Welche Schrift sich fürs Lesen am Screen eignet und welche gut in Leitsystemen funktionieren verrät Teil 5 der Serie »Schrift bringt’s«.
Schon 1997 verkündeten die Päpste der Lesetypografie, Hans Peter Willberg und Friedrich Forssman: »Unsere gebräuchlichen Werkschriften sind im Allgemeinen gut lesbar, ihre Formen sind zweckentsprechend ausgereift.« Hier kommt es dann mehr auf Gewohnheiten an – in literarischen Texten beispielsweise erwarten wir eher eine Antiqua als eine Grotesk – und vor allem auf den Umgang mit der Schrift: auf Schriftgrößen, Zeilenabstand, Durchschuss und Zeilenlänge und damit auf den Lesekomfort. Das ist in digitalen Umgebungen nicht weniger wichtig: Immer noch finden sich auf prominenten Seiten oder in Portfolios von Kreativen falsche Anführungszeichen oder Apostrophe. »Digitaldesigner sollten ihr typografisches Know-how unbedingt verbessern. Schließlich ist Text die Basis jedes User Interfaces und fast aller Interaktionen mit digitalen Systemen«, sagt Frank Rausch.
Aber längst nicht jede Schrift ist fürs Lesen am Screen geeignet. Das liegt an der Auflösung der Displays und an der Hinterleuchtung. »Bei den modernen Smartphones ist Auflösungsqualität kein Thema mehr, aber am Desktop sind niedrig auflösende Displays immer noch verbreitet. Deshalb sollte man dort vorsichtig mit filigranen Details, zarten Serifen oder sehr starkem (klassizistischem) Strichstärkenkontrast sein«, erklärt Rausch. Auf sämtlichen Displays – außer auf E-Readern mit passiver Beleuchtung – spricht Überstrahlung durch die Hintergrundbeleuchtung ebenfalls gegen feine Details und dünne Strichstärken. »Helle Flächen überstrahlen dunklere, wobei sich ein heller Hintergrund von außen in dunkle Buchstaben frisst und die Schrift magerer erscheinen lässt – umgekehrt wirkt heller Text auf dunklem Grund fetter.«
Screen-Typo: offen statt geschlossen
Am Bildschirm gut lesbar – selbst in kleinen Größen – sind klare Serifenlose mit leicht angehobener x-Höhe. Grundsätzlich können Webfonts eine etwas höhere Laufweite vertragen. Das viele Jahre propagierte No-Go in puncto Serifenschriften im Web gilt dank verbesserter Auflösung nicht mehr. Nur in sehr kleinen Graden sollte man damit noch vorsichtig sein. Rechteckige Serifen funktionieren am Monitor übrigens besonders gut, da sie die Form des Pixelrasters aufnehmen. Bei der Beurteilung helfen Tools wie Typetester, mit denen sich eine Vorschau eines oder mehrerer Webfonts erzeugen lässt (siehe »Tools & Tipps für digitale Typografie«).
Hat man nicht mehr die freie Wahl, weil bereits ein Corporate Font existiert, sollte man schauen, ob dieser sich für digitale Medien wirklich eignet. »Wenn sich ein Unternehmen in den vergangenen Jahren zu sehr am Zeitgeist orientiert hat und von seiner Agentur eine geometrische Sans Serif oder Neogrotesk verpasst bekommen hat, dann haben längere Lesetexte ein Problem«, so Frank Rausch. »Solche Schriften haben eher geschlossene Formen. Die einzelnen Buchstaben sind wegen des konstruierten Grundprinzips untereinander oft sehr ähnlich, etwa b und d, p und q oder auch a und g. Eine gute Leseschrift hingegen braucht offene, prägnante und klar unterschiedene Formen, mit denen charakteristische Buchstabenzwischenräume entstehen. Sofern beim Corporate Design vergessen wurde, dass auch längere Texte mühelos und ermüdungsfrei gelesen werden sollen, ist die Ergänzung einer stilistisch passenden Textschrift sinnvoll.«
Frank Rausch arbeitet gerne mit Qualitätsschriften, kostenlose Fonts kommen für ihn schon deshalb nicht infrage, weil es keinen Ansprechpartner gibt, wenn man Anpassungen oder Fehlerbehebungen vornehmen möchte. »Meine Lieblingsfonts der letzten Jahre sind Novel Sans, Novel Mono, Diogenes und CamingoCode. Der aktuelle Mainstreamgeschmack ist nicht so meins – die hundertste geometrische Sans interessiert mich einfach nicht.«
Serifenlose fürs Leitsystem
