Erneut hat der Type Directors Club New York die besten kreativen Arbeiten weltweit ausgezeichnet. Wir zeigen exklusiv die Gewinner. Heute: Typo & Lettering, das nach Belgien, Indien, Singapur – und in digitale Welten führt.
In unserem letzten Teil der 255 Gewinner des Type Directors Club New York 2021 geht es um Typografie und Lettering, die Königsdisziplinen des Wettbewerbs, bei dem in diesem Jahr 1.600 Arbeiten aus 57 Ländern eingereicht wurden.
Das zeigt: Der TDC ist zurück, nach Rassismus-Vorwürfen, Geldproblemen und seiner Auflösung.
Bevor die Siegerarbeiten im Herbst öffentlich zu sehen sind und anschließend in acht verschiedenen Ausstellungen um die Welt reisen, zeigen wir ausgewählte Arbeiten aus der Kategorie Typografie und Lettering, die von Sozialprojekten zu Apple führen, zu einer Braille-Erweiterung und Flutopfern nach Indien – und in den Lockdown nach Kanada.
Dort hat die Kreativagentur Zulu Alpha Kilo aus Toronto das Erscheinungsbild des »ADCC Unquarantine Your Creative« entworfen, dem Wettbewerb des Advertising and Design Club of Canada, der 2021 Arbeiten ausgezeichnet hat, die im Jahr zuvor in häuslicher Quarantäne entstanden.
Im Zentrum stand darin eine animierte Schrift, die zeigt, dass der Lockdown die Kreativität nicht wegsperren konnte indem sie sich von dem Wort Unquarantine in den Begriff Creative verwandelt (alle Gewinner unten in der Galerie).
Gefühle zum Anfassen
Die belgische Designerin Walda Verbaenen hingegen hat sich Gefühlen angekommen. Und das in Form von Emojis, die auf einen Blick zeigen, was in einem vorgeht – und das international. Zumindest wenn man sehen kann. Damit auch Menschen mit Sehbehinderung mit Emoticons kommunizieren können, übersetzte sie eine Reihe von ihnen ins Braille-Alphabet.
Die Gestalterin, die sich in ihren Arbeiten immer wieder auf soziale Projekte fokussiert, hat Braille Dingbats in einem 9-Punkte-Raster angelegt, das zwischen den regulären Buchstaben des Braille-Alphabets mit maximal 6 Punkten und dessen Zahlen mit maximal 12 Punkten liegt:
Knuffige »Hopersands«
Das UFHO Kreativstudio aus Singapur wollte nach einer Zeit des Social Distancings, nach Lockdowns und Unsicherheiten, etwas Hoffung in der Designcommunity verbreiten – und das mit Hopersands, mit digital aufgeblasenen Ampersands, lustig rund wie Knetfiguren und präsent wir digitale Skulpturen (Abb. oben).
Für die Kreativen sind sie Zeichen der Solidarität und weisen in bessere Zeiten. Und bis diese endlich da sind, kann man über die kunterbunten und kunstvoll verknoteten Finger wunderbar schmunzeln.
Neben ihrer »Hopersands«-Serie punktete UFHO zudem mit ihrer Schrift Resilience Type, die ebenfalls während des Lockdowns entstand und verdreht und gebogen werden kann, ohne zu zerbrechen.
Die Stockholmer Designagentur Familjen hingegen entwickelte ein Branding samt Custom Font für Schwedens
größtes Immobilienunternehmen Vasakronan. Mit flachen Unterlängen und einem uniquen g kann die Serifenschrift quer durch alle Medien eingesetzt werden und ist auf den Drucksachen ebenso zu finden wie im Web und in den Schauffenstern des Unternehmens.
Legendäre Gestalterin, bedeutender Kunde
Die britische Grafikdesignerin Margaret Calvert hat für die Bahn das Rail Alphabet 2 gestaltet, das gemeinsam mit einer ganzen Serie von Piktogrammen auf den Bahnhöfen Großbritanniens zum Einsatz kommt.
