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»Das Bauhaus steht in erster Linie für eine Gestaltung, die Haltung zeigt«

Warum das Bauhaus gerade in Zeiten von Digitalisierung, Globalisierung und Beschleunigung so wichtig ist, erklärt Boris Kochan im Interview

Boris Kochan, Inhaber der Branding- und Designagentur Kochan & Partner in München, hat die Diskussionsreihe »Bauhaus 4.0« des Deutschen Designtags initiiert. Am 8. Oktober findet der nächste Abend in Nürnberg statt – zum Thema »Bauhaus 4.0 meets Fashion & Textildesign: Wenn aus Mode Smart Fashion und aus Stoff Electro Couture wird – Designgespräch über neue Wege zur tragbaren Nachhaltigkeit«. Wir sprachen mit Boris Kochan über die ungebrochene Aktualität des Bauhauses, die Rolle des Gestalters in der heutigen Zeit und warum er die zunehmende Spezialisierung des Designs und der Designstudiengänge so kritisch betrachtet.

Das historische Bauhaus bestand nur 14 Jahre, entfaltete aber eine immense Nachwirkung. Was ist für Sie als Gestalter der wichtigste Anknüpfungspunkt?

Boris Kochan: Gerade weil das Bauhaus nicht ein Design hervorgebracht hat oder einen Stil, sondern höchst unterschiedliche Ergebnisse, können wir heute von ihm lernen. Das Bauhaus steht in erster Linie für eine Gestaltung, die Haltung zeigt. Design lässt stets Rückschlüsse darauf zu, mit welcher Intention es entsteht. Es gibt kein Design ohne gesellschaftliche und damit auch politische Wirkung, es findet stets im Kontext statt. Dazu kommt, was Hanno Rauterberg »tollkühne Lust am Gelingen« nennt, die bis heute ansteckend wirkt. Das Bauhaus praktizierte – wieder Hanno Rauterberg – einen »Enthusiasmus, der möglich macht, was unmöglich schien«.

In der »Bauhaus 4.0«-Reihe diskutieren Sie mit Gestaltern von heute über fast alle Einsatzfelder von Design. Was sind Ihre Erkenntnisse?

Wir geben den verschiedenen Gestaltungsdisziplinen Raum, von Editorial Design über Produktdesign bis hin zur Designtheorie. Übereinstimmung existiert, dass das Spartendenken vorbei sein muss, sowohl in der Ausbildung wie auch im Beruf. Heute geht es um die Gestaltung von Systemen, von Prozessen und Methoden – und natürlich auch von Schnittstellen. Wobei Design stets den Menschen in den Mittelpunkt stellen sollte – und nicht das Produkt oder die Dienstleistung an sich. Kein Wunder also, dass Unternehmensberatungen international Design- und Internetagenturen kaufen, um diese Fähigkeiten in ihr Angebot zu integrieren. Generalistisches Analysieren und Handeln, wie es in Ansätzen auch schon in der Grundlehre des Bauhauses steckt, ist also höchst aktuell.

Gibt es konkrete Punkte, an denen Sie weiterarbeiten?

Neben einer Publikation, die nächstes Jahr erscheinen soll, hat sich eine Gruppe innerhalb des Deutschen Designtags vorgenommen, das Berufsbild des Designers neu zu beschreiben. Dieses hat sich seit der Bauhauszeit grundlegend verändert, und mit der Digitalisierung wird es sich noch weiter wandeln. Wir wollen einen breit zu diskutierenden Vorschlag entwickeln, welche Rolle Design im Zusammenspiel mit Gesellschaft, Kultur, Politik und Wirtschaft zukünftig haben soll.

Das Bauhaus war nicht zuletzt eine Ausbildungsstätte. Ist die Designausbildung in Deutschland noch auf der Höhe der Zeit?

Seit über dreißig Jahren führe ich Bewerbungsgespräche und beobachte dabei mit großem Vergnügen die zunehmende Lust junger Menschen, sich mit den gesellschaftlichen Aspekten von Design zu beschäftigen. Erfreulicherweise entstehen hier spannende Ansätze in der Ausbildung, etwa (Master-)Studiengänge zu Social Design, in denen sich angehende Gestalter mit ihren Potenzialen und Fähigkeiten, mit den Methoden des Designs einbringen, um die Gesellschaft zukunftsfähig zu machen. Auf der anderen Seite gibt es leider auch heute noch viele Absolventen, die weder in der Lage sind, sich zum Kern einer Aufgabenstellung zu äußern, noch, ihre Ideen argumentativ zu vertreten. Die Designbranche beansprucht für sich, strategische unternehmerische und gesellschaftliche Aufgabenstellungen zu lösen. Da bedarf es unbedingt der Fähigkeit, zu argumentieren, mitzunehmen und zu begeistern.

Vielleicht noch ein anderer Aspekt: Überall sprießen neue Spezialstudiengänge hervor. Diese tragen dazu bei, Designfakultäten zu etablieren und zu positionieren – ob das aber für die Studierenden einen Mehrwert bringt, möchte ich hinterfragen. Es geht nicht um mehr und spezieller, sondern um tiefer und ganzheitlicher! In Zeiten von Digitalisierung, Globalisierung und Beschleunigung sollten Designer viel mehr über den Menschen lernen. Wir brauchen nicht die Vertiefung in Einzelaspekte, sondern Designer, die den Gesamtzusammenhang in ihr Entwerfen einbeziehen. Auch in diesem Punkt ist das Bauhaus hochaktuell.

Mehr zum Thema in unserer Serie: »Was können wir vom Bauhaus lernen?«, in der wir von Gestaltern wissen wollten, ob sie das Bauhaus, seine Ideen und seine Designpraxis noch für zeitgemäß halten.

Teil 1: notamuse / Annemarie Jaeggi

Teil 2: Peter Post von Scholz & Volkmer / Heike Schmidt von Stan Hema /  Mirko Borsche / Konstantin Grcic

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