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„Grafikdesigner verdienen so wenig wie nie zuvor“

Die Veröffentlichung angeblicher Gehaltsstrukturen im Grafik-Design – zunächst durch den Stern und in der Folge (allerdings ohne den Hinweis, dass der Stern-Durchschnittswert auf Basis von weniger als 25 Befragten zustande kam) durch Welt kompakt und Welt mobil – hat für Wirbel gesorgt und bedarf der dringenden Korrektur – findet Johannes Erler. Seine Gegenrede auf Fontblog.de

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Die Veröffentlichung angeblicher Gehaltsstrukturen im Grafik-Design – zunächst durch den Stern und in der Folge (allerdings ohne den Hinweis, dass der Stern-Durchschnittswert auf Basis von weniger als 25 Befragten zustande kam) durch Welt kompakt und Welt mobil – hat für Wirbel gesorgt und bedarf der dringenden Korrektur – findet Johannes Erler. Seine Gegenrede auf Fontblog.de löste eine lange Kommentarkette aus.
Ein Interview zum Thema lesen Sie in der Printausgabe PAGE 03.2010, die am 2. Februar erscheint, die komplette Gegenrede von Johannes Erler finden Sie hier.

Eine Gegenrede von Johannes Erler, Factor Design, Hamburg

„Die veröffentlichte Tabelle (vgl. Fontblog: Gehaltscheck – Grafikdesigner sind heute Spitzenverdiener) geht vollkommen an der Realität vorbei und wirft ein falsches, schädigendes Licht auf unseren Berufsstand. In Wirklichkeit ist im Grafik-Design schon lange nicht mehr so wenig verdient worden, wie heute. Und nie waren die Perspektiven, dass sich dies in Zukunft deutlich bessern könnte, schlechter.

 

 

Als Inhaber eines seit vielen Jahren im Prinzip erfolgreichen und angesehenen Designunternehmens kann ich zunächst einmal feststellen, dass die Honorare seit etwa 10 Jahren mehr oder weniger stagnieren und durch die Inflation sogar deutlich rückläufig sind (geht man von 2 % Inflation aus, summiert sich dies folglich auf etwa 20 % Honorarrückgang). Die anhaltende Krise hat zudem bewirkt, dass Kunden im vergangenen Jahr Reduzierungen von bereits verhandelten Honoraren gefordert haben und oft auch durchsetzen konnten. Zum Beispiel hat fast die gesamte, stark von der Anzeigenkrise betroffene Medienbranche (also z. B. die Verlage von Stern und Welt) schon Ende 2008 pauschal verordnete 10 % Honorarkürzung durchsetzen können. Die Angst vor der damals erst aufkommenden, bedrohlichen Wirtschaftskrise spielte den Verlagen in die Karten.

 

 

Das abgelaufene Geschäftsjahr hat unser Unternehmen mit einem Umsatzrückgang von fast 25 % beendet. Für die im Corporate Design tätigen Designbüros scheint dies einigermaßen normal zu sein. Andere Berufszweige (z. B. das Packaging) sind angeblich nicht in diesem Maße betroffen und haben dennoch ordentlich rudern müssen. Durch Kurzarbeit und Kostenersparnis an anderen Stellen haben wir diesen Verlust zum Glück auffangen können. Wir beendeten das Jahr mit einer schwarzen Null. Und darüber bin ich zunächst einmal froh, vor allem deshalb, weil wir die Lage perspektivisch im Griff haben. Und auch, weil die Stimmung in unserem Büro nach wie vor gut ist und die Leute gern bei uns arbeiten.

 

 

Trotzdem, und darum soll es hier gehen, kann man sich vielleicht vorstellen, dass unter diesen Umständen Gehaltserhöhungen allenfalls äußerst moderat und eher symbolisch ausfallen können. Was mich wiederum zu dem Schluss bringt, dass unsere Gehaltsstruktur grundsätzlich den Umständen entsprechen angemessen und realistisch zu sein scheint.

 

 

In meinem Büro werden Gehälter für Designer zwischen 2.200 Euro (für Berufseinsteiger, die nach Beendigung des Studiums in der Regel noch einiges dazulernen müssen, um im Designalltag bestehen zu können) und 4.500 Euro (für verdiente, selbstständige Kräfte mit einigen Jahren Berufserfahrung) bezahlt. Der Schnitt liegt wohl bei etwa 3.200 Euro. Die meisten unserer Mitarbeiter sind nicht länger als 5 bis 6 Jahre bei uns. Viele wechseln irgendwann das Büro, einige machen sich selbstständig. Ich würde sagen, dass bei uns eine normale Fluktuation herrscht. Ob die Selbstständigkeit ein höheres Einkommen garantiert, wage ich zu bezweifeln. Ein bereits relativ hoher Tagessatz von 400 Euro für einen guten, erfahrenen Freien würde, auf 20 Arbeitstage hoch gerechnet, spannende 8.000 Euro ergeben. Doch derart durchgebucht ist kaum jemand, freie Tage durch Urlaub oder Krankheit sind nicht bezahlt und es gehen hohe Kosten für Geräte, Hard- und Software und manchmal Raum- oder Platzmiete ab. Unterm Strich verdient ein Freier nicht mehr, als ein einigermaßen gut bezahlter Fester, hat jedoch ein wesentlich höheres Risiko zu tragen. Dass in anderen Büros nicht wesentlich mehr verdient wird, weiß ich übrigens auch (wobei ältere, kompetente Designer auf großen Etats und in großen Agenturen sicherlich höhere Einkommen erzielen. Aber so viele gibt es davon unterm Strich nicht). Freuen kann sich, wer einen alten Anstellungsvertrag in einem großen Verlagshaus besitzt, der also aus einer Zeit stammt, als die Werbegelder noch üppig flossen. Aber diese Zeiten sind vorbei und kaum eine Designleistungen benötigende Branche entlässt heute dramatischer, als die Printmedien. Wenn nun aber die erzielten Honorare die Kosten so gerade eben deckeln und ich – und das betone ich ausdrücklich – eigentlich der Meinung bin und den Wunsch habe, höhere Gehälter zu zahlen, weil die Qualität der Arbeit und der Einsatz, durch den diese Arbeit zustande kommt, mehr wert sind, dann stimmt etwas ganz grundsätzlich nicht. Und zwar mit den Honoraren.

