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Was für ein großartiges, berührendes & heiteres Graphic-Novel-Debüt!

Die Illustratorin Maren Amini erzählt in ihrer preisgekrönten Graphic Novel »Ahmadjan und der Wiedehopf« die Geschichte ihres Vaters, der aus Afghanistan nach Hamburg kam. Und das mit wirbelnden schwarzen Strichen, mit Farbgewittern und in einer mitreißenden Sprache. Wir haben sie gefragt, wie dieses Wunderwerk entstand.

Bild: Maren Amini

»Ahmadjan und der Wiedehopf« ist nicht nur deine erste Graphic Novel, sondern auch eine sehr persönliche. Wie kam es, dass du die Geschichte deines Vaters erzählen wolltest?

Maren Amini: Dieses Buchprojekt entstand aus einer tiefen Notwendigkeit. 2021, als die Taliban die Macht in Afghanistan übernahmen, wurden bei meinem Vater alte Narben aufgerissen, und der Schmerz war überwältigend. Wir wollten unbedingt etwas gegen dieses Gefühl der Ohnmacht tun und etwas schaffen, das uns Kraft gibt.
Mein Vater und ich sind beide Künstler, und wir wollten unsere Solidarität mit den afghanischen Kunstschaffenden ausdrücken. Wir wollten nicht schweigend hinnehmen, dass Bildung, Literatur, Musik und Kunst verboten werden.
Mit diesem Buch möchten wir an ein Afghanistan erinnern, das durch gesellschaftliche und kulturelle Vielfalt geprägt war und ein reiches kulturelles Erbe in sich trägt. Gleichzeitig möchten wir all die starken, mutigen, resilienten und herzlichen Menschen ehren, die trotz aller Widrigkeiten weitermachen – die lernen, Gedichte rezitieren, malen und singen. Als Akt des Widerstands.

Wie schwer oder wie schön war es, so nah an der Geschichte dran zu sein?

Es war ein sehr heilsamer Prozess, der unserer ganzen Familie gut tat. Mein Verhältnis zu meinem Vater war nicht immer einfach, aber durch die Arbeit an dem Buch und die Auseinandersetzung mit seiner Kunst sowie mit der Geschichte Afghanistans konnte ich ihn besser verstehen. Seine Zerrissenheit und seine Flucht in die Kunst – eine Kraftquelle, die einem in dunklen Stunden so viel geben kann – wurden für mich greifbarer. Ich spüre diese Verbindung ja auch selbst in mir.
In diesem Buch werden auch die Kunstwerke meines Vaters gezeigt, die eine ganz eigene Erzählung mitbringen. Im Laufe der Jahre wandelten sich seine Werke von fröhlich bunt zu erschreckend düster. Als Kind hatte ich große Angst vor diesen dunklen Bildern und musste nachts, wenn ich zur Toilette ging, daran vorbeigehen. In dem Comic erzähle ich auch viel über die Kunst meines Vaters und wie die Kunst und der Schaffensprozess ihn immer wieder gerettet haben.
Die persönliche Nähe zu meinem Vater und der gemeinsamen Geschichte machte die Arbeit an dem Buch sehr leicht. Alles sprudelte einfach aus uns heraus.

Porträt der Woche Maren Amini, Illustratorin, Portraitfoto im Atelier am Arbeitsplatz
Maren Amini in ihrem Atelier in Hamburg

Die Graphic Novel erzählt, wie dein Vater aus Afghanistan nach Deutschland kam, von seinem Leben in Hamburg, seiner zeitweisen Rückkehr und seiner Kunst. Gleichzeitig ist es aber auch eine universelle Geschichte über die Sehnsucht auszubrechen, oder?

Ich denke, dass man sich beim Lesen der Geschichte sehr gut mit meinem Vater identifizieren kann. Dieses Gefühl von Sehnsucht, dieser Drang nach Vollkommenheit und Glück, der einen vorantreibt – wie ein kleiner Wiedehopf, der in der Brust sitzt und von besseren Orten und Zeiten spricht.
Mir war es nicht wichtig, zu zeigen, wie anders er im Vergleich zu uns in Deutschland aufgewachsen ist. Ich wollte keine Unterschiede betonen, sondern die inneren Welten sichtbar machen, die wir alle teilen.
Ich selbst habe noch nie etwas Schlimmes erlebt, nicht einmal einen Arm gebrochen. Aber ich habe versucht, mich einzufühlen: Wie es ist, so weit weg von der Heimat zu sein, in der alles kaputtgeht und ein endloser Krieg tobt.

Und leider auch sehr aktuell. Doch diese Parallele ziehst du auf sehr lyrische Art und verbindest sie mit »Die Konferenz der Vögel«, einer persischen Dichtung aus dem 12. Jahrhundert. Wie ist die Idee entstanden?

Alles begann damit, dass Papa 1000 Vögel gemalt hatte (wirklich 1000 Vögel!), inspiriert von der »Konferenz der Vögel«. Er wollte, dass seine aktuelle Arbeit auch in den Comic über sein Leben einfließt. So kam es, dass ich mich mit diesem Meisterwerk der persischen Literatur auseinandersetzte.
»Die Konferenz der Vögel« ist eine 800 Jahre alte und dennoch hochaktuelle Geschichte. Die Konferenz wird vom Wiedehopf einberufen, weil die Welt der Vögel in Unruhe ist – es herrschen Kriege, Armut und Naturkatastrophen. Die Vögel sind auf der Suche nach einem Führer, der ihre Welt rettet. Doch die Rettung finden sie nur gemeinsam, im Dialog miteinander.
Mein Vater ist mit diesem persischen Epos aufgewachsen. Sein Großvater hat es ihm immer erzählt. Der persische Poet Attar schrieb »Die Konferenz der Vögel« in einer Zeit großer Unruhe, während der Mongoleninvasion im 13. Jahrhundert.

