Inwieweit können rechtliche Hürden eine Veröffentlichung von Meilensteinen der Schriftgestaltung – in diesem Fall die Romanée von Jan van Krimpen – verhindern? Das fragt Kai Büschl, Mitgründer der Foundry Lazydogs, in einem Gastbeitrag. Ihn interessiert die Meinung der Kreativen, also bitte kommentieren!
Bild: Holger Königsdörfer
Ich bin’s, Kai von der Lazydogs Typefoundry. Seit Monaten hadern wir mit einer Schrift, die eigentlich fertig für die Veröffentlichung ist. Es gibt »nur« eine juristische Frage zu klären, die wir gerne hier in der Community zur Diskussion stellen würden.
Einer unserer Typedesigner, Holger Königsdörfer, hatte während seines Masters in Den Haag eine Neuinterpretation der Schrift »Romanée« von Jan van Krimpen begonnen. Auf unsere Nachfrage hin überarbeitete er den Entwurf in den letzten zwei Jahren und stellte ihn schließlich fertig. Wir prüften die Namensrechte und fanden heraus, dass ein entsprechender Eintrag der Enschedé Font Foundry (TEFF) ausgelaufen war. Als wir TEFF jedoch über unsere geplante Veröffentlichung informierten, passierte folgendes …
TEFF behauptet, dass sie die Rechte von der früheren Enschedé Foundry erworben hätten, um die Schriftentwürfe von Jan van Krimpen zu verwerten. Das beträfe sowohl die Schriftform als auch den Namen, allerdings gab uns TEFF auf unsere Nachfrage keinerlei Nachweis zu dieser Behauptung. Das »International Trademark Registry« verzeichnet jedenfalls keinen Eintrag für »Romanée« als Schriftnamen.
In der Zwischenzeit fanden wir auch heraus, dass TEFF in der Vergangenheit bereits selbst versucht hatte, die Romanée zu digitalisieren. Leider blieb dieser Realisierungsversuch unserer Kenntnis nach unvollendet, nachdem Designer und Foundry sich nicht auf eine Umsetzungsweise einigen konnten.
Wir haben dann mit einer Reihe von Vorschlägen versucht, TEFF bei der Veröffentlichung von Holgers Schriftentwurf mit ins Boot zu holen. Wir schlugen vor, die beiden Designs so auszuarbeiten, dass sie deutlicher unterschieden werden können. Wir dachten an eine mögliche »Doppelveröffentlichung«, die vermutlich ein gewisses Medieninteresse erzeugt hätte. Wir schlugen vor, beide Entwürfe über unsere Website zu vertreiben, um die Käufer entscheiden zu lassen, welche sie besser fänden. Wir würden TEFF sogar einen Anteil aus den Verkäufen anbieten, wenn sie Ihre Rechte an dem Schriftentwurf nachwiesen. Aber jeder Versuch, eine gute Lösung für beide Seiten zu finden, führte bisher nur zu dem finalen Statement »Wir besitzen die Rechte an der Romanée und wir diskutieren nicht darüber«.
Wir würden Jan van Krimpens außergewöhnlichen Schriftentwurf gerne wieder für Anwender verfügbar machen. Wir glauben, dass es nicht in seinem Sinne ist, seinen Entwurf über eine so lange Zeit zurückzuhalten. Und wir würden gerne Holgers Arbeit mit einer Veröffentlichung anständig würdigen. Was wir definitiv nicht wollen, ist, uns auf juristische Streitereien einzulassen oder gar die Rechte unserer Kollegen zu verletzen. Den Schriftentwurf einfach zu veröffentlichen und dann als Plagiatoren wahrgenommen zu werden, ist für uns kein Weg.
Wir sind also sehr gespannt auf eure Meinungen. Lasst uns wissen, was ihr für den besten Weg haltet.
