PAGE online

»Die Mediengestalter-Ausbildung muss modernisiert werden«

Ist die Ausbildung zum Mediengestalter noch zeitgemäß? Marion Koppitz, Geschäftsführerin von i-pointing in München, sagt: Nein!

Marion Koppitz ist Geschäftsführerin von i-pointing, einer Agentur für Präsentationsdesign mit Sitz in München. In ihrem Betrieb bildet sie seit acht Jahren Mediengestalter aus. Sie sieht erheb­liche Mängel in der Zusammenarbeit von Berufsschulen, Industrie- und Handelskammer (IHK) sowie Ausbildungsbetrieben – die letztlich die Qualität des dualen Ausbildungssystems gefährden. Wir haben sie gefragt, wie man es besser machen könnte.

Hinterfragen Sie das duale Ausbildungssystem generell?
Marion Koppitz: Nein, es ist grundsätzlich ein gutes Sys­tem, in dem der Betrieb für die Vermittlung von Praxiswissen zuständig ist, die Berufsschule für die Theorie und die IHK den organisatorischen Rahmen bietet. Wenn diese drei Organe wirklich zusammenarbeite­ten, würde das System sicherlich auch weiterhin gut funk­tio­nieren. Ich fürchte aber, wir ruhen uns zu sehr auf dem Bestehenden aus.

Das System ist sehr starr, und die Lehrpläne sind teils stark veraltet

Woran machen Sie das fest?
Das System ist sehr starr, und die Lehrpläne sind teils stark veraltet. Bis ein Lehrplan neu aufgesetzt oder aktualisiert ist – also vom Wirtschaftsministerium und der IHK abgesegnet –, vergeht locker ein halbes Jahrzehnt. In dieser Zeit hat sich der Beruf zumindest in unserer Fachrichtung oft enorm gewandelt! Die Ausbildung zum Mediengestalter besteht seit 2004 nahezu unverändert und wurde nur durch spezielle Fachrichtungen angerei­chert, die sich aber inhaltlich schwer voneinander abgrenzen lassen. Wir haben uns für den Bereich Gestaltung und Technik entschieden, aber letztlich könnte es auch Konzeption und Visualisierung sein. Übrigens ha­ben die meisten Leute, die einen Haken unter die Lehrpläne setzen, nie in dem Beruf gearbeitet.

Die gelehrten Inhalte sind also nicht aktuell?
Genau. Mediengestalter werden zum Beispiel grundsätz­lich nur in den Adobe-Programmen geschult. Das sind wichtige Tools, kein Frage, aber die Welt verändert sich! Wir müssen über den Tellerrand blicken und uns andere Software anschauen, die besonders in Spezialgebieten gute Alternativen bieten. Natürlich kann kein Lehrer zwan­zig Programme komplett beherrschen und lehren, aber er kann zumindest darauf aufmerksam machen, wie essenziell es ist, auf dem Laufenden zu bleiben. Wenn ein Lehrer sich darauf ausruht, was er selbst 2004 gelernt hat, und von den Azubis darauf hingewiesen werden muss, dass die Adobe-Tools jetzt in der Cloud sind, dann läuft etwas schief. Auf manchen Arbeitsblät­tern stehen sogar noch D-Mark-Preise! Kein Wunder, dass im Zusammenhang mit der Berufsschule oft das Wort Zeitverschwendung fällt …

Also Berufsschulen abschaffen?
Nein, das ist keine Lösung. Die meisten Auszubildenden wollen das auch gar nicht. Sie wünschen sich den Austausch mit anderen und wissen den theoretischen Rahmen zu schätzen – und auch die Sicherheit, gezielt auf die IHK-Prüfung vorbereitet zu werden. Fällt die Schule weg, lastet auf dem Unternehmen eine zu hohe Verantwortung. Dafür werden die Ausbildungsbetriebe außer­dem nicht gut genug kontrolliert.

 

PDF-Download: PAGE 5.2019

Das ist Design wert! ++ UX Design: Typo fürs Internet of Things ++ CD/CI: Designkonzepte effek-tiv einführen ++ TDC New York ++ Kollaborationstools & die DSGVO ++ Teambuilding

8,80 €
AGB

 

Was schlagen Sie vor?
Ich wünsche mir ein modulares System, in dem sich jeder seine Ausbildung individuell zusammenstellen kann. Neben Pflichtfächern wie Gestaltungsgrundlagen und Arbeitsorganisation könnte man sich je nach Aus­bil­dungs­­schwer­punkt und Interessen Module dazuwählen.

