Das vielleicht schönste Schriftmusterbuch aller Zeiten steckt voller extravaganter Schriftvariationen.
»Mira Calligraphiae Monumenta«, also »Monumente bewunderungswürdiger Schreibkunst«, hat Georg Bocskay das einzigartige Werk genannt, dass er zwischen 1561 und 1562 in Wien verfasste. Der Abkömmling einer ungarischen Adelsfamilie stand damals als Sekretär im Dienst König Ferdinands I., in dessen Auftrag die kunstvolle Handschrift wohl entstand.
In Schwarz mit Zierelementen in Gold, Silber und gelegentlich Blau geschrieben und gezeichnet, zeigte Bocskay die ungeheuer vielfältige Schriftkunst des 16. Jahrhunderts, die er zuvor teilweise auch in anderen Büchern ausgiebigst studiert hatte. Zu bewundern sind römische Kapital- und Unzialschriften, Rotunda und Antiqua, deutsche Current und Fraktur, die Schreibweisen von Kaufleuten oder Notaren, arabische sowie hebräische Schriftzeichen und vieles mehr – auch Kurioses wie Spiegelschrift oder schnörkelige Fantasie-Alphabete.
Die Lust am Schnörkel ist überhaupt das vielleicht Spannendste am Buch: Manche Schriftmuster gehen in extravaganten Zierlinien derartig unter, dass das Ergebnis geradezu avantgardistisch wirkt. In einigen Folios hat der Kalligraf auch Hinweise auf seine Person versteckt, etwa in einem in deutscher Fraktur labyrinthförmig geschriebenen Text.
Rund dreißig Jahre später illustrierte bzw. illuminierte (wie es bei Buchmalereien zu Handschriften heißt) der berühmte Joris Hoefnagel die »Mira Calligraphiae Monumenta« mit farbigen Pflanzen- und Insektenbildern, wobei er seiner Fantasie häufig auch freien Lauf ließ …
Das kostbare Original der Handschrift gehört heute dem J. Paul Getty Museum im Los Angeles, endlich ist nun beim Verlag Hatje Cantz eine deutsche Faksimile-Ausgabe erschienen.
Das in einen edlen Leinen-Schuber verpackte Buch enthält noch eine weitere Handschrift von Georg Bocskay: »Das konstruierte Alphabet« zeigt, wie sich ein römisches Majuskel- und ein Fraktur-Minuskelalphabet in verschiedenen Rastern zeichnen lassen. Die Blätter wurden später ebenfalls von Joris Hoefnagel fantastisch illustriert.
Mira Calligraphiae Monumenta Texte von Lee Hendrix, Thea Vignau-Wilberg, Timothy Potts, Thomas Kren Verlag Hatje Cantz, Berlin 424 Seiten, 186 Abbbildungen gebunden im Schuber 14 x 19 cm ISBN 978-3-7757-4752-3 Direkt beim Verlag bestellen (oder bei der Buchhandlung nebenan)