
»Macht eure eigene Identity zu eurem besten Brand Case«
Eigens programmierte App, individualisierte Logos und Oktopus-Displaytype: MullenLowe hat im Rebranding keine Mühen gescheut und an dem Projekt viel über sich selbst gelernt. NY Head of Design João Paz nimmt uns mit hinter die Kulissen.
Projektmanagement: Intern oder Extern
Wie seid ihr das Rebranding angegangen?
Zuerst haben wir uns den Wettbewerb angesehen. Das war Teil unserer Recherche. Dabei ist uns aufgefallen, dass die meisten großen Designfirmen fast schon wie Anwaltskanzleien daherkommen – schlichte Typografie, kaum Farbe, nur geometrische Formen und keine Persönlichkeit. Dieser Minimalismus ist eine sichere Methode, um die Kundenprojekte in den Vordergrund zu stellen, aber er kommuniziert weder die Teamkultur noch die Werte oder welche Kunden man eigentlich ansprechen möchte.
In diesem Agenturökosystem wollten wir uns bewusst als Herausforderer positionieren, der seine eigene Identität behält und trotzdem mit »den Großen« mithalten kann. Darüber hinaus war uns natürlich wichtig, etwas zu schaffen, das den modernen Anforderungen entspricht: Der Auftritt musste anpassungsfähig sein, um verschiedene Anwendungen und Märkte bedienen zu können.
Gleichzeitig brauchten wir unverwechselbare Merkmale, die uns aus der Masse hervorstechen lassen würden. Gelandet sind wir schließlich bei einem sehr organischen, fluiden Oktopus-Signet, einem neuen Schriftzug und einer zusätzlichen Displayschrift – alles inhouse gestaltet.
Habt ihr darüber nachgedacht, mit einer externen Agentur zusammenzuarbeiten?
Ich kann nachvollziehen, dass sich einige Kreative die Perspektive von außen wünschen oder schlicht nicht die Kapazitäten für so ein Projekt haben. Aber für uns war es eine sehr willkommene Herausforderung – und das interessanteste Projekt, das wir uns hätten wünschen können. Wir hatten viel Freiheit mit dem Design, konnten dabei aber immer Feedback aus dem MullenLowe-Netzwerk einholen.
Die Kreativen im New Yorker Büro haben bei der Umsetzung geholfen, und unser Executive Creative Director, der selbst Designer ist, hat mit einem kritischen Auge das Design evaluiert und Ideen eingebracht. Das ist der Vorteil an der Arbeit mit Kreativen – man bereichert sich gegenseitig und sieht das Potenzial in Ideen, ohne viel erklären zu müssen.
Das Ganze hat deutlich länger gedauert als unsere regulären Kundenprojekte. Wir haben das Rebranding parallel zum Agenturgeschäft entwickelt, dadurch gab es keine längeren Pausen, aber auch keine großen Sprünge. Es ging eher um kontinuierlichen Fortschritt und darum, immer wieder zu prüfen, wo wir noch mehr herausholen können. Ohne Ehrgeiz und Leidenschaft wäre das nicht möglich gewesen. In dem Projekt stecken einige Wochenenden und lange, unterhaltsame Abende.
»Unser Anspruch war, die Quintessenz des Designs so kurz und packend wie möglich darzustellen und in ein Format zu bringen, das sich auch auf Social Media teilen ließ«
Generatives Design und Oktopus-Displayschrift
Hat da auch schon einmal der typische Designer-Perfektionismus zugeschlagen?
(Lacht) Absolut. Zum einen mussten wir unbedingt eine eigene Tentakel-Displayschrift haben. Also haben wir zunächst mehrere Typograf:innen angefragt. Diese haben wundervolle Entwürfe eingereicht, aber irgendwie war es nie genau das, was wir uns vorgestellt hatten. Die Iterationen, um dort hinzukommen, hätten unser selbst gesetztes Budget gesprengt. Also haben wir die Schrift selbst entwickelt.
Das größte Projekt war aber das Logo: Als wir anfingen, möglichst viele Varianten des Oktopus-Signets zu zeichnen, kam uns schließlich der Geistesblitz, eine App zu entwickeln, mit der alle Mitarbeitenden ihren eigenen Oktopus erstellen können. Mit dieser Idee und einigen Sketches sind wir zu einem externen Entwickler gegangen. Er programmierte einen Prototyp für uns, der schon nah dran war.
Das Problem war allerdings, dass wir nicht einfach eine Outline des Oktopus haben wollten, sondern eine räumliche Ansicht, bei der sich auch Tentakel überlappen konnten. Das war mit Code nur schwer umzusetzen, sodass wir das Problem schließlich inhouse und aus einer anderen Perspektive angingen. Dazu griffen wir auf eine klassische 3D-Animationstechnik zurück und riggten ein Modell des Oktopus, sodass Nutzer:innen der App einzelne Punkte ziehen, verschieben und anordnen können.
Heute ist die App eines der ersten Dinge, die Mitarbeitende beim Onboarding gezeigt bekommen. In ihr kann jeder seinen Oktopus erstellen, der dem Corporate Design entspricht, aber trotzdem eine eigene Persönlichkeit hat, die dann auch in der persönlichen E-Mail-Signatur auftaucht. In Zukunft wollen wir daraus zum Beispiel noch Shirts und Team-Merch machen.
Die verschiedenen Anwendungen des Designs sieht man ja bereits in dem Case-Film, den ihr mit dem Launch veröffentlich habt.
Genau. Der Case-Film war aber selbst auch ein wichtiger Bestandteil des Projekts. Damit haben wir nicht nur nach außen kommuniziert, sondern auch die Mitarbeitenden abgeholt. Das neue Branding besteht aus derart vielen verschiedenen Aspekten, dass wir Sorge hatten, dass nur Teile kommuniziert werden und das Gesamtnarrativ verloren geht.
Also war der Anspruch, die Quintessenz des Designs so kurz und packend wie möglich darzustellen und in ein Format zu bringen, das sich auch auf Social Media teilen ließ. Gleichzeitig war es einfach wahnsinnig befriedigend, den Case als Ganzes sehen zu können und als Beispielprojekt für alte und neue Kund:innen parat zu haben. Denn in unserer eigenen Marke vereint sich wirklich alles, was wir können, alles, was wir sind und was wir in Zukunft mit unseren Kund:innen auf die Beine stellen wollen.