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Ab sofort im Handel: PAGE 10.2015
Editorial: Mehrschneidig
Ich weiß nicht, wie oft Sie, meine Herren, sich neue Rasierklingen besorgen. Von einem Kollegen habe ich mir sagen lassen, maximal einmal im Jahr, sofern Sie gleich zum 10er-Pack greifen. Angesichts der aktuellen Bartmode dürfte diese Tätigkeit sogar gegen null tendieren, nicht wahr? Mutet es da nicht merkwürdig an, dass Gillette in Kooperation mit der Deutschen Telekom und dem Onlineshop The Perfect Shave eine Nassrasierer-Box mit Nachbestellknopf via Mobilfunk auf den Markt bringen will? »In einem Vorabtest haben ausgewählte Nutzer die Möglichkeit, durch ihr direktes Feedback aktiv an der Produktentwicklung teilzuhaben«, gibt man sich hip auf der Website. So werde man das Device für ein »perfektes Einkaufserlebnis« optimieren.
Also einfach registrieren mit Mailadresse, Passwort, sechsstelliger Box-ID, Zahlungsart und Liefer anschrift, den Order-Button 10 Sekunden drücken, Bestellung per E-Mail bestätigen und die Klingen kommen binnen 24 Stunden ins Haus. Ach so, wie lange die Batterie der Gillette-Box hält? In den FAQ, die nur geringfügig kürzer als die für einen Telekom Speedport Router ausfallen, steht: »Bei einer durchschnittlichen Nutzung von zwei Bestellungen im Mo nat haben die Batterien eine zu erwartende Lebensdauer von über zwei Jahren.« Schau an.
Abgesehen davon, dass ein Haushalt wohl kaum zwanzig Klingen im Monat verbrauchen kann, wie stellen sich die Gillette-Nerds das »perfekte Einkaufs erlebnis« im Internet der Dinge denn vor? Würden sie bald schon mit Amazon kooperieren, wo man einer Patentanmeldung zufolge die Auslieferung per 3D-Drucker-LKW plant? Der Zustellservice könnte sich auf den Weg machen, noch bevor im Laderaum die Produktion der Ware begonnen hätte. Oder wür de die Rasierklinge, wann immer ein Bartstoppelträger den Ausgang einer Offline-Filiale passiert, – Achtung, Patentsprech! – einfach »automatisch von der Warenabfertigungseinrichtung auf den Nutzer übertragen und dieser mit einer Gebühr belegt werden«?
Um die selbst ernannte »E-Commerce Innovation von The Perfect Shave und Procter & Gamble« ist es schnell wieder ruhig geworden. Es ist nicht alles Gold, was glänzt. So sondieren wir in PAGE 10.2015 denn auch weniger die Möglichkeiten als vielmehr die Faktoren, die eine – nun ja – glatte Costumer Journey garantieren: Omnichannel-Design im Spannungsfeld von vergnüglichem Shoppen und simpler Erledigung.
Gabriele Günder,
Chefredakteurin/Publisher
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