Schöne neue Messaging-Welt: Jürgen Siebert über die zukünftige Art des Online-Shoppings.
Anfang des Jahres kündigte ich an dieser Stelle die Invasion der Roboter an (siehe PAGE 03.16, Seite 114). Nun werden schon die ersten ausgesetzt: Messaging-Bots, die Kommunikation mit Shopping verbinden. Facebook hat auf der Entwicklerkonferenz F8 Mitte April skizziert, wohin die Reise gehen soll. Mark Zuckerberg höchstpersönlich entführte die Besucher in die neue Online-Einkaufswelt und demonstrierte die Chatbots von CNN und 1-800-Flowers. Bei dem Nachrichtensender können User Informationen zu aktuellen Themen erfragen. Und auch den Blumenstraußlieferdienst spricht man einfach im Messenger an. »Wir werden nie wieder 1-800-Flowers anrufen müssen, um Blumen zu bestellen«, witzelte Mark Zuckerberg über den Versandpartner, der sich nach seiner Servicenummer benannt hat.
Dabei läuft dessen Geschäft schon seit Jahren kaum noch übers Telefon, sondern via Internet und zuletzt über die 1-800-Flowers-App. Doch aus Sicht Zuckerbergs sind Apps von gestern. Sein Bestreben ist es, die gesamte Businesskommunikation in den hauseigenen Messenger zu holen, einschließlich der Bezahlung. Und wenn dann der Strauß zu Mutti gesendet werden soll, muss man nicht mal die Adresse eintippen, denn die ist ja auch in dem Social Network. Genial einfach, genial schlüssig, genial totalitär.
Facebook will nicht nur mehr Nutzer gewinnen, sondern diesen auch das Gefühl geben, die Plattform nie mehr verlassen zu müssen. Das Netz im Netz, wie es AOL oder T-Online schon vor 20 Jahren spinnen wollten – zum Glück ohne Erfolg. Auf der anderen Seite ließe sich durch die Shoppingaktivitäten endlich das Geld verdienen, das die Investoren sehen möchten und die großen Wettbewerber Apple, Google und Amazon seit Jahren online einnehmen.
Bleibt die Frage, ob die Facebook-User den Enthusiasmus für die neue Art des Online-Shoppings teilen werden. Eine Vorgängeridee, der 2014 eingeführte »Buy«-Button, hat sich bereits als Niete herausgestellt. Nutzer sollten mittels Knopfdruck ganz easy einen Service oder ein Produkt innerhalb von Facebook erwerben können. Aber das Geschäft nahm bis heute nicht wirklich Fahrt auf. Nur ein Drittel der wichtigen Nutzer zwischen 20 und 45 Jahren gab bei einer Umfrage Ende 2014 an, dass sie den Button vielleicht irgendwann verwenden würden.
Ich glaube, Facebook hat nicht verstanden, wie Online-Einkaufen funktioniert. Na gut, es ist ein Technologieunternehmen, kein Händler. Mal abgesehen von Kinokarten, die sich recht einfach per Dialog erwerben lassen, geht anderen Einkäufen in der Regel eine ausgedehnte Informationsphase voraus. Nicht umsonst packen erfolgreiche Händler – von Amazon bis Zalando – ihre Websites und Apps voll mit Produktbeschreibungen und Fotos. Alleine ein T-Shirt im richtigen Schnitt, in Größe, Farbe und Material abzustimmen erfordert einen ausgiebigen Dialog, der die Geduld eines jeden Roboters auf die Probe stellen würde. Und am Ende des Entscheidungsprozesses möchte ich als aufgeklärter Käufer gerne noch Preise vergleichen, statt mein Geld dem erstbesten Chatbot in den Rachen zu werfen.
Wenn eine neue Shopping-Technik erfolgreich sein soll, muss sie mehr leisten als bestehende Kanäle. Das System Chatbot befindet sich aber aktuell in der Phase der Simulation: Mit bewährten Partnern (1-800-Flowers, »The Wall Street Journal«, CNN und KLM) ahmt man das bestehende Geschäftsmodell nach. Die Industriegeschichte lehrt uns aber, dass dies für die Umwälzung eines Business nicht ausreicht.
Doch nehmen wir mal an, diese Bots funktionieren irgendwann richtig gut und mischen sich aktiv in die User-Kommunikation ein . . . heute nennt man das Werbung. Der Fanatismus von Zuckerberg, gepaart mit der Privatheit des Messaging, verspricht maximal Aufdringlichkeit im Chatbot-Dialog. Als Negativbeispiele aus dem echten Leben fallen mir auf der Stelle Haustürverkauf und Telefonkaltakquise ein. So was wird entweder vom Gesetzgeber unterbunden oder vom Verbraucher geblockt.
Schöne neue Messaging-Welt: Letzten Endes könnten es wieder die Werbetreibenden beziehungsweise deren Agenturen verbocken. Wann lernen sie endlich, die Verbraucher wie Partner zu behandeln – nicht wie Feinde?