Vier Falze, acht Seiten, ein Folder, das Format DIN A1. Die Posterzines zum Thema »Systemrelevanz« spiegeln Themen wider, die durch die Pandemie an Relevanz gewonnen haben.
Muthesius Kunsthochschule. Was ist eigentlich systemrelevant? Was können wir aus der Krise lernen? Was wird danach relevant sein? Mit diesen Fragen beschäftigten sich zwischen April und Juli neun Studierende im Lehrgebiet Konzeption & Entwurf von Professorin Silke Juchter im Bereich Kommunikationsdesign. Ihre Aufgabe war es, das Ganze als Posterzine mit einer spannenden Text-Bild-Beziehung in überraschender Gestaltung umzusetzen.
»Um ein gutes eigenes Thema zu finden, mussten die Studierenden erst einmal recherchieren und eine innere Haltung entwickeln«, sagt Silke Juchter. Neben der inhaltlichen gab es auch eine formale Vorgabe für die Posterzines: vier Falze, acht Seiten, ein Folder, das Format DIN A1. Im Kurs tastete sich die Gruppe über die Auseinandersetzung mit Head- und Sublines, mit Bildsprache und Typografie nach und nach an die gestalterische Umsetzung heran.
Von »Solo Sex« und »Die Berührungskrise« über »Virenzuchtanstalt« bis »Ratlosigkeit« und »Hoffnung« spiegeln sich in den neun entstandenen Posterzines alle Themen wider, die durch die Pandemie an Relevanz gewonnen haben. In Infotexten und -grafiken, Interviews oder Zitaten, Fotos und Illustrationen übersetzen die Studierenden sie sowohl visuell als auch textlich in inhaltlich starke Botschaften. Dabei sind die Falzungen der doppelseitigen Plakate ebenso unterschiedlich wie die gewählten Themen. Der Altarfalz zum Beispiel passt perfekt zu Falko Behrens’ »Berührungskrise«, denn er gibt beim Öffnen ein großes 3D-Visual frei. »Dem Gesamtergebnis sieht man an, wie toll der Kurs zusammengearbeitet hat«, so Silke Juchter.
Mit diesem Posterzine möchte Angelina Simon die Erfahrung teilen, die sie dieses Semester, mit dem Werk von Rebecca Solnit zum Thema Hoffnung gemacht hat, während die Covid-19-Krise auf ihrem Höhepunkt war. Zitate aus Ihrem Buch »Hope in the Dark« lassen erkennen, dass wir jederzeit Hoffnung haben können und aktiv werden sollten, um die Welt zu verändern.
Berte Sophie Petersen: Kläranlagen im Lockdown
In Interviewform möchte Berte Sophie Petersen alle relevante Fragen zum Thema Kläranlagen beantworten und das eher unbeliebte Thema mit einem ästhetischen und erzählerischen Design dem Leser näher bringen. Da die Arbeit der AbwassertechnikerInnen meist unter der Erde oder in den Anlagen stattfindet, denken wir selten über deren Wichtigkeit nach. Das Posterzine »Flush Down – Kläranlagen im Lockdown« informiert über die Wichtigkeit des Abwassersystems und seiner Mitarbeiter.
Falko Behrens: Die Berührungskrise
Wir sollen Abstand halten und den Körperkontakt meiden, um während einer Pandemie die Ansteckungszahlen zu minimieren. Das Posterzine von Falko Behrens widmet sich der Berührung und macht darauf aufmerksam, dass die taktile Interaktion essentiell für ein harmonisches Zusammenleben ist. Angefangen bei der Haut empfangen wir durch den Tastsinn wichtige Informationen über unsere Umwelt und erfahren sinnliche Zuneigung, die unser körperliches und mentales Wohlbefinden stabilisiert.
»Für die Darstellung erstellte ich verschlungene 3D Formen, die ich mit realistisch anmutender Haut texturierte. Meine Wirkintention war eine grafische Umarmung zu gestalten, die einem Berührungsdefizit entgegenwirkt«, so Behrens.
Fernanda Braun Santos: Solosex
Während der Coronakrise bist du selbst dein*e sicherste*r Sexpartner*in. Die abstrakten 3D-Bilder und die warmen Farben sollen in den Betrachtenden körperlich und räumlich Lustgefühle erwecken. Fernanda Braun Santos’ Botschaft: »Um die geistige und körperliche Gesundheit zu pflegen: Masturbiere!«.
Maya Gottlob: Wenn sie will, dann kann die Welt.
Das Gedicht »Die Corona-Lehre«, geschrieben von Thomas Gsella wurde im Rahmen des Kurses »Systemrelevanz« in einem Posterzine inszeniert ergänzt um ein Interview mit dem Schriftsteller und Satiriker. Darin geht es um Literatur und um die Probleme, von denen die Welt weiß, ohne sie anzupacken. Das Interview ist auf die Außenflügel des Altarfalz gedruckt, sodass es sich bequem wie auf einer großen Zeitungsseite lesen lässt.
Alina Moldenhauer: Sie kann Krise
In systemrelevanten Berufen arbeiten zu 75% Frauen. Das Posterzine »Sie kann Krise — Frauen an der Corona-Front« macht auf die Auswirkungen der Corona-Krise auf Frauen aufmerksam. Es verdeutlicht, dass ein System, das maßgeblich von schlechtbezahlten, doppelbelasteten und von häuslicher Gewalt bedrohten Frauen zusammengehalten wird, schon im Normalbetrieb an seiner Belastungsgrenze arbeitet. Aus Corona lernen muss deshalb heißen, die systematische Ungerechtigkeit zwischen den Geschlechtern abzubauen.
Nele Kattelmann: Entwirrung
Wir haben eine Krise. Und alle Medien berichten darüber – eine richtige Informationsflut stürzt auf uns ein. Nele Kattelmann sehnte sich nach Klarheit. CORRECTIV, das erste gemeinnützige Recherchezentrum im deutschsprachigen Raum zeigt mit seinen Faktenchecks das Ausmaß der Infodemie. Nele Kattelmann gestaltete daraus ein Posterzine zur Corona-Krise und gibt einfache Tipps zur Eindämmung von Falschmeldungen.
Rabea Schmedt: Virenzuchtanstalt – Unser Umgang mit Tieren als Brutherd von Pandemien
Das Posterzine klärt über den Zusammenhang von Pandemien und industrieller Massentierhaltung auf. Es soll den meist unreflektierten und unethischen Umgang mit Tieren und deren Lebensräumen hinterfragen und zu einer Reduzierung des Konsums von tierischen Produkten motivieren.
Susana Murillo Parrales: Thank You Farmers
Das Posterzine widmet sich der Anerkennung der Arbeit der Landwirt*innen. Mithilfe von Informationen über Wochenmärkte und einem Saisonkalender soll jede*r eine Übersicht über das Obst und Gemüse bekommen, das man regional und frisch kaufen kann. Ziel ist es in Erinnerung zu rufen, wie wichtig eine regionale Landwirtschaft für unsere alltägliche Lebensmittelversorgung ist. Murillo demonstriert, wie wir alle die regionale Landwirtschaft auf lokaler Ebene durch den Kauf von saisonalem Obst und Gemüse besser unterstützen können.