Interaktiv, kinetisch, bahnbrechend – das transformative Bühnenbild von flora&faunavisions hebt Wagners »Ring des Nibelungen« ins digitale Zeitalter.
Letzten Dezember präsentierte die Berliner Digitalagentur flora&faunavisions im australischen Brisbane das faszinierende Stage Design für eine Neuinszenierung von Wagners »Bühnenfestspiel für drei Tage und einen Vorabend«.
Nun soll die moderne Adaption der klassischen Oper weltweit auf Tour gehen – eine gute Idee, denn Wagnerianer und Ringverrückte gibt es auf der Welt überall. Und außer in Australien haben sie so eine aufwendige und anspruchsvolle Kulisse wahrscheinlich noch nie voher gesehen.
Leitmotiv-Liturgie
Wagner sei so etwas wie eine Weltreligion, schrieb der Musikjournalist, Publizist und ausgewiesene Wagnerkenner Axel Brüggemann 2021 im Dossier von Crescendo. So pilgern Wagner-Jünger nicht nur alljährlich nach Bayreuth, sondern sind wahre Kosmopoliten, wenn es um seine intensiven »Musikdramen« geht.
»Eine Aufführung ist für sie nicht einfach ein Opernbesuch, sondern vielmehr ein Gottesdienst«, so Brüggemann. Kein Wunder: Wagners Musik strotzt vor eingängigen Leitmotiven und seine Sprache vor klanglich gefügigen Alliterationen – für Sprachkritiker mehr Litanei als Liturgie – aber irgendwie spirituell.
Also reisen die internationalen »Ring Nuts« – in Australien nennen sie sich »Wagner Roos« – um die ganze Welt, um jede neue Produktion des Opern-Zyklus zu sehen. Die Inszenierung ist so schwierig und teuer, dass komplette Aufführungen des Rings eher selten und entsprechd begehrt sind.
»Wahn, alles Wahn!«
So markiert zuletzt auch die 15-stündige Neu-Inszenierung unter Leitung von Dirigent Philippe Auguin und Regisseur Chen Shi-Zheng im Queensland Performing Arts Centre in Brisbane einen historischen Moment der Wagner-Rezeption. »Wir haben Wagners Meisterwerk ins digitale Zeitalter katapultiert und in ein modernes Fantasieland umgestaltet«, erklärt die verantwortliche Digital Content Designerin und Gründerin von flora&faunavisions Leigh Sachwitz.
Mit anderen Worten: sie haben den digitale Wahnsinn geschaffen; eine 15-stündige Videoanimation wie ein LSD-Trip voller surrealistischer und hypnotisierender Sequenzen, die Wagners bombastischem Gesamtkunstwerk nicht nur gerecht werden, sondern es auf ein neues, technisch höchst anspruchsvolles Level heben.
Wie im Opernzyklus gliedert sich der Content in vier Teile: ‘Das Rheingold’ (Vorabend), ‘Die Walküre’ (1. Tag), ‘Siegfried’ (2. Tag), und ‘Götterdämmerung’ (3.Tag). 34 Rollen stellt Wagner den Regisseur:innen seiner Oper zur Verfügung, hinzu kommt eine Orchesterbesetzung mit über hundert Stimmen. Aber worum geht es eigentlich?