KI-Erinnerungen, mitreißende Kampagnen und nachhaltige Ideen: Wir stellen die ADC Gewinner:innen und ihre Projekte vor.
Die Gewinner:innen des 60. ADC Wettbewerbs stehen fest. Insgesamt wurden bei den Awards 753 Arbeiten eingereicht und 6 Grands Prix gefeiert. Hinzu kommen drei Grands Prix bei den Talent Awards, dessen Einreichungen auch in diesem Jahr die Jury begeistert haben. Verkündet wurden die Gewinner:innen bei den Preisverleihungen am Freitag im Schuppen 52 im Hamburger Hafen.
Die Talent Grands Prix
Aus den Hochschulen und von jungen Kreativen wurden über 500 Arbeiten eingereicht, welche die Jury mit insgesamt 143 Nägeln auszeichnete. Bei der Award-Show moderierten loved COO und Partnerin Mieke Haase und ADC Vorstand für Forschung und Lehre Richard Jung.
Grand Prix Semesterarbeit: Erinnerungen meiner Jugend
Team: Fabian Gröger und Sara R. Scholl | Hochschule Wismar
Projekt: Wo die fotografisch festgehaltenen Erinnerungen in den Fotoalben der Eltern Lücken haben, kann KI dabei unterstützen die eigenen Erlebnisse zu visualisieren. Gröber und Scholl prompteten mit Midjourney Fotoabzüge aus ihrer Kindheit, von unerlaubten Abenteuern und Geschichten.
Jurykommentar: »Wir erleben hier welch‘ emotionale Wucht mit KI erzeugt werden kann – ohne dass die KI, als Hype-Thema unserer Zeit, auch nur einen Hauch im Mittelpunkt stehen würde. Sie war nur ein Werkzeug für Storytelling auf höchstem Niveau. Der Twist, die Bilder nicht nur vom Look, sondern auch von der Haptik auf Papier zu bringen – und sogar in eine Ausstellung für die Mutter… hat jemand ein Taschentuch?«
Grand Prix Praxisarbeit: 855-How-to-quit-(Opioids)
Team: Camille Nizet, Tanvi Phalak | Serviceplan
Projekt: Die Kampagne 855-How-to-quit-(Opioids) hat die Kreativbranche begeistert. Die Kreativen richteten dafür eine Hotline ein, die Opioidabhängige mit Ex-Abhängigen verbinden, die mit genau demselben Suchtmittel zu kämpfen hatten. Die obligatorischen Codes auf den Pillen fungieren dabei als Durchwahl, sodass Anrufer:innen immer wieder daran erinnert werden, wie sie Hilfe bekommen können. Außerdem stehen zusätzlich Expert:innen zur Verfügung, die professionell beraten können.
Jurykommentar: »Die Kampagne “855-How to Quit Helpline” ist so hervorragend, weil sie so einfach zu verstehen ist, vor allem für Betroffene. Sie bekommen ganz speziell für ihr Drogenproblem Hilfe von Ex-Abhängigen, die ihre Situation am besten verstehen. Der Zugang zur Hilfe ist super niedrigschwellig und einfach, da es einfach über den Code verbunden mit ihrer Droge und dem Phone funktioniert und damit keine große extra Medien braucht. Super klar. Super einfach. Super super.«
Grand Prix Abschlussarbeit: Ethan Pope
Team: Chistoph Amort, Florian Weiermann, Paula Nikolussi, Stephan Fürböck, Patricia Neuhauser, Fabian Sonnleithner | Fachhochschule Salzburg
Projekt: Medienproduktion im Remix. Das Kreativteam der FH Salzburg (übrigens die absolute Gewinner-Hochschule des letzten ADC Talent Awards) hinterfragt mit ihrem Projekt die Risiken von DeepFake-Technologien und gängigen Prozesse in der Medienproduktion. Ein Mix aus verschiedenen Technologien 3D-Design und gen AI erzeugte eine digitale Kunstfigur zu schaffen, die in Echtzeit bei einer interaktiven Performance auftreten kann.
Jurykommentar: »F**k you all, hier kommt der all over the edge Messiah. Präsentiert wird ein überspitztes Konzept, zeitgeistig und stilbrechend. Ein Zeugnis purer Gestaltungsfreude. Lachend, wo man eigentlich weinen müsste. Die Arbeit schafft es zu berühren – irgendwo, wo man nicht angefasst werden möchte. Hallo Kult der Absurdität. Hallo Grand Prix!«
Die ADC Award Grands Prix
Willkomen bei »den Großen« ADC-Gewinner:innen. Mit insgesamt sechs Grands Prix aus verschiedenen Kategorien haben in diesem Jahr deutlich mehr Projekte gewonnen, als 2023. Gemeinsam haben sie vor allem eines: die visionäre Idee für eine bessere Welt.