Das klingt schon fast wie ein Studium.
Ja, wie ein Studium in Zusammenarbeit mit dem Betrieb. So könnte der Arbeitgeber parallel zur Schulausbildung die relevanten Themen in der Praxis abdecken sowie mit dem Schüler zusammen die Module auswählen, die für die jeweilige Arbeit relevant sind, und sie an seine individuelle Entwicklung anpassen. Man könnte auch Gast­referenten einsetzen, wie es an Hochschulen praktiziert wird. Es gäbe sicherlich viele Leute aus den Ausbildungs­betrieben, die daran Interesse hätten. Oder man könn­te Tage der offenen Tür organisieren, an denen sich die Azubis in den Betrieben ihrer Mitschüler umgucken.

Meine Forderung ist kein Individual-studium, sondern eine Ausbildung für Individualisten

Können Berufsschulen und IHK das organi­satorisch überhaupt leisten?
Meine Forderung ist kein Individualstudium, sondern eine Ausbildung für Individualisten. Das ist im Grunde genommen kein größerer Organisationsaufwand als heute. Die Lehrpläne gibt es ja, die Inhalte müssten nur neu aufgeteilt werden – und an manchen Stellen na­tür­lich ergänzt. Das Problem liegt meines Erachtens eher darin, dass Berufsschule, Betrieb und IHK komplett un­abhängig voneinander arbeiten und dass es so gut wie keinen Austausch gibt.

Ihr Vorschlag?
Es könnte zum Beispiel Formate wie einen Round Table geben, bei dem sich die drei Seiten austauschen und voneinander lernen. Ich wünsche mir einen konstruktiven Dialog, um herauszufinden, was man mit den vorhande­nen Mitteln besser machen kann. Wir wollen schließlich zukunftsorientiert ausbilden und dafür sorgen, dass unser weltweit hoch angesehenes duales System auch in zehn Jahren noch funktioniert. Dafür muss es dynamischer werden und stärker auf den Arbeitsmarkt einge­hen. Ich würde mich sehr freuen, wenn sich die Branche dazu mehr austauscht!

Welche Erfahrungen haben Sie mit der Mediengestalterausbildung gemacht? Wir freuen uns über Kommentare!

Mehr zum Thema gibt es hier: »Mediengestalter Ausbildung: Aufgaben, Schwerpunkte, Zukunftschancen«

[8338]
Produkt: Download PAGE - Weg mit dem Chef! Praxisreport Holacracy - kostenlos
Download PAGE - Weg mit dem Chef! Praxisreport Holacracy - kostenlos
Alles neu mit Holacracy? Organigramm, Projektmanagement, Corporate Identity

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Neben der Erneuerung der Organisation und Lerninhalte sollte meiner Meinung nach vor allem die Definition des Berufsbildes einmal geklärt und kommuniziert werden.

    Ein Drittel meiner damaligen Ausbildungsklasse waren desillusionierte Grafikassistenten, und mindestens ein Drittel haben sich im Anschluss für ein Studium oder einen anderen Berufsweg entschieden. Der Rest sitzt in der Vorstufe.

    Mir hat die Ausbildung den Weg in Designstudium erleichtert, aber nur, weil ich das Glück hatte, in meinem Betrieb gestalten zu können. Der überwiegende Teil meiner Mitschüler war in Druckvorstufen und Werbestudios beschäftigt und konnte ausschließlich dahingehend gestalterisch tätig sein, als dass die PDF’s beim Ausschießen effizient arrangiert werden mussten.

    Wer also den Berufsbegriff wörtlich nimmt und gestalten will, muss Glück haben, einen der wenigen Ausbildungsplätze in Studios oder Agenturen zu ergattern. Druckereien und Werbestudios sollten keine Mediengestalter ausbilden dürfen, solange in den Unternehmen nicht gestaltet wird. Möglicherweise könnte da der Beruf des Medientechnologen erweiteret werden, damit kein junger Azubi irgendwann feststellen muss, dass er an der Digitaldruckmaschine, am Plotter oder in der Vorstufe niemals Designskills erlernen wird.

