Wir haben Designexperten nach Ihrer Meinung gefragt, die von »schrill« über »Notlösung« zu »erfreulich einzigartig« reichen …
Es wird derzeit eifrig getwittert, gebloggt und im Netz veröffentlicht. Hier geht es um das neue FDP-Logo, das sich rasant in aller Munde gebracht hat.
PAGE hat einige Experten aus der Designszene nach ihrer Meinung gefragt. Das sind die Stimmen zum neuen Logo der Freien Demokratischen Partei.
Olaf Stein, Geschäftsführender Gesellschafter,Factor Design GmbH in Hamburg:
FDP – Freie Demokratische Partei. Laut Wikipedia und neuer FDP-website heißt es ab sofort »Wir sind Freie Demokraten« oder »Freie Demokraten« oder auch beides. Auch das bereits viel diskutierte »neue Logo« steht zum sofortigen Download bereit. Basierend auf den mir vorliegenden Abbildungen – designtagebbuch.de (sehr schön aufbereitet!) – hat es den Anschein, dass es sich um eine aus der Not geborene Lösung handelt, da der Ruf nach »dem Logo« sehr laut wurde.
»Das Logo« scheint es nicht zu geben, denn auf der FDP-website sehen wir bereits eine Variante auf weißem Grund. Als Verfechter des Fluid Brandings finde ich das nicht schlimm, aber was uns die Freien Demokraten hier verkaufen wollen, erfüllt einfach nicht die Anforderungen an eine zeitgemäße Marke. Das zeigt ganz deutlich der FDP Facebook-Auftritt, wo wir das geänderte Profilbild in Form des »neuen«, in das Quadrat gequetschte Logos bewundern dürfen. Dies steht übrigens auf der FDP-website …
Die Farben: Die Freien Demokraten bleiben blau-gelb, erweitern ihr Farbspektrum aber. Das neue Logo besteht aus drei Farben: Blau, Gelb und Magenta. Blau? Es ist doch wohl Cyan. Na ja, die »Kampagnen-Motive« auf Facebook zeigen zudem deutlich einen Look, der mit der Vergangenheit völlig bricht. Ich bin gespannt, ob der Partei dieser vermeintliche oberflächliche Wandel wirklich helfen wird, denn unter authentisch verstehe ich etwas anderes.
Julia Kühne, Mitgeschäftsführerin der Designagentur Gold & Wirtschaftwunder aus Stuttgart, die unter anderem auf Corporate Design spezialisiert ist:
Die neue FDP will mit ihrem überarbeiteten CD zugleich sympathisch (»wärmer«) wirken und sich als Partei der Inhalte präsentieren. Dafür wurde zu den bestehenden Farben gelb und blau (wobei das blau heller ist als vor dem Relaunch) zusätzlich die 90er-Jahre-Farbe Magenta gewählt. Vielleicht nicht ohne Absicht die Komplementärfarbe zu grün?
In meinen Augen wirkt die Farbkombination Gelb, Blau und Magenta extrem schrill und um Aufmerksamkeit bemüht. Schade, es wäre dringend nötig in diesen hysterischen Zeiten ein wenig mehr Reflexion und inhaltliche Auseinandersetzung anzubieten und dies auch visuell deutlich zu machen.
Neben der neuen Farbigkeit fällt das neue Partei-Logo auf: jetzt horizontal ausgerichtet und mit Serifenbetonter Schrift. Dies soll wahrscheinlich dem schrillen Auftritt etwas Bodenständigkeit verschaffen. Ob man sich mit dieser Schriftwahl aber als Partei platzieren kann, die aufgeschlossen, modern und im digitalen Zeitalter angekommen sieht, scheint mir fragwürdig.
Ben Marshall, Creative Director von Landor in Hamburg:
Durch die Bank gehen deutsche Parteien eher auf Nummer sicher, wenn es um ihr Logo geht.
Eine Reihe von Buchstaben, eine Farbe, vielleicht eine Form. Kaum Symbole. Vielleicht um Missverständnissen oder gar dem Risiko, sich vom potenziellen Wähler zu entfremden, aus dem Weg zu gehen.
Die FDP hat es nun geschafft, von einem der profansten auf der sicheren Seite spielenden Akteure zu einem der Paradebeispiele zu werden. Durch cleveres Anwenden der gleichen simplen Mittel – Buchstaben, Farbe, Form – entsteht ein markantes, lebhaftes Markenzeichen, das sowohl äußerst zugänglich ist als auch erfreulich einzigartig.
Mich interessiert jedoch eher zu sehen, wie die FDP ihr neues Logo anwenden wird als es isoliert zu betrachten – denn das ist der entscheidende Erfolgsfaktor.
Die FDP wird CMY: Alle reden vom neuen Logo der FDP, vor allem die Publikumsmedien. Tatsächlich spielte ein »Logo« auf dem Dreikönigstreffen gar keine Rolle. Vielmehr hat sich die FDP umbenannt und umgefärbt. Aus »Die Liberalen« wurde »Freie Demokraten«, was durchaus in eine Zeit passt, in der jede Partei das Attribut liberal für sich beansprucht. Eine begrüßenswerte Präzisierung und Rückbesinnung.
Ganz anders sieht es bei den Farben aus. Ausgerechnet Magenta haben Parteiführung und deren Agentur Heimat als dritte »neue« Farbe hinzugenommen, wo doch jeder weiß, dass diese Farbe längst von der Telekom als ihr Eigentum beansprucht wird, was sich zuletzt sogar in Produktnamen wie MagentaEins oder MagentaMobil manifestiert. Noch dazu wurden das traditionelle Gelb und Blau so getrimmt, dass nun alle drei Farben zu 100 % den Vierfarbdruck-Grundtönen Cyan, Yellow und Magenta entsprechen.
Was will uns die Partei damit sagen. Von einer Fokussierung kann bei der Farbwahl nicht mehr die Rede sein. Ganz im Gegenteil: Indem sie ihre Elemente Hintergrund, Claim (»Freie Demokraten«) und Name (FDP) auf der Website und in Drucksachen selbst farblich durchdekliniert, demonstriert die FDP, dass sie visuell allen politischen Richtungen folgen kann. Die ersten neuen Auftritte versprühen den Charme von Testbildern oder eines Fogra-Medienkeils. Ganz das Gegenteil von einem selbstbewusstes Bekenntnis zu einem neuen Farbklima.