Was erleben Berufseinsteiger in Agenturen oder Unternehmen? In Teil 3 der Serie berichten drei Grafikdesigner und eine Studentin von ihren Erfahrungen in der Branche.
Wie behandelt die Design- und Kreativbranche Berufseinsteiger? Wir sind dieser Frage nachgegangen und haben uns deswegen mit etwa 30 Design-Newbies unterhalten. Sie haben uns erzählt, wie ihre Ausbildung oder ihr Studium sie auf den Berufsalltag vorbereitet haben und wie sich der Einstieg gestaltete. Ihre Erfahrungsberichte teilen wir hier nach und nach in unserer siebenteiligen Serie…
Jakob Huber, Gestalter in einer Designagentur, Salzburg:
»Ich habe zuerst eine Ausbildung Richtung Bautechnik/Architektur gemacht – dann aber festgestellt, dass mir Mathematik nicht sonderlich liegt und mich für Grafikdesign entschieden. Nach vielen Bewerbungen habe ich eine Salzburger Agentur als Ausbildungsbetrieb gefunden, bei der ich nach kurzem Probearbeiten anfangen konnte. Überzeugt habe ich sie mit Gebäudeentwürfen, 3D-Renderings und Zeichnungen. Ich hatte beispielsweise schon viele Tattoos für Freunde gezeichnet, Abschlussball-Plakate oder Rechnungsköpfe gelayoutet. Da ich in der Agentur von Anfang an mitarbeiten durfte, war es ein Sprung ins eiskalte Wasser. An der Berufsschule habe ich einiges gelernt, beispielsweise typografische Themen oder Websites programmieren. Die Programme habe ich während der Arbeit in der Agentur gelernt. Dort konnte ich recht schnell auch größere Projekte übernehmen, zum Beispiel die Gestaltung aller grafischen Elemente für eine Da-Vinci-Ausstellung oder komplette Brandings für Kunden.
Man muss extrem kreativ sein, um sich behaupten zu können.
Mittlerweile bin ich seit zweieinhalb Jahren in der Agentur und eigentlich ist mein Berufsalltag so, wie ich ihn mir vorgestellt hatte. Ich würde mir nur etwas mehr Kundenkontakt wünschen, denn wenn jemand anders Informationen weitergibt, geht häufig etwas verloren. Ich finde, dass man extrem kreativ sein muss, um sich behaupten zu können. Und ohne Praxiserfahrung ist es nicht einfach einen Job zu finden, auch wenn man eine gute theoretische Ausbildung hat. Deswegen würde ich jedem raten, immer nebenbei zu arbeiten.«
Annemarie Krätz, 25, Grafikdesignerin zwischen Bachelor- und Masterstudium, Trier:
»Ein Praxissemester war Teil meines sieben Semester langen Kommunikationsdesign-Studiums in Trier – und es war das Beste, was ich machen konnte. Der Unialltag spiegelt das Agenturleben einfach nicht wider. Technische Grundlagen habe ich an der Uni relativ gut gelernt, das hat mich auf die Zeit in der Agentur vorbereitet. Das Praktikum hat mich bestärkt und mir Selbstbewusstsein gegeben, weil ich gemerkt habe, dass ich schon viel mehr kann, als ich dachte. Ich habe in der Agentur auch mal Sachen gemacht, die ich mir zuerst nicht zugetraut hatte – zum Beispiel spontan und unvorbereitet eine TYPO3-Schulung gehalten. Ich bin gefühlt einen halben Meter größer nach Hause gegangen.
Gerade wenn man neu ist, sollte man zeigen, dass man motiviert, zuverlässig und hilfsbereit ist.
Ich würde sagen, dass gar nicht unbedingt die fachlichen Kompetenzen in Agenturen zählen – natürlich auch, aber noch wichtiger ist, dass man ins Team passt. Gerade wenn man neu ist, sollte man deswegen zeigen, dass man motiviert, zuverlässig und hilfsbereit ist. Dass man engagiert ist und auch mal mehr macht, als verlangt wird. Und außerdem ist es wichtig, immer neugierig zu bleiben!«
Jennifer Gornicki, 25, Designerin in einer PR-Agentur, Köln:
»Meine Ausbildung zur gestaltungstechnischen Assistentin hatte einen sehr schulischen Charakter, doch teilweise sind Bereiche zu kurz gekommen und man konnte nicht richtig in die Materie einsteigen. Gut gefallen hat mir hingegen, dass wir gelernt haben, mit HTML zu coden, was mir heute noch dabei hilft, Zusammenhänge zu verstehen. Man wurde außerdem immer darauf geschult, viel zu präsentieren, auch auf Englisch. Im Anschluss habe ich an der RFH Köln studiert, was super war. Jedes Semester gab es ein Projekt, das sehr praxisnah ablief. Im vierten Semester haben wir eine agenturähnliche Struktur gegründet und ein Semester lang, neben anderen Projekten, komplett für EinsLive gearbeitet. Das war super. Danach folgte die Spezialisierung, und man konnte mehr in die Tiefe gehen. In dieser Zeit habe ich auch einiges an Skills mitgenommen, weil wir zum Beispiel mit AfterEffects gearbeitet haben. Was man erst im Job lernt: Dinge bis zum Ende durchdenken. Bei fiktiven Projekten kann man rumspinnen – sobald es um Budgets geht, ist das natürlich nicht mehr in der Form möglich.
Ein bisschen bereue ich es, während des Studiums nicht mehr Praktika gemacht zu haben.
