Wie und womit man putzt, wird derzeit zum Ausdruck von Stil- und Umweltbewusstsein. Der Markt für Reinigungsmittel steht damit vor einer Revolution – und bietet spannende Aufgaben für Gestalterinnen und Gestalter. Wir zeigen, wie man das Putzen ganz im Zeichen von Nachhaltigkeit aus der Schmuddelecke befreit
Als Barbora Stredova die Straßenkehrer in Paris entdeckte, war es um sie geschehen. In grüngelben Uniformen und mit Gerätschaften in Rot und Blau leuchteten sie in den schönsten Farben und sahen ein wenig wie Paradiesvögel aus. Seltsam war nur, dass die Passant:innen an ihnen vorbeieilten und niemand sie beachtete. Vorher hatte sich die Designstudentin nie sonderlich mit dem Putzen beschäftigt. Doch dann begann das Thema in ihr zu arbeiten. Denn so unsichtbar wie die Straßenkehrer war auch das Putzen selbst. Niemand redete großartig darüber, und das, obwohl es viel Zeit einnimmt. Ein, zwei Stunden mache man schon am Tag sauber, sagt Barbora Stredova. Man räumt das Frühstücksgeschirr weg, spült, wäscht, fegt ein paar Krümmel davon. Das alle gehöre dazu.
Und so begann sie sich für ihren Bachelor an der Designakademie Eindhoven mit Menschen zu unterhalten, die sich mit dem Putzen auskennen. Mit Reinigungskräften und Zimmermädchen, mit Tatortreinigern und Toilettenfrauen, Tellerwäschern und einem Hygienehistoriker. Würden wir 500 Jahre zurück in die Vergangenheit reisen, könnten wir es vor Gestank gar nicht aushalten, erklärte er. Denn Putzmittel gab es da noch nicht, die Menschen wuschen sich viel seltener und ihre Kleidung sowieso.
Aus diesen Interviews entstand ein »Tribute to Cleaning«, das allen gewidmet ist, die sich tagtäglich die Hände schmutzig machen, damit es sauberer wird. 274 Seiten stark ist die Abschlussarbeit, mit Putzhandschuhen, Straßenkehrern und Schrubbern zart illustriert – und dazu erschien eine Serie wunderschöner Keramiken. Eine Mülltonne ist darunter, ein Putzeimer, dreckiges Geschirr oder ein Spülschwamm. Wie Skulpturen können sie ins Regal gestellt werden und holen ans Licht, was so lange unter der Spüle, hinter Türen oder in Haushaltsschränken versteckt war. Als Kunst, als Augenzwinkern und vor allem auch als Kommentar zu einem Trend, der sich seit geraumer Zeit anbahnt und den Barbora Stredova auf die Spitze treibt.
Putzvideos & Co: Das neue Reinheitsgebot
Denn das einst so spießige Putzen ist plötzlich hip. Und während der Pandemie hat der Trend noch einmal ordentlich Fahrt aufgenommen. Zurückgezogen in die eigenen vier Wände, haben die Menschen nicht nur Bananenbrot gebacken und ihre Schränke entrümpelt, sondern sie haben geschrubbt, gewienert und gescheuert. Für die Selbstermächtigung oder gegen die Einsamkeit, gegen die Viren und zum Zeitvertreib oder einfach damit der gepostete Houseporn besser aussieht.
Auf YouTube soll die Anzahl der Putzvideos in den letzten zwei Jahren um 50 Prozent gestiegen sein. Auf TikTok machen Hashtags wie #deepcleaning mit über 520 Millionen Views Karriere und zeigen, wie man sein Zuhause bis in die letzte Ecke blitzblank bekommt. Andere wiederum tauschen sich über Zitronensäure und Backpulver als nachhaltigste Putzmittel aus und viele darüber, wie man achtsam putzt: Dann steht man sehr früh am Morgen auf, öffnet alle Fenster und beginnt zu schrubben. Man reinigt die Böden, die Ablagen – und seinen Geist gleich mit. Ganz so, wie die Buddhist:innen es tun und so gleichzeitig verhindern, dass Insekten angelockt und getötet werden könnten.
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