Die Schrift ist ein Update ihres originalen Rail Alphabet aus den 1960er Jahren und entstand gemeinsam mit Henrik Kubel von A2-TYPE.
Lesbarkeit und Zeitlosigkeit standen bei der Gestaltung im Mittelpunkt und Margeret Calvert, die zum Launch der Schrift eine Handtasche mit Eisenbahnsymbol trug, sagt über die neue Version:
»Sie ist scharfkantiger in ihrem Erscheinungsbild. Dies ist besonders daran zu erkennen, in welchem Winkel die Rundungen auf den vertikalen Stamm der Buchstaben treffen. Gleichzeitig ist sie leichter und kompakter als das ursprüngliche Rail Alphabet.«
Schriftkulturen-Mix
Kimya Gandhi, indischstämmige Typografin, die in Berlin lebt, entwickelte das Typeface Lini, über das sie sagt, dass es ein Balanceakt zwischen Stil und Lesbarkeit ist, zwischen typografischer Form und Funktion.
Es ist die Kombination eine zeitgenössischen Devanagari– (indische Schrift, für Sanskrit und moderne Sprachen wie Hindi und Marathi) und der lateinischen Schrift mit nicht ganz regelmäßigen Proportionen und besonders geeignet für Titel und Überschriften.
War Kimya Gandhi von der Devanagari inspiriert, regte die in den 1970ern erschienene Century des US-Typedesigners Frank Bartuska die kanadische Foundry Coppers and Brasses zur Gestaltung der Baryton an, deren charmante Details vor allem in großen Graden zur Geltung kommen.
Kunstvolle Gitter
20 Schriften wurden beim diesjährigen TDC ausgezeichnet, darunter auch der wunderbare Display-Font Balcony der indischen Designerin Shaily Patel. Fasziniert von den Schutzgittern an den Balkon und Fenstern ihrer Heimat, die oft überraschende Muster bilden, ließ sie sich von ihnen inspirieren.
Kunstvoll und mit einem Hauch Art déco ist ihre Schrift versehen, die in den Schnitten Thin, Light, Regular und Bold vorliegt:
Heiter bis digital
Mehr als 2400 konfigurierbare Icons stecken hingegen in SF Symbols 2, die sich nahtlos in Apples Schrift San Francisco integrieren lässt. Von Wetter bis digitale Kommunikation: Die Icons liegen in verschiedenen Stärken und Skalierungen vor und passen sich dank Dynamic Type automatisch an die Textgröße an. Hier kann man sie herunterladen.
Nichts geringeres als die Liebe selbst hingegen möchte die Grafikdesignerin und Lettering Artistin Nubia Navarro aka nubikini aus Bogota in ihrer ausgelassenen Schrift Mack & Pouya ausdrücken, die für die Identity eines Hochzeitsfotografen entstand.
Vote for change ist die Aufforderung, die der Designer und Artdirector Blas Madera aus New York City »nach vier Jahren Lügen und Korruption« vor der US-Wahl 2020 in die Welt hinaus sandte. Entstanden ist das Lettering, weil der Election Day 2020 der bisher wichtigste Tag als Wähler für ihn sein, wie Madera sagt – und zum Glück sahen das viele andere US-Amerikaner auch so.
Lettering mit Hoffnung
Die Non-Profit-Organisation Start India holt Kunst aus den Museen und Galerien auf die Straße. Ganz so wie den Mural des kanadischen Lettering-Artist Ben Johnston in einem Bezirk der indischen Stadt Chennai, der vor allem Familien, die von Flutkatastrophen betroffenen waren, ein neues Zuhause bietet. Das Wort, das er in blauen Linien und warmen Formen auf der wand hinterließ heißt »Kūṭu« – Tamilisch für Nest.
Ampersand als Op-Art
Bianca Dumitraşcu, Lettering Artistin aus dem rumänischen Konstanza, verordnete sich als tägliche Fingerübung das Zeichnen von Ampersand-Variationen, die sie dann noch digital mit optischen Effekten versah. Ihre Ampersands bietet sie als Karten in ihrem Shop an.