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Coole KI-Tools für Kreative und wie man sie nutzt!

Space, the final frontier – Machine Learning und KI erleichtern Designern und Developern in vielen Bereichen die Arbeit. Wir stellen euch einige spannende neue Tools vor.

Die App ClipDrop stellt beliebige Objekte aus der Umgebung frei und macht sie so direkt fürs Layouten nutzbar. Zum Testen fotografierte unsere Redakteurin diese Smiley-Laterne und ein bisschen Halloween-Deko über ihrem Homeoffice-Arbeitsplatz

Wir schreiben die Ausgabe 01.2021 – die erfolgreichsten digitalen Produkte der letzten fünf Jahre basieren auf künstlicher Intelligenz und ma­schinel­lem Lernen oder wurden um entsprechen­de Funk­tionen erweitert. Auch viele Designwerkzeuge haben sich in diese Richtung weiterentwickelt, und wenngleich Designer nicht unbedingt Algorithmen programmieren können müssen, so sollten sie dennoch die gestalterischen Möglichkeiten verstehen, die sich aus Big Data und Machine Learning ergeben.

Dabei reichen KI-basierte Designtools von univer­sellen, sehr nutzerfreundlichen Anwendun­gen, die ihre User zumeist in wenige vorgegebene Vorlagen zwingen, bis zu professionellen Lösungen mit einer Vielzahl an Funktionen. Designer können lernen, sie zu beherrschen und kreativ zu nutzen, um etwa manuelle Arbeiten zu reduzieren, um simultan mehrere Entwurfsvarianten zu erzeugen oder um ­eine per­sonalisierte Erfahrung durch nutzerdatengesteuerte Gestaltung zu schaffen.

Wir stellen wir KI-Designtools vor, mit denen Sie die Kreativarbeit auf Basis von Machine Learning und künstlicher Intelligenz gezielt kennenlernen können.

Sketch-Plug-in: This Person Does Not Exist

Keine Fotoshootings, keine Stockfotos oder Sorgen um Copyrights mehr: Mit dem kleinen Sketch-Plug-in von Stas Kulesh lassen sich AI-generierte Gesichter direkt ins Layout einfügen. Die ursprüngliche Anwendung This Person Does Not Exist basiert auf Nvidias Generative Adversarial Network (GAN) StyleGAN2, das jeder selbst installieren und mit den gewünschten Daten trainieren kann. Unter https://thisxdoesnotexist.com finden sich weitere von künstlichen neuronalen Netzen erzeugte Inhalte, zum Beispiel Gedichte, Memes, Stühle, Autos, Vasen oder gar Füße – mit trainierten GANs können wir ­realistisch aussehende Versionen von fast allem erzeugen und uns inspirieren lassen.

 

Wer nicht nur Porträtfotos, sondern Aufnahmen von Fotomodellen – etwa fürs eigene E-Commerce-Angebot – benötigt, kann ab ungefähr 200 Dollar mit Tools wie Artificial Talent oder Rosebud.ai eine Kom­bination aus KI und 3D-Rendering nutzen und künstlich erzeugte Mannequins in das im eigenen Shop angebotene Outfit stecken.

Computer Vision für Interfaces

Andere beliebte Tools, um in kurzer Zeit funktionierende Interface-Prototypen zu erstellen, basieren auf Computer Vision, also der Fähigkeit von Software, Bilder zu erkennen und zu interpretieren. Uizard oder Fronty befinden sich zwar noch in der Betaphase, und auch Sketch2Code von Microsoft ist eher ein Experiment doch dürfte es schon bald ein Leichtes für Designer sein, ihre handgefertigten Interface-Skizzen mithilfe von künstlicher Intelligenz in funktionierenden HTML-Code umzuwandeln und diesen dann zu einer funktionierenden Anwendung weiterzuentwickeln.

Farb- und Fontwahl, Objekte platzieren

Auf Machine Learning basieren auch die Farbtools Colormind und Khroma. Letzteres kann man mit auf der Website vorgehaltenen Lieblingsfarben trainieren, während Colormind stetig Farben aus Fotos, Filmen und populä­rer Kunst lernt und daraus neue Farbpaletten generiert. Auch eigene Bilder lassen sich einspeisen. Wer die API installiert, kann alle Funktio­nen der Webapp direkt im Layoutprogramm nutzen.

Auch bei der Schriftauswahl können KI-Tools unterstützen. Fontjoy etwa kom­biniert unterschiedliche bis sehr ähnliche Fonts zu harmonischen Schriftpaaren. Einfach eine Ausgangs­schrift voreinstellen und zu ihr passende Schriften anzeigen lassen. Ein ähnliches Tool ist die interaktive Font Map von IDEO, die mehr als 750 Google Fonts nach Ähnlichkeiten verortet. Man kann eine Schrift nach Namen suchen oder sie auf der Map anklicken, und das Tools zeigt ähnliche Schriften an. Designern soll Font Map in ers­ter dabei Linie helfen, Zusammenhänge in der Buchstabenanatomie zu erkennen.

Freistellen 2021 ist die auf Augmented Reality und Machine Learning basierende Android- und iOS-App ClipDrop. Sie erfasst Objek­te aus der Umwelt und extrahiert und speichert sie als PNG-Datei, die man in diverse Bearbeitungs­pro­gramme laden kann. Einfach knipsen, aufs Cloud­symbol tappen, und schon ist das freigestellte Objekt im Viewport am Desktop zu sehen.

