Witzig oder fürs Güllefass?
Mit einer typografisch und gestalterisch schönen Kampagne wirbt das Bundesumweltministerium für naturverträgliche Landwirtschaft. Inhaltlich sorgen die neuen Bauernregeln allerdings für jede Menge Zoff.
»Fünf sind geladen, zehn sind gekommen. Tu Wasser zur Suppe heiß alle willkommen.« Oder: »Ohne Fleiß von früh bis spät wird dir nichts geraten. Neid sieht nur das Blumenbeet, aber nicht den Spaten.«
Sprüche wie diese, sorgsam in Stoff gestickt, hängen normalerweise in alten Bauernküchen. Da wundert es nicht, dass die vom Umweltbundesministerium vor ein paar Tagen veröffentlichten Bauernregeln bei so manchem Landwirt Empörung hervorrufen.
»Steht das Schwein auf einem Bein, ist der Schweinestall zu klein«, heißt es dort oder auch »Zu viel Dünger auf dem Feld geht erst ins Wasser dann ins Geld«.
Mit den insgesamt elf Sprüchen der Kampagne »Gut zur Umwelt. Gesund für alle« möchte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks für eine naturverträgliche Landwirtschaft und eine Reform der europäischen Agrarförderung werben.
Dass sie damit der Mehrzahl der Landwirte gewaltig auf den Füßen rumtrampelt muss Frau Hendricks klar gewesen sein, auch wenn sie versichert, es gehe ihr nicht darum, einen Berufsstand zu diffamieren, sondern darum, auf spielerische und humorvolle Art auf Fehlentwicklungen aufmerksam zu machen.
Ok, das Versmaß ist gelegentlich holperig (Zu viel Dünger das ist Fakt ist fürs Grundwasser beknackt), ebenso wie die Reime selbst (Ohne Blumen auf der Wiese geht’s der Biene richtig miese), an der Gestaltung in Stickoptik ist aber nichts auszusetzen (ja, bei fürs darf man das Apostroph weglassen).
Die Agentur Tinkerbelle aus Berlin gestaltete die elf Motive liebevoll im Stil alter Bauernregeln, nur hübscher. Auch die Wahl der Schriften passt. Mit der im Web eingesetzten Satisfy von David Cohen und Stuart Sandler von der US-Foundry Neapolitan entschieden sich die Kreativen für eine lockere Pinselschrift mit modernem Touch – und nicht etwa für die Comic Sans. Auf den gedruckten Plakaten kommt die etwas schnörkeligere Sweet Soul von Typezilla zum Einsatz.
Ob man die Bauernregeln nun witzig findet oder als Bauernbashing ansieht – eins hat die Kampagne schon kurz nach ihrem Start erreicht: lange wurde nicht mehr so viel über Missstände in der Landwirtschaft gesprochen. Und es gibt wohl keine zwei Meinungen darüber, dass das dringend erforderlich ist.
Noch bis Mitte März sind in 77 Städten Deutschlands Großflächen- und City-Light-Poster mit den Bauernregeln zu sehen, dazu gibt es Anzeigen in Fachzeitschriften, Edgar-Postkarten in rund 4500 Locations, jede Menge Social Media-Beiträge und eine eigene Webseite.
Das Thema wird also noch eine Zeitlang heiß diskutiert werden – endlich mal ein anderer Aufreger als Donald Trump!
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