Und wie kamst du darauf, die tollen und auch sehr lustigen Vögel als Charakterdarsteller mit Haaren und Frisuren zu zeigen?

Ich habe diese uralten persischen Vogelgemälde immer so geliebt, dass ich meine eigene Version davon machen wollte. In der »Konferenz der Vögel« wird jeder Vogelart ein bestimmter Menschentypus zugeordnet. Dafür hatte ich im Buch leider keinen Platz. In dieser uralten Geschichte hat jeder Vogel seine eigenen Ausreden und Ausflüchte, warum er sich nicht auf den Weg macht. Zum Glück ist da der Wiedehopf, der sie immer wieder antreibt, weiterzugehen.

Bild: Maren Amini

»Ich kann Schweres leicht machen«, sagst du über deine Arbeit. Wie leicht war das bei dieser Geschichte?

Es fiel mir leicht, weil mein Vater ein großartiger Erzähler ist. Vielleicht hätte mir jemand anderes, der genau dasselbe erlebt hat, die Geschichte ganz anders erzählt. Aber mein Vater hat sich immer auch die kleinen, lustigen Anekdoten gemerkt. Mit diesen humorvollen Momenten zwischen all dem großen Drama wird vieles erträglicher.
Als Illustratorin und Cartoonistin versuche ich stets, Humor in meine Arbeit einfließen zu lassen, wo es nur geht. Humor macht Schweres leicht, und Lachen ist heutzutage wichtiger denn je.

Die Graphic Novel ist allen Vögel gewidmet, die sich auf den Weg machen, gedenkt denen, die dabei ihr Leben lassen mussten und denen, die in Käfige gesperrt wurden …

Wie viele junge, mutige Menschen haben diesen gefährlichen und schweren Weg auf sich genommen, um der willkürlichen Gewalt zu entkommen, auf der Suche nach Ruhe und Frieden? So viele Menschen, die so viel in sich tragen – Mut, Resilienz, Kultur, Humor und eine unglaubliche Herzlichkeit. Ich, die in einer Blase aus Heiterkeit, Konsum und Sicherheit aufgewachsen bin, empfinde tiefen Respekt und Bewunderung für all diese Menschen, die so viel wagen.

Du brauchst nur ein paar Striche, um ganze Welten entstehen zu lassen. Wie sind diese in diesem Fall entstanden? Vom Pandshir Tal im Hindukusch bis zum Madhouse oder der Hamburger Hippie-WG, in der dein Vater lebte? Wie ist das für dich lebendig geworden?

Mein Papa ist ein großartiger Erzähler, und so hatte ich schon immer konkrete Bilder vor Augen. Zusätzlich habe ich viele alte Videos von ihm angeschaut, die er in den 1980er-Jahren aufgenommen hat.

Dann wieder überziehen aquarellhafte Farbflächen die Seiten. Vieles ist auch in Brauntönen gehalten, anderes kunterbunt, tiefes Blau zieht einen in die Tiefe. Dann wieder gibt es Ornamente und Rahmungen und schwarzes Gestöber. Wie hat sich, oder wie hast du, diese mitreißende visuelle Dramaturgie entwickelt?

Ja, ich wollte die Farbigkeit als dramaturgisches Mittel nutzen, das wie ohrenbetäubende Bomben beim Umblättern die Lesenden erschüttert und sie immer tiefer in die Geschichte zieht, sodass sie das Buch nicht mehr weglegen können. Vielleicht klappt es ja. (lacht)

Bild: Maren Amini

Darüberhinaus sind in »Ahmadjan« auch Kunstwerke deines Vaters Ahmadjan Amini zu sehen. War es das erste Mal, dass ihr zusammengearbeitet habt? Und wie war das?

Ja, es war das erste Mal, dass wir zusammengearbeitet haben. Papa kam immer donnerstags in mein Atelier, und gemeinsam besprachen wir die nächsten Seiten des Buches. Dabei redeten wir auch über alles Mögliche. Irgendwie waren wir beide auch traurig, als die letzte Seite gezeichnet war.
Ich schätze Papas Arbeit sehr, und sie inspiriert mich immer wieder. Sein Mut, sich nicht beirren zu lassen und konsequent seinen eigenen Weg zu gehen, gibt mir selbst Hoffnung und Zuversicht, meinen Weg als Künstlerin weiterzugehen.

Und zu guter Letzt, wie entstand der wunderbare Wiedehopf, den du deinen Vater an die Seite stellst?

Der kleine Wiedehopf kam ganz von selbst. Gefühlt war dieser kleine Piepmatz auch schon immer bei mir und zwitschert mir was von Zuversicht und Hoffnung.

Maren und Ahmadjan Amini: Ahmadjan und der Wiedehopf, 240 Seiten, Lesealter: ab 12 Jahren, erschienen bei Carlsen Comics, 26 Euro, ISBN 978-3551799715

Hier mehr über Maren Amini im Porträt der Woche

Porträt der Woche Maren Amini, Illustration Bild: Maren Amini Bild: Maren Amini

 

 

 

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