Eine Welt steht in Flammen und eine Identität muss vielleicht zu Asche werden, um fruchtbaren Boden für Erneuerung zu hinterlassen …
Gerade ist bei Edition Moderne Nino Bullings »abfackeln« erschienen, eine Geschichte über ein Berliner Trans*-Pärchen, dessen Wir droht, sich auf der Suche nach dem jeweiligen Ich zu entzweien.
Zahlreiche Feuermetaphern durchziehen die Graphic Novel »abfackeln« – nicht nur offensichtlich durch den Titel. Es geht um die fortschreitende Klimakatastrophe, global wie im eigenen Mikrokosmos. Und ein innerer Schwelbrand spielt eine große Rolle.
»Ich hatte immer das Gefühl, dass ich meinen Körper lieben muss. Sonst bin ich keine gute Feministin. Und wenn ich das nicht schaffe, muss ich eben noch härter an mir arbeiten«, schildert Ingken eine lange verinnerlichte Auffassung.
Lily fällt es scheinbar leichter, sich mit ihrem Körperteil »Diego« zu arrangieren, sieht über ein längst abgelegtes und von anderen noch genutztes Pronomen mit wenig Regung hinweg. Ingken zieht lieber nicht das Oberteil aus und möchte vielleicht lieber ein Henri sein.
Und am offenen Ende von »abfackeln« steht eine vermeintlich simple Frage: »Wie heißt du?« Bis 2019 hätte auf dem Buch der Name Paula Bulling gestanden. Nun ist Nino Bulling für sein aktuelles Werk zu feiern und dafür, berührend illustriert, die Leserschaft auf den dringenden Weg in eine individuell wie kollektiv rosiger gestaltete Zukunft mitzunehmen.
PAGE fand bereits Bullings »Bruchlinien. Drei Episoden zum NSU«, zusammen mit Anne König 2019 bei Spector Books erschienen, äußerst lobens- und lesenswert.
Der Autor und Künstler ist nun auch zur documenta fifteen eingeladen und stellt in Kassel weitere Arbeiten zum Buch aus, unter anderem große Zeichnungen der Charaktere auf Seide, quasi als eine künstlerische, cross-mediale Erweiterung.
Nino Bulling: abfackeln Edition Moderne, Zürich 1. Auflage: Juni 2022 160 Seiten, zweifarbig 18.5 × 26 cm, Softcover 24 Euro ISBN 978-3-03731-234-6