Die TYPO Labs fanden in einem alten Krematorium in Berlin statt. Vom 6. bis 8. April rauchten dort aber nur die Köpfe.
Kein Drehort für einen Gruselfilm, sondern Location der TYPO Labs: das ehemalige Krematorium in Berlin Wedding.
Kaum ein Vortrag, der nicht die zwei Wörter Variable Fonts im Titel trug. Und dass, obwohl es kaum wirklich Neues gibt. Jedenfalls nicht öffentlich, intern arbeitet die Schriftindustrie mit Hochdruck an der Weiterentwicklung der Techniken und der Lösung von Problemen. So vermutete Dan Rhatigan, der den Eröffnungsvortrag hielt, nicht ganz zu unrecht, dass sein Vortrag schon wieder überholt sein könnte, bevor er noch am Ende angelangt war.
Insgesamt 280 Typofreaks waren in das Silent Green Kulturquartier (ein altes Krematorium) in Berlin Wedding gekommen, das waren 120 mehr als letztes Jahr – keine Frage, das Thema Schrifttechnologie boomt.
Trotz kühlen Temperaturen: Abends gab es Barbecue …
…und von Glyphs gesponsertes Bier.
Die von Monotype veranstalteten TYPO Labs bieten all denjenigen Hardcore Schriftgestaltern und -technikern eine Plattform, die sich auf der großen TYPO Berlin, die immer mehr Design und weniger Typothemen auf dem Programm hat, nicht mehr zuhause fühlen. Dementsprechend prägten technische Themen die drei Tage: von neuen Robofont Extensions und Glyph Apps über lernende Maschinen, die bald schlauer seien werden als wir oder einem Workshop über das Hinting von Variable Fonts – nix für Technik-Nichtchecker.
John Hudson gab einen tollen Überblick über die Möglichkeiten der Interpolation bezogen auf Nonlatin. Zum Beispiel Kashide in Arabic.
Der französische Typedesigner Jean-Baptiste Levée war der erste, der das Thema Variable Fonts auch mal kritisch unter die Lupe nahm und nicht nur Chancen, sondern auch Risiken nannte. So stellte er fest, dass es bislang noch keine einzige Arbeit gibt, die die Nützlichkeit dieser Schriften aufzeige, bislang seien sie reine Dekoration. Viel zu wenig Gedanken hätte man sich bisher auch über das für Variable Fonts unerlässliche User Interface gemacht, »was«, fragte er, »wollen wir den Leuten für ein Interface geben?« Eine Schrift, für deren Anwendung man zunächst ein Manual studieren müsse, würde nicht funktionieren. Auch das Pricing sprach er an. Was kann, was muss ein Variable Font, der ja viel mehr als ein einzelner Font ist, kosten und sind Anwender bereit das zu bezahlen?
Jean-Baptiste Levée wagte auch mal kritische Töne.
Die Stimmung war an allen Tagen ausgezeichnet, es gab genügend Möglichkeiten zum Networken, die Location war charmant und genau richtig in der Größe, und so freuen wir uns schon jetzt auf die TYPO Labs 2018 – wer weiß, vielleicht gibt es dann schon Variable Fonts in der Anwendung und ein paar Antworten auf die Fragen von Jean-Baptiste Levée.
Videos aller Vorträge kann man sich hier anschauen (Filter auf Newest Releases stellen). Empfehlenswert vor allem die von Jean-Baptiste Levée, von Underware und von Laurence Penney. Robofont-Anwender sollten sich den von Frederik Berlaen zu Gemüte führen, Glyphs-Anwender den von Rainer Erich Scheichelbauer und Georg Seifert.
Adam Twardoch riet: make your Fonts Variable!
Robofont Erfinder Frederik Berlaen kündigte Version 2.0 an. Superfast und supersmart. Studenten bekommen übrigens ein Jahr lang eine kostenlose Lizenz.
Bei Erik van Bloklands Vortrag über Designspaces stieg mancher Nicht-Nerd aus.
Variable Fonts könnten die Lesbarkeit verbessern, findet Rob McKaughan. Zum Beispiel indem sie die Buchstaben am Rande des Gesichsfelds, die wir unscharf sehen, größer machen. Sensible Typedesigner würden bei dem Ergebnis wohl Einspruch einlegen.
Mit 3D-Effekten bekommen die Fonts Tiefe. Dafür hatte Rob McKaughan eigens 3D-Brillen verteilt, die Jakob Runge und Christoph Koeberlin ebenso gut stehen wie Luc(as) de Groot (vorne).
Er hätte ohne weiteres auch Karriere als Comedian machen können: Rainer Erich Scheichelbauer, unterstützt von Georg Seifert, zeigte Neuigkeiten von Glyphs.
Vor allem die vier neuen Apps MergeGlyphs, CommitGlyphs, FontTableViewer und TextPreview. Man findet sie als Free Public Betaversionen auf der Glyphs Website unter Tools.
Auf der Webseite Axis-Praxis von Laurence Penney kann man wunderbar mit verschiedenen Variable Fonts experimentieren.
Fast ein bisschen spooky. Laut Akiem Helmling (links) und Bas Jacobs von Underware kann ein Variable Font eine komplette Typelibrary beinhalten.
Auch in den Pausen gab es immer etwas zu bereden. Hier Altmeister David Berlow (links), Thomas Phinney und John Hudson.
Sie diskutierten über »Business opportunities and challenges in bringing Variable OpenType Fonts to the market«. Von links: Adam Twardoch (Director of Products bei FontLab), Ivo Gabrowitsch (eCommerce Marketing Director bei Monotype), Typedesignerin Alexandra Korolkova, Fonttüftler der ersten Stunde David Berlow und Matthew Rechs (Director und General Manager für Type und Typekit bei Adobe) .