 

 

Es stimmt was nicht, mit den Honoraren. Die nämlich stehen den erbrachten Leistungen schon lange nicht mehr angemessen gegenüber und sind teilweise – ganz ohne Not – regelrecht beschämend. Womit wir  – mal wieder –  bei der generellen (Vermittlungs)krise unseres gesamten Berufsstandes wären.

 

 

In der Zeitschrift »Wirtschaftswoche« wurde vor einigen Wochen und anlässlich des red dot-awards der geschätzte Kollege Jochen Rädeker (Strichpunkt) zitiert, der eine der momentan üblichen, unseriösen Jobanfragen eines mittelständischen Unternehmens vortrug (Pitch / lächerliche Honorare / hanebüchene Vorstellungen vom Jobverlauf … er lehnte ab). Das jedoch ist die Realität, der wir uns zu stellen haben, und es werden garantiert ausreichend andere für Strichpunkt eingesprungen sein. Justus Oehler (Pentagram Berlin) wurde im gleichen Artikel mit der Aussage zitiert, dass es eben einfach zu viele schlechte Designer gäbe, die den Markt und die Preise kaputt machen. Da ist leider auch was dran.

 

 

Und so befindet sich das deutsche Grafik Design eingangs des Jahres 2010 in der ziemlich bedauerlichen Zwickmühle, zwischen Wirtschaftskrise, Misshandlung des Designbegriffes durch jeden, der einen Computer bedienen kann, und Unwissen über Nutzen, aber eben auch Kosten von Designleistungen auf Kundenseite. Und da nützt es am Ende herzlich wenig, wenn vielerorts jubiliert wird, dass die Designbranche wächst und angeblich heute niemand mehr ohne Design auskommt. Denn welche Art von Design da gemeint ist, lässt sich kaum sagen, weil der Begriff dermaßen schwammig geworden ist, dass er den seriösen Designern am Ende eher schadet, als hilft.

Es wird voraussichtlich Jahre dauern, bis dieses Bild korrigiert ist. Und Artikel, wie in Stern und Welt werfen das Design erneut zurück, weil sie ein Klischee bestätigen, das so längst nicht mehr stimmt. Dafür gehören den Redakteuren dieser Blätter die Ohren lang gezogen. Letztlich helfen uns am Ende nur die sorgfältige Dokumentation erbrachter Qualitätsleistungen und der Wille und Mut, diese Leistungen öffentlich zu machen. Einzelkämpfertum nützt wenig, weil die Möglichkeiten des einzelnen, sich gegen beauftragende Unternehmen angemessen durchzusetzen, eher gering sind. Statt dessen würde eine Bündelung der Kräfte  – in Büros (vielleicht sogar mit ganz anderen Hierarchiemodellen, als heute üblich) und im Zusammenspiel der vielen guten Büros – mehr bewirken. Es wird dringend Zeit, dies zu organisieren. Es tut sich jedoch auch was.

 

 

Pitches gehören abgeschafft, der Nutzen von Design muss besser herausgearbeitet werden, die Ausbildung muss besser werden (hier gilt es sich persönlich zu engagieren!). Und nicht zuletzt müssen wir selbst es organisieren, dass jeder potentielle Kunde zunächst einmal kompetent an die Hand genommen wird. Verständnis zu schaffen ist nämlich die beste Grundlage einer guten Beziehung. Die Stern-Zahlen sind eine schöne Vision und hoffentlich keine Utopie. Der Weg dorthin ist lang.“

 

 

Ein Interview zum Thema lesen Sie in der Printausgabe PAGE 03.2010, die am 2. Februar erscheint.

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Endlich mal einer der ehrlich sagt was in unserer Branche Sache ist. Ich bin seit 24 Jahren freiberufliche Storyboard – Illustratorin und habe viel mit grossen Agenturen im Homeoffice gearbeitet. Seit mehr als 3 Jahren ist mein Umsatz um 2/3 gesunken. Es gibt einfach keine Job´s mehr und wenn, dann soll man alles umsonst machen. Zum Glück bin ich in einem Alter wo ich mich vom Beruf bald verabschieden könnte . Was mir nicht leicht fällt ,da ich meinen Job wirklich Liebe und vor allem Profi bin .

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