Grand Prix Werbung: Laut gegen Nazis – »Recht gegen Rechts«
Team: Verein Laut gegen Nazis | Jung von Matt
Projekt: Rechte Botschaften und Gruppen bedienen sich oftmals verschiedener Buchstabencodes, auf Merchandise und im Web. Der Verein »Laut gegen Nazis« hat sich die Rechte für bekannte Codes gesichert, und Shops und Produzent:innen abgestraft, die diese verwenden – woraufhin diese ihr Merchandise zerstören und Entschädigungen entrichten mussten. Von den Einnahmen ließ der Verein weitere Codes sichern. Alle Details lest ihr im Artikel.
Jurykommentar: »Mit „Recht gegen Rechts“ hat „Laut gegen Nazis“ eine Aktivierung geschaffen, die nicht nur erfolgreich Spenden generiert hat. Das NGO nutzt das Markenrecht als Werkzeug, um rechte Netzwerke finanziell einzuschränken und unterstützt den Rechtsstaat, wo er bisher machtlos war. Letztlich wurde so aus einer schlauen Aktivierung eine spektakuläre Deaktivierung von rechtem Gedankengut.«
Grand Prix Film & Ton: Hornbach – »Jeder Quadratmeter verdient, der beste der Welt zu sein«
Team: HeimatTBWA\
Projekt: Unbezahlbarer Wohnraum und steigende Mieten: Die Hornbach-Kampagne von HeimatTBWA\ zeigt das Potenzial eines einzigen Quadratmeters – von der vertikalen Farm zur inspirierenden Installation im urbanen Raum. Eine Europaweite Aktion mit acht Künstler:innen zeigt, wie groß Projekte auf einem Quadratmeter sein können.
Jurykommentar: Hornbach- ein Gesamtkunstwerk. Alle Craft Gewerke schnurren zusammen. Das Production Design ist einfach großartig. Jedes Zimmer hat eine eigene, zarte, helle, dunkle und eigene Welt. Liebevoll und eigen in jedem Detail. Wir feiern eine Meisterleistung im Productiondesign.
Grand Prix Digitale Medien: Offen für Vielfalt – Geschlossen gegen Ausgrenzung e.V. »Die inklusivste Weihnachtsansprache«
Team: Jung von Matt
Projekt: Jung von Matts zweiter Grand Prix entstand in Zusammenarbeit mit der Initiative »Offen für Vielfalt«. Das Projekt übersetzte die traditionelle Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten in den zwölf meistgesprochenen Sprachen Deutschlands mit Hilfe von KI, die simultan den Wortlaut übersetzte.
Jurykommentar: »Offen für Vielfalt hat gezeigt, wie KI für Gutes eingesetzt werden kann. Die Idee besticht durch ihre Einfachheit und setzt (hoffentlich) einen neuen Standard für politische Kommunikation.«
Grand Prix Spatial Experience: The bigger Draw
Team: Jung von Matt | Hamburg Marketing
Projekt: Die Gruppenauslosung der UEFA Euro zieht ein gigantisches Fernsehpublikum an, das Event selbst ist jedoch in der Regel eher unsprektakulär. Jung von Matt wollte das ändern, und Hamburg zum Ausrichtungsort machen. Während der Losung und Fernsehübertragung ließen die Kreativen live von Hafenmitarbeiter:innen die ergebnisse mit Containern nachbauen und erzeugten so ein meterhohes Bild, das einmal um die Welt ging.