    Als Mediengestalter einen sauberen Kreativjob mit akzeptablem Einkommen zu finden, ist (zumindest in meiner Region – Sachsen) schier unmöglich, solange man nicht ein überdurchschnittlich fettes Portfolio und ein paar Jahre Berufserfahrung hat, um mit Studiumabsolventen gleichzuziehen.

  2. Ich habe auch die Ausbildung zum Mediengestalter als Umschulung gemacht und schon von der ersten Sekunde an festgestellt, dass es hier nicht um geeignete Fähigkeiten ging. Ob man überhaupt für diesen Beruf geeignet ist oder nicht, war Nebensache. Es ging nur um Bildungsgutscheine, um die damit verbundenen Fördergelder zu erhalten.

    Leider werden häufig keine geeigneten bzw. anspruchsvolle Aufnahmetests wie bspw. bei Design Studiengängen gefordert. Schade eigentlich, denn letztendlich üben viele Absolventen nie diesen Beruf aus, da einfach zu wenige Fähigkeiten bzw. Eignungen vorhanden sind, um diesem Beruf überhaupt gerecht zu werden. Es gibt natürlich auch Ausnahmefälle.

    Hier finde ich den Beruf als Erstausbildung in einer guten Agentur, viel wertvoller.
    Viel mehr Praxis. Hier wird deutlich mehr gefordert. Man ist dichter an der Realität dran.

  3. Ich finde diesen Ansatz wunderbar. Meinen Abschluss habe ich 2016 gemacht und ich fand auch, dass die schulische Ausbildung Zeitverschwendung war. Überwiegend haben uns die Lehrer ganze Kapitel aus Lehrbüchern zusammenfassen und das Ergebnis sodann auf Plakate malen lassen. Das kann ich zu Hause auch. Der Großteil der Prüfungsthemen war mir unbekannt. In meiner Klasse waren Schüler, die noch nie mit InDesign gearbeitet haben und nach der Schule auch kein Stück fähiger darin waren. Oder alles Wesentliche, was das digitale Zeitalter betrifft – davor haben wir einen riesigen Bogen gemacht – aber hauptsache wissen, wie eine IP zustande kommt oder berechnen können wie schnell eine Datei beim Kunden ankommt, wenn ich sie mit sounsoviel mb bei einer Übertragungsrate von XY mb/s rausschicke… von HTML und CSS gar nicht erst anzufangen. Ich fühlte mich manchmal wie in einer Selbsthilfegruppe für kreative Legastheniker.

  4. Also ich gehöre zum 1. Mediengestalterjahrgang und kann hier nur sagen, dass damals der neue Beruf Mediengestalter für Digital- und Printmedien ziemlich schnell den Druckvorlagenhersteller abgelöst hat. Auf jeden Fall zu schnell. Meine Fachrichtung war damals Mediendesign ab die Fachrichtungen waren hier sowieso noch nicht ganz klar. Zumindest auch den Ausbildungsbetrieben. Wenn ich das damals so gewusst hätte, hätte ich die Ausbildung bestimmt nicht in diesem Jahr gemacht. Noch dazu war mein Ausbildungsbetrieb eine Druckerei mit Verlag. Da ging mir natürlich vom Lerninhalt was Nonprint betrifft so einiges ab. Gut das es damals die sogenannte ÜBA (Überbetriebliche Ausbildung) in Ismaning bei München gab. Die haben uns dann nochmal richtig fit für die Abschlußprüfung gemacht. Was mich auch noch die ganze Ausbildungszeit über begleitet hat war das Buch “Kompendium der Mediengestaltung”…bei dem gleich bei der 1. Ausgabe der Farbkreis für die Farbmischung falsch angelegt war und es dann gleich ein Portal gab bei dem wir uns über die Fehler in diesem Buch austauschen konnten. 🙂

  5. Aus dem Interview geht hervor, dass Module die Ausbildung individueller, je nächste Spezifikation, gestalten könnten. Welche Form von Modulen könnten das genau sein? Die Ausbildung bzw. die Prüfungsordnung sieht ab Beginn der Ausbildung Wahlmodule vor, die die Schüler gemeinsam mit ihrem Betrieb wählen sollen. Je nach Wahlmodul gibt es spezifische Aufgaben in der Zwischen- und Abschlussprüfung. Im Vergleich unter den Azubis vor der Zwischenprüfubg wird leider zu oft festgestellt, dass viele Azubis diese Wahlmodule nicht kennen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Das könnte dich auch interessieren