergrund. Außerdem habe ich weniger Dankeschöns angeboten – Honig, Bleistifte von Faber-Castell, das Buch als Early Bird für 39,- und regulär für 49 Euro, beides limitiert. Und ein Plakat über Farbenlehre aus meinem Kolloquium, das auch vorher schon gekauft wurde. Ich dachte, das sei auch interessant für Leser, Künstler, Grafikdesigner. Die Summe habe ich auf 1.500 Euro gesetzt und geschrieben, dass ich nur diesen Teil benötige und den Rest selbst finanziere und die Kosten für den Versand trage. Text und Bilder habe ich ebenfalls justiert, und dann noch einmal eine Finanzierungsanfrage bei Startnext gestellt.

Ging das problemlos?
Ja, sie waren total begeistert und haben gesagt: »Hey mutig, dass du es noch einmal versuchst, klar machen wir das!« und am 11. November ist es in die Finanzierung gestartet. Bis zum 7. Dezember sollte die Finanzierung stehen, damit das Buch noch vor Weihnachten gedruckt und verschickt werden konnte.

Was hast du diesmal bei der Kommunikation anders gemacht?
Beim ersten Mal habe ich die Finanzierung ganz oft vorher angekündigt: Nur noch fünf Tage, nur noch drei Tage, auf allen Social Media Kanälen. Diesmal habe ich das nicht gemacht, sondern gewartet, bis die Kampagne online war. Und dann habe ich jeden Tag gepostet, bis zum 7. Dezember.

Auf welchen Kanälen und welche Inhalte hast du gepostet?
Facebook hat sehr gut funktioniert, in Mediengestalter- und Grafikdesigner-Gruppen war das Interesse sehr hoch, da kam sehr viel zurück. Außerdem habe ich täglich auf Instagram, LinkedIn und Xing gepostet. Klar hatte ich manchmal das Gefühl, ich bettele ums Geld und ich hab mich jeden Tag gefragt, ob ich wirklich noch etwas posten soll. Aber irgendwann kam mir der Gedanke: »Hey, wenn du jeden Tag den Kontostand und Infos postest, dann bleibt das in den Köpfen der Leute hängen und dann schauen sie beim nächsten Mal doch rein.« Irgendwann waren die Leute interessiert und wollten wissen, wie weit das Projekt ist.

Ist dir das leicht gefallen?
Im Gegenteil, ich hatte oft das Gefühl, dass ich nicht mehr kann, weil ich sonst auch nicht so oft poste. Hier musste ich mir jeden Tag etwas einfallen lassen und so habe ich beispielsweise auch einen Film mit den Dankeschöns gedreht und das Buch zweimal bei Gewinnspielen verlost. Unter anderem im  Adventskalender der Designschule Schwerin – klar, ich verschenke ein Buch, aber es kommt auch etwas zurück, seien es Follower oder Interessenten für das Buch.

 

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Gab es auch inhaltlich Feedback zum Buch?
Ja, ich bekomme superklasse Feedback. Eine Dame schrieb mir zum Beispiel, durch mein Buch habe sich ihre Sicht auf Farbe komplett verändert.

Du hast im Buch ein Kapitel zur Farbe Bunt, das fand ich spannend, erinnert mich an das Gropius Zitat.
Ja genau, »Bunt ist meine Lieblingsfarbe«. Ich wollte Phänomene beschreiben, die nicht einfarbig sind, wie den Regenbogen. Wie entsteht dieses Phänomen, oder wieso ist Fernsehen bunt, woher kommt die Pride Flag, wie entstand das Apple Rainbow Logo, was ist das bunteste Säugetier der Welt – ich hatte immer neue Ideen.

Und wie hast du dich zum Ende des Fundings gefühlt?
Zum Ende hin, als wir über 1.400,- Euro standen, war ich sehr zuversichtlich und tatsächlich habe ich am 6. Dezember eine E-Mail von Startnext bekommen, dass es diesmal geklappt hat. Da war ich natürlich superglücklich und total erleichtert. Es war schon eine harte Nummer, man beobachtet ja die anderen Projekte und sieht, dass manche schon nach fünf Tagen ihr Ziel erreicht haben. Wie machen die das? Wie sammeln sie in der kurzen Zeit 20.000 oder 30.000 Euro ein? Wieso dauert das bei mir solange? Aber ich habe mich immer wieder beschworen, mein eigenes Ziel nicht aus den Augen zu lassen und am Ende war das der richtige Weg. Ich bekomme immer noch positives Feedback. Außerdem haben mein Mann und ich einen kleinen Verlag gegründet und das Buch ist im Verzeichnis lieferbarer Bücher. Man könnte jetzt also noch einmal nachbestellen, wenn das Interesse da ist.

Startnext-Kampagne: Farbe ist Kommunikation

PDF-Download: PAGE 03.2021

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