Operia Serif: Eine Schrift, die wie Wasser fließt
Eigentlich wollte Florian Grunt seinem Displayfont nur ein paar verbundene Buchstaben mitgeben. Dann eskalierte das Ganze – Operia Serif hat nun 965 Ligaturen.
»Bei der Gestaltung der 965 Ligaturen den Überblick zu behalten war eine der größten Herausforderungen im Designprozess.«
Florian Grunt, Typedesigner und Art Director aus Linz
Das wohl prägnanteste Merkmal deiner Operia sind die unzähligen Ligaturen, war das von Anfang an geplant?
Künstlerische Ligaturen waren schon Teil des Konzepts – und als ich einmal damit angefangen habe, konnte ich mich nicht mehr bremsen. So entstanden bei einem Gesamt-Character-Set von 1215 Glyphen insgesamt 965 Ligaturen – es ist somit fast unmöglich, Wörter ohne verwobene Buchstaben zu finden. Zwei, drei, und sogar vier Buchstaben sind durch dünne Linien miteinander verbunden – Kleinbuchstaben, Versalien und auch Groß-Klein-Buchstabenkombinationen am Wortanfang. Dadurch wirkt die Schrift fließend.
Welche Buchstabenkombinationen in der Operia Serif haben keine Ligaturen und warum nicht?
Auch wenn ich insgesamt 965 Kombinationen erstellt habe, so gäbe es vermutlich noch tausende, die man kreieren könnte. Ich bin vor allem nach optischen Gesichtspunkten vorgegangen: Was sich gut verbinden ließ und aus meiner Sicht ästhetisch gut aussah, kam in die Schrift. Kombinationen, deren Lesbarkeit beziehungsweise Erkennbarkeit eher schlecht waren, oder schlicht nicht so gut aussahen, habe ich gestrichen.
Wie hast du die Buchstabenpaare ausgewählt?
Zunächst zeichnete ich das gesamte Adobe-Latin-1 Basis-Set mit knapp 230 Zeichen: Kleinbuchstaben, Großbuchstaben, Zahlen, Satz- und Sonderzeichen. Danach folgte das Spacing und Kerning, da diese Buchstabenabstände anschließend die Basis für alle Ligaturen bildeten. Von diesem Ausgangspunkt habe ich einfach experimentiert und verschiedenste Buchstaben miteinander verbunden.
Der gesamte Prozess war alles andere als linear. Experimentieren – kreieren – sortieren – neue Ideen – kreieren – erneut sortieren und so weiter. Mit der Zeit ergaben sich immer mehr Möglichkeiten und ich musste mich irgendwann selbst bremsen, denn schließlich wurde die Illustrator Arbeitsfläche fast zu klein.
Wie hast du dabei den Überblick behalten?
Das war definitiv eine der größten Herausforderungen. Ich half mir, indem ich irgendwann zeilenweise nach den Anfangsbuchstaben sortierte, und dabei Zweier-, Dreier- und Vierer-Kombinationen unterschied.
Hast du ausschließlich in Illustrator gearbeitet?
Meine erste Schrift Monogramica habe ich noch mit Hilfe von Illustrator und Birdfont erstellt, dieses Mal blieb ich quasi komplett in Illustrator. Während die Buchstaben selbst allesamt in Illustrator entstanden, habe ich alle schriftspezifischen Aufgaben wie Spacing und Kerning sowie das viele Testen mit dem Illustrator-Plugin Fontself erledigt. Das Interface ist sehr intuitiv und bietet viele hilfreiche und unterstützende Funktionen. Etwa das Smart Spacing und Smart Kerning (letzteres ist noch im Entwicklungsstadium). Auch wenn es nicht immer perfekt funktioniert, spart es enorm viel Zeit. Natürlich habe ich noch sehr viel manuell nachgearbeitet, getestet und optimiert, aber für die insgesamt 424.085 Kerningpaare der 1215 Glyphen hätte ich rein manuell vermutlich Jahre gebraucht.
Kam während des Gestaltungsprozesses mal die Frage auf, welche Anzahl an Ligaturen und welche Buchstabenkombinationen sinnvoll sind?
