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Das neue Medium und seine Verächter

Das E-Book ist in Deutschland ein ungeliebtes Kind.

Das E-Book ist in Deutschland ein ungeliebtes Kind.

Am heftigsten wird es von den Buchgestaltern verteufelt, gefolgt von den Papierherstellern und den Buchbindern. Dann kommen die Verlage, die noch nicht viel mit dem neuen Medium anfangen wollen. Die Autoren scheinen keine oder kaum eine Meinung zum digitalen Buch zu haben, wäh­rend sich die Leserschaft in drei Gruppen teilt: regelmäßige Nutzer, Neugierige und Ignoranten.

Anfang Juni erhielt ich Post von der FH Bielefeld, genauer: von dem dort beheimateten Institut für Buchgestaltung (IFB). Die Einrichtung wurde gegründet, um Buchgestaltung und -pro­jekte zu erforschen und zu fördern. Auf der Website heißt es: »Unser Hauptinteresse gilt der künstlerisch-gestalterischen und funktionalen Weiterentwicklung (und Profilierung) der analogen und digitalen Lesemedien.«

Ich habe mir das Programm 2013 angesehen und auch die online verfügbaren Jahresberichte von 2008 bis 2012: kein einziges Projekt, das sich mit dem Lesen am Bildschirm beschäftigt. Dafür wird in den Interviews der aktuellen Publikation kräftig dagegen gewettert. Zum Beispiel Friedrich Forssman: »Ich nutze keine E-Books und lese keine Texte im Internet … Dem Buch wird es weiterhin bestens gehen, dem E-Book hoffentlich weiterhin schlecht. Es mag seine Nischen finden, aber diese Nischen interessieren mich nicht.« Oder Lars Harmsen: »Ich besitze kein E-Book. Das interessiert mich nicht die Bohne.« Anmerkung: Sowohl Forssman als auch Harmsen unterrichten beziehungsweise unterrich­teten an deutschen Hochschulen.

In diesen Hochschulen, das beweisen Berge von Magazinen und Diplom­konzepten auf meinem Schreibtisch, er­füllt sich ein Heer von Studierenden den Traum vom schönen Buch und vom pompösen Magazin. Kein Wun­der, wenn sie diese Medien praktisch am Laptop erstellen und nebenan auf der hochschuleigenen Sechsfarb-Heidelberg herstellen können. Allerdings lässt sich mit diesen Träumen in der realen Welt nicht mehr viel anfangen, weil die seit Jahrzehnten gültige Handelsform für Zeitungen, Zeitschrif­ten und Bücher nicht mehr funktioniert.

Dabei erstaunt, dass sich hierzulan­de das Buch unter allen Printmedien am stabilsten behauptet. Sicherlich ein deutsches Phänomen, denn in den USA haben elektronische Bücher beim Net­toumsatz seit Sommer letzten Jahres die Hardcover-Ausgaben abgehängt. Kulturelle und ökonomische Um­stän­de schützen den deutschen Buchmarkt. Zum Beispiel die Preisbindung, aber auch große Wohnungen mit meterlangen Billy-Regalen. Nicht zuletzt stützt die seit Generationen gepflegte Geschenkkultur das gedruckte Buch (das oft ungelesen bleibt).

Zurück nach Bielefeld. Dort wirkte in den 1980er und 1990er Jahren Professor Gerd Fleischmann. Er lehrte Typografie aus Leidenschaft, was von sei­nem Schüler Klaus Seelig so beschrieben wurde: »ein unbequemer, kopfstarker Linksfuß, der quer denkt, aber gerade schießt«. 1988/1989 sorg­te Fleischmann für die Einführung von Computern am Fachbereich Gestaltung, gegen den Widerstand zahlreicher Kollegen. Fleischmann und die 1986 gegründete PAGE wurden schnell dicke Freunde. Wir veranstalteten drei DTP-Gestaltungs­wett­bewerbe, deren Inten­tion aus heutiger Sicht absurd erscheinen mag, damals aber notwendig war. Warum muss man einen Designpreis für Drucksachen ins Leben rufen, die mit einer bestimmten (damals neuen) Tech­nik hergestellt wurden? Das muss man dann tun, wenn die Vertreter der alten Technik gegen das Neue kämpfen oder nicht erkennen wollen, welche Chancen im Neuen liegen.

Und genau so geht es dem E-Book im Augenblick. Traditionelle Buchmacher halten es lediglich für Spielkram (wie damals das DTP), und Design­wett­bewer­be (wie Die schönsten deutschen Bücher) grenzen es aus. Was wird also passieren? Bald gibt es den ersten Wett­bewerb für die Gestaltung von E-Books, wahrscheinlich drei Jahre lang, und an­schließend werden die konservativen Geister entweder das E-Book als Partner zu schätzen wissen oder im Kampf dagegen überrannt werden. Auch wie damals, beim DTP. Vielleicht kommt die Initiative für einen E-Book-Preis ja wieder aus Bielefeld, vom Institut für Buchgestaltung.

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Mein Lieblingszitat zu diesem Thema lautet: “Analog books are for people who love books. E-books are for people who love to read.”

  2. Meine Augen und meine Hände freuen sich, wenn sie mal nicht auf einen Bildschirm fassen oder starren müssen. Und wenn mal der Strom ausfällt ist mein Buch immer noch “an” und braucht keinen Akku.

  3. Es tut weh, einen einstigen Helden wie Friedrich Forssman immer mehr zum knorrigen alten Mann abstürzen zu sehen.

  4. Zu diesem Thema gab es auch grade einen interessanten Artikel im SZ-Magazin … vielleicht zieht das Argument “keine Angst vor neuen Medien” ja doch nicht immer 😉
    http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/40237

  5. Das E-Book ist und bleibt Schrott! Es überträgt keinerlei haptische Emotionen und ist weiß und Kalt wie ein Eisklotz. Es macht keine Nebengeräusche beim umblättern von Seiten. Außerdem wird man noch mehr in die elektronische Welt gepresst, es tut einfach gut einfach mal alles abzuschalten und ein gutes Buch zur Hand zu nehmen.

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