Ein ungewöhnlicher Illustrationsauftrag
Ein engagierter Lehrer und Instagram brachten den Grafikdesigner und Künstler Simon Schirmer zurück in die Schule: zum Verschönern der Neubauwände und Inspirieren des Nachwuchses
Gerade startet der Illustrationskünstler und Grafikdesigner Simon Schirmer in seine zweite einwöchige Session am Heinrich-Heine-Gymnasium in Dortmund. Noch ein paar Wochen mehr wird er sich den Wänden des Neubaus für die 5. und 6. Klasse widmen, übernachtet sogar vor Ort, bekommt Verpflegung aus der Mensa und duscht in der Turnhalle.
Die Anfrage zum umfangreichen Illustrationsprojekt erreichte Simon Schirmer im Dezember per Mail. Der Auftrag: Rund 25 Räume, also etliche Wände illustrieren, dabei komplett freie Hand. Eine Lehrkraft war durch die regen Instagramaktivitäten Schirmers auf seine illustrativen Arbeiten aufmerksam geworden und setzte sich für eine zeitgemäße Gestaltung der neuen pädagogischen Architektur ein. Der engagierte Lehrer konnte nicht nur das Kollegium, die Schulleitung und Schirmer für die Idee gewinnen, sondern auch Fördermittel zur Finanzierung. Nun bringen die Illustrationen Leben in das bisher sterile Schulgebäude. Weil der Künstler gerne mal bis 3 Uhr nachts arbeitet, ließ die Schulleiterin netterweise den frühmorgendlichen Gong für ihn ausschalten.
Über Arbeitsweisen und Instagram als Portfolioplattform
Auf dem Papier arbeitet Simon Schirmer vorweg mit schwarzem Fineliner, für das Projekt schöpft er auch aus seinen 30 bis 50 Skizzenbüchern, die die letzten Jahre zusammenkamen. Außerdem kommen die Ideen im (wieder) Erleben des Schulalltags. Beim spontanen Treibenlassen von Wand zu Wand skaliert er dann die schwarzlinigen Zeichnungen hoch. Das funktioniert für ihn am besten mit auffüllbaren Markern mit runder Spitze, manchmal mit Fassadenfarbe, die er mit Schwammstempel beziehungsweise Schaumstoffpinsel aufträgt. Bei Großflächigerem unterstützen Beamerprojektionen seiner Vorlagen.
Außerdem mit gemütlichen Crocs, Leiter und, wenn nötig, Stiel-Armverlängerung ausgestattet, filmt Schirmer sich beim Gestaltungsprozess und lässt seine knapp über 10 000 Instagram-Follower daran teilhaben. Das regelmäßige Content-Hochladen ist für ihn mit Leichtigkeit verbunden, schafft Struktur und pusht ihn. Für den Grafikdesigner und Illustrationskünstler war der Account in den letzten sechs Jahren ein optimaler Kanal fürs eigene Output-Bedürfnis und als Portfolio– und Akquisemöglichkeit. Kein Wunder, denn Simon Schirmer gibt so sympathisch-nonchalant Einblicke in seine Arbeit.
Das begeisterte unter anderem auch Fynn Kliemann, für ihn illustrierte er etwa ein Album-Booklet und »Das Hausboot« inklusive Auftritt in der gleichnamigen Netflix-Doku. Schirmer ist zudem Teil des Kultur- und Risoprint-Kollektivs Tanke Hannover, dort hat er auch sein Atelier.
Zeit- und altersgemäße Inspiration
Simon Schirmer hat sich vorgenommen, nicht zu kindliche Figuren oder zu banale Motive an die Wände des Gymnasiums zu bringen und ist sich gleichzeitig seiner Verantwortung den Schüler:innen gegenüber bewusst. Für ihn ist es eine coole Herausforderung, die Erinnerungen an die eigene Schulzeit weckt – und daran, wie uninspirierend die Räumlichkeiten gestaltet waren, in denen man als junger Mensch so viel Zeit verbracht hat. Die Wandgestaltung ist ein herrlicher und innovativer Kontrast zu antiquierten Zuständen. Mit einem Augenzwinkern nehmen Schirmers Handlettering-Elemente wie »müde, müde, müde« oder »Zuhausebleiben ist in Ordnung« Anteil. Die schrägen Charaktere und Perspektivespielereien daneben werden sicherlich den Schulalltag versüßen – und vielleicht die:den eine:n oder andere:n zu einem kreativen Werdegang motivieren.
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Sehr schönes Projekt! Tolle Illustrationen, lustig und frisch. Ein Lob an den engagierten Lehrer, seine Chefin und das Kollegium, dass sie diese Idee mitgetragen haben. Das ist nicht immer selbstverständlich. Vielleicht regt es ja weitere Einrichtungen an, sich die Räume gestalten zu lassen. Mich würde noch interessieren, wie die Schülerschaft auf die Illustrationen reagiert hat.