Aus Sicht des Typedesigners kommt es darauf an, wie viel Zeit und Aufwand man investieren will. Aus Sicht des Anwenders gilt aber sicherlich: Je mehr, desto besser. Man weiß nie, wie der Benutzer die Schrift tatsächlich einsetzt. Es gibt ja schon seltsame Marken- oder Produktnamen, deshalb können auch Kombinationen wie qq oder qth nützlich sein – auch wenn sie vielleicht in keinem einzigen regulären Wort irgendeiner Sprache vorkommen.
Hattest du überlegt, die Ligaturen auch noch mit sämtlichen diakritischen Zeichen auszuarbeiten?
Diese Idee habe ich recht schnell verworfen, da sich dadurch eine extrem große Anzahl an extra Varianten ergeben hätte. Die diakritischen Zeichen sind einzeln in der Schrift hinerlegt. Wenn also jemand ein spezielles Wort mit Ligaturen und einem solchen Buchstaben möchte – zum Beispiel åff – muss er das manuell zusammenbauen. Das sollte für einen Gestalter aber eine Kleinigkeit sein.
Wie arbeite ich als Anwender mit den Ligaturen?
Was für den Designer sehr viel Aufwand ist, macht es am Ende für den Benutzer um so bequemer: Man tippt einfach seinen gewünschten Text und die integrierten Standard-Ligaturen erscheinen vollautomatisch – im Gegensatz zu Alternates, die in Grafikprogrammen extra ausgewählt werden müssen. Das funktioniert sogar in Apps wie Microsoft Word, allerdings nicht in Canva, wo man leider immer noch einen kleinen Workaround benötigt.
Es kann durchaus vorkommen, dass ein Wort mehrere Möglichkeiten für Ligaturen bietet, aber natürlich nur eine Version standardmäßig angezeigt wird. Es kann sich also auch manchmal lohnen, für einen Teil des eigegebenen Wortes die Ligaturen zu deaktivieren und zu schauen, was passiert.
Hast du noch einen Tipp für das Gestalten von Ligaturen?
Ligaturen wirken durch die Verbindung optisch meist ein wenig enger. Damit sich später in der Mischung aus einzelnen Buchstaben und Ligaturen ein harmonisches Schriftbild ergibt, muss man ein wenig entgegensteuern: Entweder den Abstand der Standardbuchstaben enger machen oder die Ligaturen beim Designen gleich etwas weiter auseinander setzen.
Operia Serif kostet 29 Dollar. Ist das nicht sehr wenig Geld für den Aufwand, den du betrieben hast?
Operia ist eine Schrift, die vermutlich für ein paar wenige Wörter verwendet wird – etwa ein Produkt-Packaging oder ein Logo. Das heißt die meisten Nutzer verwenden vermutlich nur einen Bruchteil von dem, was die Schrift kann. Dafür will keiner 100 Dollar zahlen – das vermute ich zumindest. Zu günstig wollte ich sie natürlich auch nicht machen, weil sie ja wirklich viele Features hat. Es ist schwierig, da eine Balance zu finden.
Und dann ist da natürlich der Gedanke: Wenn sie etwas günstiger ist, verkauft sie sich vielleicht besser – dann sehen sie wiederum mehr Menschen und wollen sie dann auch kaufen…
Wirklich rechnen tut sich das dann ja nicht, ist Typedesign mehr ein aufwendiges Hobby für dich?
Ich bin wohl mehr ein passionierter Designer als Geschäftsmann oder gar ein professioneller Online Marketer. Rechnen tut es sich wohl nicht – außer meine Schriften gehen plötzlich viral 😉
Hauptberuflich bin ich Grafik-Designer und Art Director bei einer großen Industrie-Firma, KEBA in Linz, und das macht mir mit einem tollen Team auch richtig Spaß. Type Design ist ein Hobby, das ich nebenbei betreibe. So soll es auch bleiben, denn als Typedesigner wirklich erfolgreich zu sein ist echt schwierig. Das Internet ist voll von genialen Schriften von unabhängigen Designern zu sehr leistbaren Preisen – und gleichzeitig kämpfen alle mit der Sichtbarkeit in der Welt und den sich ständig wandelnden Algorithmen. Nur ein paar wenige kommen groß raus.
Operia Serif ist deine zweite Schrift, können wir mit weiteren Fonts rechnen?
Eine dritte ist schon in Arbeit, und auch ein paar Ideen-Ordner sind bereits angelegt. Ich hoffe allerdings, dass die nächsten Schriftprojekte nicht ganz so eskalieren und schneller fertig sind.