Die Zukunft im Vorausgriff beeinflussen – PAGE 09.200 ist da!
Kann es sein, dass die Zukunft nicht in Form von Androiden, autonomen Autos und allerlei Fluggerät heranrauscht, sondern ganz leise mit Werteverschiebungen in unseren Köpfen beginnt? Und wir Designer dabei dennoch eine entscheidende Rolle spielen?
Wir verfügen über wirkmächtige Werkzeuge: über Empathie, über methodisches Know-how, über Visualisierungskompetenz. Und über den Willen, Dinge zu verändern. Ja, wir antizipieren, wir entwickeln Leitbilder und lassen dabei natürlich auch die schönen Künste nicht außer Acht. Das allerdings weniger, um in Adornos Sinne Chaos in die Ordnung zu bringen – wir versinken bereits in diesem –, sondern vielmehr, um den Weg in eine alternative Ordnung zu ebnen. So wie vielleicht ja auch Oda Jaune, als sie der »ZEIT« (Nr. 22/20) die Frage »Wie sieht die Krise aus?« mit einem Ölgemälde namens »0« erwiderte. Sie wählte die Darstellung eines Ungeborenen als Sinnbild für die Wiedergeburt einer neuen Welt und eines neuen Menschen, der in totaler Stille heranwächst, losgelöst von allem.
Zweifelsohne, wir erleben derzeit eine neue Welle von Kreativität. Aber sie kommt nicht aus dem Silicon Valley und auch nicht unmittelbar aus unseren Ideenschmieden, sondern mitten aus der Gesellschaft. Die Entwicklungen sind nicht wirklich neu, im Grunde geschieht gerade nichts, was es nicht auch schon vor Corona in Ansätzen gegeben hätte. Wirklich neu aber ist, wie grundsätzlich sich der Bewusstseinswandel vollzieht. Auch in der Wirtschaft denkt man nun über die akute Krise hinaus und ja, erkennt Design als das, was es schon immer war: eine strategische und methodische Kompetenz, die wesentlich zum Unternehmenserfolg und zur Transformation von Strukturen und Prozessen beiträgt. »Die Wirtschaft hat einen neuen Auftrag für Sie: Gestaltende Beratung«, treffender hätte es Maren Martschenko in der Unterzeile ihres Buches »Design ist mehr als schnell mal schön« gar nicht formulieren können.
Nehmen wir den Auftrag an! Besinnen wir uns auf unsere Stärken: Auch wenn wir uns aktuell noch um unsere persönliche Existenzsicherung kümmern müssen, haben die letzten Monate nicht gezeigt, was wir alles schaffen können, wenn es wirklich um etwas geht? Nutzen wir dieses Gefühl der Selbstwirksamkeit. Ein Zurück zum Weiter-so wird es nicht geben – wenn wir wollen, aber ein Zurück auf 0: um innezuhalten, Kreativität neu zu denken und kluge Visionen zu entwerfen. »Nur wer die Zukunft im Vorausgriff erfindet«, sagte schon der Zukunftsforscher Robert Jungk »kann hoffen, sie wirksam zu beeinflussen.«