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Das sollten Designabsolvent:innen können!

Was wünschen sich Agenturen und Unter­nehmen von Designabsolvent:innen? Was sollen sie können?

Designstudium

Was Arbeitgeber:innen von Designabsolvent:innen erwarten, hängt eng mit der Ausrichtung der Agentur oder des Unternehmens zusammen. Allgemein achten viele allerdings vor allem auf bestimmte handwerkliche Skills und Programmkenntnisse. Bei der Digitalagentur Demodern liegt zum Beispiel ein großer Fokus auf 3D und Motion Design, Realtime-Technologie und Game Engines, weil dies für ihre Art von Projekten am meisten benötigt wird.

Auch bei la red stehen derzeit Motion Design und Bewegtbildkenntnisse im Vordergrund. »Man muss After Effects nicht komplett beherrschen, sollte aber in bewegten Bildern und Storyboards denken können«, erklärt Daniel Klose, Kreativdirektor am Hamburger Standort. Ihm ist zu­dem wichtig, dass Juniordesigner einen Sinn für Ästhetik und Storytelling haben – und ein Gespür für Trends. Er betont, dass Praktikant:innen und jüngere Designer:innen oft eine große Bereicherung sind: »Sie gehen noch ganz frei an Themen heran, ohne Beschränkungen wie Brand Guide­lines im Kopf. Damit motivieren sie das gesamte Team.«

Elisabeth Plass, Gründerin und Creative Director bei der Hamburger Brandingagentur Eiga, vermisst bei vielen Ab­solvent:innen gestalterische Grundlagen, etwa wie man im Editorial Design Ras­ter nutzt: »In den letzten Jahren hatten wir das Gefühl, sehr viel selbst ausbilden zu müssen. Ich weiß, dass mir viele Professor:innen widersprechen werden – aber das sind nun mal unsere Erfahrungen.« Generell fehle es an einer strukturierten und konzeptionellen Arbeitsweise. »Designer:innen sollten sich nicht sofort an den Rechner setzen und Pixel schieben, wenn es darum geht, ein Logo zu gestalten, sondern erst mal ein Konzept machen und die Gestaltung inhaltlich herleiten. Dieses Methodenwissen vermisse ich bei vielen Design­absol­ven­t:in­nen.« Sie würde sich außerdem wünschen, dass junge De­sig­ner:in­nen mehr spezifische Kenntnisse im Bereich Branding hät­ten, bevor sie in die Agentur kommen: »Im Bachelorstu­di­um schnuppern sie überall ein bisschen rein, machen aber nichts wirklich intensiv.« Daher stellt sie lieber Masterab­solvent:innen ein, von denen es aber nicht viele gibt.

Kollaboratives Arbeiten

Wiederum andere Anforderungen hat Thorsten Jankowski, UX Lead der Volkswagen IT: »Im Bereich Interaction De­sign suchen wir vor allem Menschen mit einer lösungsoffenen Denkweise. Bei der Frage, wie ein Mensch mit einem digitalen Produkt interagiert, spielen soziologische, psy­cho­lo­gische und philosophische Aspekte mit hinein.« De­sig­ne­r:innen, die mit ihm arbeiten, müssten abs­trahieren können und in der Lage sein, ihre Erkenntnisse in funktionale Gestaltung umzusetzen – wobei die »reine Form­ge­bung« keine zentrale Rolle mehr spiele.

Jankowski arbeitet mit seinen Teams unter anderem in Design-Thinking-Prozessen und achtet darauf, dass er für jede Phase entsprechende Expert:innen hat. Es muss also keine:r alles können. Viel wichtiger sei ein ausbalanciertes Team, in dem neben Designer:innen auch Entwick­ler:in­nen sitzen. Dafür sind bestimmte Fähigkeiten und Eigenschaften nötig:

»Ich brauche Leute, die kommunizieren können und ihr Wissen offen teilen. Die Fähigkeit zur Kolla­bo­ra­tion ist wichtiger als individuelle Expertise.«

Leider werde diese Art des Arbeitens an Hochschulen kaum gefördert. Dort arbeite man meist allein oder in kleinen Teams unter Designer:innen – disziplinübergreifendes Arbeiten lerne man so nicht. Während Jankowski fundierte Techniken der Visualisierung voraussetzt, ist ihm die Kenntnis spezifischer Programme nicht so wichtig: »Tools ändern sich schneller, als man gucken kann. Die lernt man am besten über YouTube. Dazu braucht es natürlich die Bereitschaft, sich stän­dig weiterzuentwickeln und dazuzulernen.«

Mentor:in gesucht

»Die Frage ist seit ein paar Jahren eigentlich vielmehr: Was erwarten Absolvent:innen von den Agenturen?«, sagt Lis Nielsen, Gründerin der Recruiting- und Personalbera­tungs­agentur Headstart in Hamburg. Auch die Pandemie habe nichts daran geändert, dass sich vor allem gut ausgebildete Designabsolvent:innen in der Kreativbranche ihre Ar­beit­geber:innen aussuchen können. Al­lerdings beobachtet Nielsen auch, dass viele Designabsolvent:innen weder auf die Selbstständigkeit noch auf Bewerbungsverfahren gut vorbereitet sind: »Ein paar Kurse im Bewerbungstraining und in Selbstdarstellung wären sicherlich hilfreich, damit Absolvent:innen wissen, was sie erwartet und wie sie sich am besten präsentieren.«

Beim Berufseinstieg sei Mentoring ein wichtiges Thema, erklärt Recruiterin Nike Greulich von Headstart: »Junge Kreative wünschen sich jemanden, von dem sie lernen und dem sie vertrauen können.« Es sei wichtig, den Übergang von der Hochschule in den Berufsalltag zu begleiten: »Man kann nicht erwarten, dass Absolvent:innen fertig und einsatzbereit von der Uni kommen.« Das nimmt zwar Zeit und Energie in Anspruch – von denen es im Agenturalltag oft zu wenig gibt – aber es lohnt sich: »Jemanden richtig anzulernen und zu fördern sorgt für eine große Verbunden­heit und Loyalität gegenüber dem Unternehmen. Das spricht sich herum – und Mundpropaganda ist das wichtigste Re­cruiting-Tool«, sagt Greulich. 

Mehr zum Thema »Designlehre, quo vadis?«

Dieser Artikel ist in PAGE 08.2021 erschienen. Die komplette Ausgabe können Sie hier runterladen.

PDF-Download: PAGE 08.2021

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