Noch einmal andere Kriterien gelten für die Gestaltung von Orientierungssystemen. »Hier hat man ja mindestens zwei Ebenen: die funktionale, signaletische und die inhaltliche, ästhetisch-emotionale, die den Bezug zum Charakter der Umgebung und zur Identität des Unternehmens herstellt«, erläutert Andreas Koop von designgruppe koop. »Genau diese Parallelität versuchen wir in der Gestaltung abzubilden, nachvollziehbar und irgendwie spürbar zu machen. Insofern ist es natürlich elegant, wenn man die Hausschrift des Auftraggebers dafür verwenden kann. Aber die muss das dann auch können!«
Generell bietet sich für ein Leitsystem eher eine serifenlose Schrift an. »Das ohnehin schon Codierte, Komprimierte der Begriffe und Inhalte widerspricht in seinem Charakter der Antiqua – gut zu sehen ist das am zwar hanseatisch wirkenden, aber doch irritierenden Leitsystem des Hamburger Flughafens«, sagt Andreas Koop. Wichtig sind bei einer Leitsystemschrift auch klare, leicht erfassbare Ziffern. Und bestenfalls die Möglichkeit, aus den Buchstabenformen Elemente für Piktogramme abzuleiten. »Trotz allem darf eine solche Type natürlich auch ihre Eigenheiten haben – die Diwa von Dirk Wachowiak, die wir im Landratsamt Ostallgäu eingesetzt haben, erfüllt diese Kriterien zum Beispiel sehr gut«, erklärt Koop (siehe PAGE 06.18, Seite 70 ff.). »Was natürlich immer geht, sind Schriftsysteme wie die Thesis von Luc(as) de Groot. Derzeit arbeiten wir bei einem Projekt für ein Bauernhofmuseum mit Peter Bil’aks Fedra, allerdings modifiziert – auf der Grundlage eines Zufallsgenerators streuen wir Buchstaben in der Plakat Fraktur von Dieter Steffmann ein.«
Beim 1ten und bei mehrmaliger Betrachtung der beiden Beispiele handelt es sich wohl um “Erstlingswerke” von angehenden Design-Studenten. Es ist wohl ein verspäteter Aprilscherz!
Konnte aber nicht so recht lachen.
Antje Dohmann schreibt
Lieber Marc Oliver Künne,
das Beispiel des Hamburger Flughafens sollte lediglich zeigen, dass gelegentlich auch Serifenschriften, in diesem Fall die Sabon Antiqua, in Leitsystemen zum Einsatz kommen. Zugegeben, als Aufmacherbild für diesen Beitrag nicht so glücklich. Wir haben es ausgetauscht 🙂
Marc Oliver Künne schreibt
Liebes Page Team,
ich kann beim besten Willen und auch nach mehrmaligem Schauen und Nachdenken nicht nachvollziehen, ob – und wenn ja – warum gerade das zitierte Orientierungssystem für den Hamburger Flughafen als Positiv-Beispiel herhalten soll.
Lesbarkeit??? Textauszeichung und Bündigkeiten zur Unterstütung der Informationsgliederung ???
Durchgängige Regeln zur Groß- bzw. Kleinschreibung im Englischen ???
Zugegeben – losgelöst von seinem Kontext kann meine Bewertung nur bedingt richtig liegen, aber auch unabhängig davon sind nicht oder schlecht gelöste typografische Probleme offensichtlich.
Beim 1ten und bei mehrmaliger Betrachtung der beiden Beispiele handelt es sich wohl um “Erstlingswerke” von angehenden Design-Studenten. Es ist wohl ein verspäteter Aprilscherz!
Konnte aber nicht so recht lachen.
Lieber Marc Oliver Künne,
das Beispiel des Hamburger Flughafens sollte lediglich zeigen, dass gelegentlich auch Serifenschriften, in diesem Fall die Sabon Antiqua, in Leitsystemen zum Einsatz kommen. Zugegeben, als Aufmacherbild für diesen Beitrag nicht so glücklich. Wir haben es ausgetauscht 🙂
Liebes Page Team,
ich kann beim besten Willen und auch nach mehrmaligem Schauen und Nachdenken nicht nachvollziehen, ob – und wenn ja – warum gerade das zitierte Orientierungssystem für den Hamburger Flughafen als Positiv-Beispiel herhalten soll.
Lesbarkeit??? Textauszeichung und Bündigkeiten zur Unterstütung der Informationsgliederung ???
Durchgängige Regeln zur Groß- bzw. Kleinschreibung im Englischen ???
Zugegeben – losgelöst von seinem Kontext kann meine Bewertung nur bedingt richtig liegen, aber auch unabhängig davon sind nicht oder schlecht gelöste typografische Probleme offensichtlich.