Jurykommentar: »Es gibt in unserem Metier kaum ein schöneres Kompliment: nach dieser Idee wird vermutlich keine Auslosung mehr sein, wie sie war. Langweilige Funktionäre schauen alten und nervösen Fußball-Promis beim Versuch zu, Plastikkugeln aufzuschrauben, um zitternde Zettelchen in die Kamera zu halten. Hamburg konnte dem zwar kein Ende setzen, aber seinen einmaligen Stempel aufdrücken und daraus ein EM-würdiges Spektakel gemacht. Bilder, die um die Welt gingen. Ikonisch, freudvoll, groß. Auf eine Art, die die Stadt mit ihren einmaligen Raum und Charakter zur großen Bühne macht. Spielerisch wie Fußball. Bunt wie die Fans aus ganz Europa. Die Verantwortlichen jeder kommenden EM, WM und eines jeden Städtemarketings werden beim nächsten Event klagen: wir brauchen sowas wie in Hamburg. Chapeau. Geiles Tor zur Welt!?«
Grand Prix Design: AIZOME WASTECARE™ – Industrieabfall, zertifiziert als Hautpflege
Team: Serviceplan
Projekt: Mit diesem Projekt setzt Serviceplan ein Statement gegen die umweltschädliche Produktion in der Modeindustrie. Am Beispiel des japanischen StartUps Aizome zeigen die Kreativen, wie es besser gehen kann. Bei Aizomes Verfahren mit pflanzlichen Färbemitteln, die durch Ultraschall fixiert werden, Wirkstoffe freigesetzt, die sogar noch gut für die Haut sein sollen. Die Idee: Das dematologisch getestete Abwasser aus der Aizome-Produktion wurde in einem eleganten Packaging und mit viel Infomaterial an Entscheider:innen aus der Textil- und Modebranche verschickt.
Jurykommentar: Nachhaltigkeitsversprechen in der Textilindustrie gibt es viele. Den Beweis über den eigenen Industrieabfall zu liefern und daraus ein Pflegeprodukt zu entwickeln, ist genial. „Wastecare“ beeindruckt darüber hinaus nicht nur mit einer klaren Design-Sprache, sondern auch mit einem herausragenden Gestaltungskonzept für die Verpackung. Vorbildlich.
Grand Prix Editorial: FOCUS – »Wie wehrhaft ist unsere Demokratie?«
Der ADC hat in diesem Jahr stellvertretend für die gesamte Journalismus-Branche den FOCUS ausgezeichnet. Denn FOCUS fragt im Angesicht der zahlreichen rassistischen und nationalistischen Vorfälle der letzten Monate, wie wehrhaft eigentlich unsere Demokratie ist – genau wie viele andere Medien unterstützt er damit die Verbreitung von wichtigen Informationen und Perspektiven.
In der Pressemitteilung des ADC heißt es: »Wir widmen den Grand Prix Editorial dieses Jahr allen mutigen, resilienten Qualitätsmedien und denjenigen, die sie machen. Schauen Sie in’s Impressum, wie viele Menschen an der Herstellung eines Magazins oder einer Zeitung beteiligt sind. Eine Demokratie ist nur dann wehrhaft, wenn wir uns gegenseitig unterstützen.« Und dem können wir als PAGE Redaktion nur aus ganzem Herzen zustimmen.
Sustainability-Nagel: #OptInk
Team: McCann Worldgroup | Junge Helden
Projekt: Organspende ist ein umstrittenes Thema. Und auch wenn 85 Prozent der Deutschen die Organspende befürwortet, kommt es doch nur bei einem Bruchteil der potenziellen Spender:innen dazu. Denn um Spenden zu können, muss ein ausgefüllter Organspende-Ausweis vorliegen. #OptInk schlägt eine andere Lösung vor, die die Einwillungung zu einem dauerhaften Statement macht. Organspender:innen sollen dabei in teilnehmenden Tattoo-Shops eine kostenfreie Tattowierung mit einem universellen Zeichen erhalten.
Jurykommentar: »Junge Menschen glauben, dass sie nie sterben werden, und denken daher nicht an Organspenden. Auf der anderen Seite sind Tätowierungen sehr beliebt und drücken Identität aus. Die Idee kam natürlich zusammen, um ein Statement zu setzen. Aber nicht nur junge Menschen fanden es wichtig: 19 Abgeordnete im Bundestag ließen sich letzte Woche tätowieren. Der Slogan ,,Get inked, give life” fungiert dabei als direkter Call to Action. Dies ist eine reine PR-Aktivierungs-Erfolgsgeschichte, einfach, mit Schneeballeffekt, ohne Budget. Tätowierte Menschen werden zu sichtbaren Botschaftern der Organspende und erobern nun auch andere europäische Länder. Eine Entscheidung und ein Statement für die Ewigkeit. Eine Jurorin in der PR Activation Jury war selbst mit dem Zeichen tätowiert.«
Ihr habt das ADC-Festival verpasst? Kein Problem! Hier findet ihr ein Interview mit Dörte Spengler-Ahrens von unseren Kolleg:innen der W&V, sowie einige Statements aus der Jury und das PAGE Best-of ADC Kongress.