Logos auf Basis von KI

Während Websites wie www.thisworddoesnotexist.com oder  http://thisstartupdoesntexist.com  dabei helfen, neue Firmennamen zu kreieren, können Designer sich von sehr simplen KI-Webtools wie Looka oder Brandmark beim Logodesign ins­pi­rieren lassen. Zugegeben überzeugen die Ergeb­nis­se nicht wirklich – aber mit Algorithmen gene­rier­te und von Gestaltern modifizierte Logos können sich durchaus sehen lassen.

Ein ansprechendes Logo für die dai conference etwa entstand im Oktober mittels Machine Learning. Ein auf Bild- und Mustererkennung in Buch­staben­for­men trainier­tes neuronales Netz suchte nach Ähnlichkeiten oder prägnan­ten Bereichen und generier­te aus der als Ligatur gesetzten Buchstabenfolge dai (designing with artificial intelligence) diverse Variationen mit typografischen Ähnlichkeiten. Dann un­tersuchten die Veranstalter Marc Engenhart und Sebastian Löwe die maschinell erstellten Variationen auf ihre semiotische und inhaltliche Wirkung sowie auf seine ästhetische Qualität und zeichneten ihren Favoriten ins Reine. Et voilà – fertig war das Logo.

Testen und verbessern mit KI

Wie geschaffen für Anwendungen, die auf Daten und Statistiken beruhen, ist das Berechnen der Erfolgswahrscheinlichkeit eines Designs. Ein Tool, das vorhersagt, ob ein Logo funktioniert oder nicht, bietet Brandmark mit dem Logo Rank, der Logos nach Kriterien wie Einzigartigkeit, Lesbarkeit, Farben und Kontrast auswertet. Zudem lässt sich mit dem Tool recht einfach überprüfen, ob für ein angeblich originäres Logo Stock-Icons verwendet wurden. Die prädiktiven Designtools VisualEyes und Eyequant sollen Designern mit KI und simulierten Eyetracking-Verfahren bei der Interface-Analyse helfen.

Für die Bildoptimierung sehr beliebt ist das Tool des ukrainischen Start-ups Let’s Enhance. Mit ihm kann man Bilder bis zu 16-fach vergrößern, und zugleich rechnen Algorithmen Unschärfen heraus und verbessern das Bild. Dass Werk­zeuge wie diese digitale Produktionskosten sparen, zeigt auch Tunnel23 in Wien. Für eine 3D-Videokam­pagne für den Uhren- und Schmuckhersteller Jacques Lemans nutzte die Agentur zwei KIs, um Content zu optimieren: Die eine rechnete die 3D-Textu­ren für TV-Clips und Onlinevideos in den 4K-Standard hoch, dann entfernte ein intelligenter Image De­noiser beim Export der 3D-Filme Bildrauschen und Unschär­fen, um Renderzeiten zu verkürzen.

Sprachbasierte Layoutgeneratoren

Einen echten Hype lösten 2020 die spracherzeugenden KIs von OpenAI in San Francisco aus, allen voran GPT-3, die jüngste Version ihres Sprachmodells. GPT steht für Generative Pre-trained Transformer, eine Software, die Englisch inzwischen so gut in Echtzeit versteht, dass sie geschriebene Sätze sinnvoll beenden kann. Auf Basis von GPT-3 entstanden 2020 auch verschiedene sprachbasierte Lay­out­ge­neratoren für Mock-ups und Interfaces, aus denen besonders die React-Applikation Debuild von Sharif Shameem heraussticht. Designer können in ihr eine gewünschte Web­an­wen­dung in einem Text beschreiben, und Debuild ge­ne­riert daraus in Sekunden funktionierenden Code. Das Figma-Plug-in Designer von Jordan Singer, das ähnlich funktioniert, sowie weitere Anwendungen, die auf GPT-3 basieren, kann man sich hier anschauen: https://gpt3examples.com.

Audio- und Bildoptimierung mit KI

Ein anderes Start-up, das sich dem Thema Audio- und Bildoptimierung mit KI widmet, ist Deep Ren­der aus London. Im Mai 2020 sam­melten Christian Besenbruch und Arsalan Zafar 1,6 Millionen britische Pfund für die Entwicklung neuester Bildkomprimierungstechnologien, um mit­tels KI neuronale Pro­zesse des menschlichen Auges nachzuahmen. Von ihnen würden vor allem Contentplattformen wie Netflix, Facebook, Google oder Instagram und ihre Nutzer profitieren – spannend werden sie aber auch für jeden VR- und AR Creator sowie für Spieleentwickler und Motiondesigner.

Es lohnt sich, die Entwicklung in Sachen KI-Tools auf Plattformen wie   https://mlart.co, https://machinelearning.design oder https://algorithms.design weiterzuverfolgen. Und solange man als Gestalter seine Tools im Griff hat und nicht umgekehrt, helfen sie, effizien­ter zu arbeiten, und regen mit unerwarteten Kombinationen und tausendfachen Variationen unsere Kreativität an. 

Weitere Informationen zum Thema Künstliche Intelligenz und Design

Dieser Artikel ist in der PAGE 01.2021 erschienen, die Sie als P+-Abonnent hier kostenfrei runterladen können!

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