Peace, Kai
(The Lazydogs Typefoundry)
Bild: Holger Königsdörfer
Oliver Linke, der zweite Teil der Lazydogs ergänzt:
Erstmal zu der juristischen Situation: Wir haben mit einem Anwalt gesprochen und juristisch scheint die Sache relativ klar zu sein: TEFF würde nichts gegen eine Neuveröffentlichung des Schriftentwurfs tun können, so lange wir nicht direkt Outline-Daten von TEFF-Schriften klauen. Das betrifft sowohl die Schriftform als auch den Schriftnamen. TEFF erwarb 1992 das Namensrecht, dieses ist jedoch bereits abgelaufen. Ebenso endete ein Recht auf »stylized characters«, das Monotype 1992 erwarb. Wenn wir also die juristische Basis als einziges Argument gesehen hätten, hätten wir die Romanée bereits veröffentlicht ohne irgendjemand zu fragen.
Aber: Das ist nicht der eigentliche Punkt, um den es uns hier geht. Wir wollen weder Rechtsstreitigkeiten noch persönliche Angriffe gegen oder von TEFF. Unsere Fragen gehen eher in diese Richtung:
– Gibt es ein moralisches Recht auf kulturellen Fortschritt?
– Ist es Jan van Krimpen gegenüber fair, seinen Entwurf der Öffentlichkeit vorzuenthalten?
– Würde eine Neuinterpretation unter dem Namen »Romanée« eher den Urheber (JvK) würdigen oder eher die Rechte seiner Nachfolger verletzen?
Unsere Hintergründe?
Es mag sein, dass man unseren Post in diesem Forum so verstehen kann, moralisch gut dazustehen, während TEFF es vorzieht, nicht zu kommentieren (und damit vielleicht eher in die negative Ecke gedrängt wird). Ich möchte aber deutlich sagen, dass das niemals unsere Absicht war. Es ist auch verständlich, dass Menschen, die uns nicht kennen, einen kommerziellen Hintergrund bei der Aktion vermuten. Natürlich sind wir als Typefoundry ein kommerzielles Unternehmen und kein Wohltätigkeitsverein. Aber jeder, der in diesem Gewerbe unterwegs ist, weiß, dass dieses Schriftprojekt sicher nicht unsere Kasse fluten wird. Wir hatten TEFF ja sogar angeboten, Verkaufserlöse abzutreten.
Alles in allem geht es uns darum, einen Schriftentwurf wieder verfügbar zu machen, der es unserer Ansicht nach verdient. Und wir waren einfach daran interessiert, zu hören, wie Eure Ansichten zu diesem Thema sind. Also: Gerne weitere Diskussionen, wenn ihr mögt.
Oliver
(die andere Hälfte der Lazydogs…)
Wenn ich mich die Bilder so anschaue, könnte man sich auch die Frage stellen ob es eine richtige revival ist. Meiner Meinung und Erfahrung nach ist es zu weit entfernt vom Original entfernt. Deshalb frage ich mich weshalb so stark auf dem Namen gesetzt wird. Ein andere Namen würde genau so gut funktionieren. In der Beschreibung des Designs kann dann immer über der Ursprung erzählt werden.
Oder ist der Name Kommerziell zu wertvoll ?
Wenn ich mich so die Entwürfe anschaue, finde ich das es zu weit entfernt ist vom Original. Deshalb ist meiner Frage, wieso hängt Ihr so an dem Namen ? Aus Kommerzielle Gründe ?
Warum einfach nicht publizieren unter eine anderer Namen und bei der Beschreibung erklären Ihr habt Euch vom Romanée inspieren lassen ?
See also: http://typedrawers.com/discussion/2468/romanee-new-release/p1
Wenn TEFF tatsächlich mit »Wir besitzen die Rechte an der Romanée und wir diskutieren nicht darüber« argumentiert, also keinen Dialog zulässt, dann finde ich den juristisch korrekten Weg moralisch absolut vertretbar: Sind weder Namens- noch Design-Rechte belegt, sollte das Revival erscheinen — ohne Rücksicht auf die Befindlichkeiten von TEFF.
Da die Schrift im Rahmen eines Masterstudiums in Den Haag angefangen ist, würde ich mich über eine Beitragsergänzung durch einen von den dortigen Lehrenden interessieren. Was ist sozusagen die «institutionelle« Meinung dazu? Gibt es schon da Präzisenzfälle? Diese Information, so oder so, würde ich sehr wichtig finden.