Man muss sich viel mit der Software auseinandersetzen, es kommen ja auch ständig neue Programme dazu, wie z. B. Sketch. Da muss man auch privat am Ball bleiben. Damit würde ich so früh wie möglich beginnen. Ich habe eine Band, für die ich viel ausprobiere, zum Beispiel die Konzeption einer Corporate Identity. Um neue Skills zu entwickeln, sehe ich mir oft Tutorials an. Dass man sich selbstständig weiterbildet, wird auch in der Agentur erwartet. Wir haben die Möglichkeit zu recherchieren und uns über Trends zu informieren. Dafür nutze ich z. B. Behance, Award-Seiten und Blogs. Der Austausch mit anderen Kreativen ist auch extrem wichtig.
Ich wusste, dass das Agenturleben locker ist und der Job an sich auch mal stressig sein kann. Natürlich stellt man sich auch große Kampagnen vor – das macht es so attraktiv, ist aber in der Realität am Anfang eher weniger der Fall. Ich mache alles, was anfällt: von Print über Online-Geschäftsberichte, Corporate Websites bis zu Motion Design.
Ein bisschen bereue ich es, während des Studiums nicht mehr Praktika gemacht zu haben. Ich hatte einen Job an der Hochschule, aber es hätte wahrscheinlich mehr geholfen, professionelle Erfahrungen zu sammeln. Ein Praxissemester war nicht eingeplant und ein Urlaubssemester hätte ich nicht nehmen wollen, da es eine private Hochschule war.
Und: Selbstbewusstsein ist wichtig, man muss sich und seine Arbeiten gern präsentieren und für das brennen, was man tut. Man muss das, was man macht, gut verargumentieren können. Und es ist gut, wenn man auch mal zum Kunden Nein sagen kann. Man ist immer noch Dienstleister, muss natürlich respektvoll und freundlich mit Leuten umgehen, das heißt aber nicht, dass man alles machen muss.«
»An meinem Gymnasium hatten wir die Wahl zwischen sechs verschiedenen Wahlpflicht-Modulen und ich habe mich für das Fach »Gestaltung. Medien. Kunst« entschieden. Das war super als erster Berührungspunkt – und um zu testen, ob der Bereich einem wirklich liegt. Bereits während der Schulzeit konnte ich dadurch Programme wie InDesign oder Photoshop lernen. Das hat mir Spaß gemacht und ich habe gemerkt, dass ich gern später im Grafikdesign-Bereich arbeiten möchte. Mir war es wichtig, praktisch an die Sache heranzugehen, weswegen ich mich gegen ein Studium und für eine Ausbildung entschieden habe. Durch meine Vorkenntnisse aus der Schule und der Matura konnte ich ein Lehrjahr überspringen. Die Ausbildung habe ich bei Ender Werbung in Lustenau gemacht, dort arbeite ich immer noch. Im Februar 2014 habe ich zuerst ein Praktikum gemacht und anschließend die Ausbildung angefangen. Festangestellt bin ich seit November 2016. Wir sind zu sechst und haben ganz unterschiedliche Kunden von Kleinunternehmen bis Industriefirmen, die aus Österreich, Deutschland und der Schweiz kommen. Für unsere Region ist die Agentur schon recht groß, die meisten Agenturen sind hier eher kleiner.
Man sollte sich genau überlegen, ob sich ein Studium rentiert oder man doch lieber eine Lehre macht.
Das Arbeitsleben habe ich mir noch kreativer vorgestellt, wir haben schon einige kleinere Projekte wie Inserate, bei denen man nur das Format ändern muss. Aber abgesehen davon ist mein Arbeitsalltag jetzt so, wie ich es mir gewünscht habe. Ich hatte von Anfang an viel Verantwortung und konnte an Kundenterminen teilnehmen, was mir sehr gut gefallen hat – auch wenn es ein Sprung ins kalte Wasser war. Ich kannte die Basics der Programme, aber viel, viel mehr habe ich natürlich beim täglichen Arbeiten gelernt. Mein Chef hat mir aber auch die Möglichkeit gegeben, während der Arbeitszeit Tutorials anzusehen. So konnte ich mich rasch verbessern.
Ich hatte dann immer drei Monate am Stück in Salzburg Berufsschule. Die Kurse waren bei manchen Lehrern ganz gut. Ich hätte mir etwas mehr Theorie gewünscht, zum Beispiel Input in Bezug auf Gestaltungsrichtlinien. Praxis hat man ja in der Agentur genug, das ist eigentlich an der Berufsschule nicht nötig. Typografie hat mich sehr interessiert, weswegen ich mir vieles selbst mithilfe von Büchern beigebracht habe. Ich hätte es auch gut gefunden, mehr über Arbeitsrecht zu lernen – entweder in der Berufsschule oder vom Arbeitgeber, damit man ein paar Informationen hat zu Arbeitszeitenregelungen, Steuern und so weiter.
Generell finde ich es gut, dass ich in der Ausbildung in der Agentur so viel Praxiserfahrung sammeln konnte. In Vorarlberg gibt es rund 700 Agenturen und Selbstständige – aber nur etwa zehn Lehrlinge. Ich kenne Leute, die etwas in dieser Richtung studiert haben und dann Probleme haben, einen Job zu finden, weil sie zu wenig praktische Erfahrung vorweisen können. Man sollte sich also als Grafiker genau überlegen, ob sich das Studium rentiert oder man doch lieber eine Lehre macht.«
Teil 4: »Das technische Wissen wirkte an der Uni zum Teil veraltet«: Eine Junior-Product-Designerin, eine Designerin mit Lehrauftrag und eine Motion-Design-Volontärin teilen ihre Erfahrungen. Außerdem gibt’s einen anonymen Bericht, von jemandem, der die Branche sehr negativ erlebt hat.
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