1 Prozent der gekauften Lebensmittel werfen wir im Durchschnitt ungenutzt in den Müll. Die Design-Studierenden Jacqueline Dietz und Matthias Flucke entwickelten an der HTW Berlin eine Kampagne, damit sich das ändert. Wir sprachen mit ihnen über ihr Projekt.
Wenn es darum geht, uns zu einer nachhaltigeren Lebensweise zu erziehen, reichen mahnende Botschaften oder Informationen in der Regel nicht aus – im Alltag sind diese oft schnell vergessen oder schwer zu beherzigen. Die beiden Design-Studierenden Jacqueline Dietz und Matthias Flucke haben an der HTW Berlin deshalb ein Projekt entwickelt, das ganz praktisch dabei hilft, bewusster mit Lebensmitteln umzugehen.
Wir sprachen mit ihnen über ihre Kampagne »Bewusst wie …«:
Was war eure Inspiration für das Projekt »Bewusst wie«?
Im Rahmen unseres Entwurfsprojekts bei Prof. Katrin Hinz haben wir uns allgemein mit Lösungsansätzen zu alltäglichen Problemen befasst. So kamen wir zwei irgendwann auf die weitverbreitete Fehlinterpretation des Mindesthaltbarkeitsdatums. Oft wird dieses nämlich mit einem Verfallsdatum gleichgesetzt und führt dazu, dass Lebensmittel frühzeitig, blindlings und vor dem eigentlichen Verfall entsorgt werden. Die Relevanz des Themas wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass knapp die Hälfte der produzierten Lebensmittel im Müll landet. Natürlich liegen die Gründe dafür nicht nur bei der Fehlinterpretation des Mindesthaltbarkeitsdatums, sondern zum Beispiel auch bei der Nahrungsmittelproduktion. Der Endverbraucher war für uns jedoch der erste Schritt, da ja nunmal jeder Mensch Konsument von Lebensmitteln ist.
Ohne den Zeigefinger zu heben, wollen wir mit unserem Projekt aufzeigen, dass Lebensmittel einen Wert haben und wir uns diesen wieder bewusst machen müssen. Eine klassische Kampagne über Plakate und Infoblätter würde unserer Meinung nach nicht die gewünschte Aufmerksamkeit erzielen. Daher entschieden wir uns dafür, die Informationen und Tipps über Produkte zu vermitteln, die im direkten Bezug zum Umgang mit Lebensmitteln stehen.
Aus welchen Elementen besteht das »Bewusst wie«-Paket?
Wir haben festgestellt, dass Lebensmittel in Privathaushalten drei ‘Bereiche’ durchlaufen. Also haben wir für jeden dieser Bereiche jeweils ein Produkt gestaltet, über das wir die entsprechenden Informationen und Anwendungstipps vermitteln wollen.
Der erste Bereich ist der Einkauf von Lebensmitteln. Hier soll ein bedruckter Einkaufsbeutel daran erinnern, dass zum Beispiel ein gut geplanter Einkauf nicht nur Müll sondern auch Geld spart.
Der zweite Bereich befasst sich mit der Lagerung von Lebensmitteln, die oft falsch oder nicht optimal ist. Hier haben wir ein Stecksystem von Lagerboxen entwickelt, welches nicht nur Informationen vermittelt, sondern auch direkte Hilfestellung zur richtigen Umsetzung gibt.
Im dritten Bereich sprechen wir den Umgang mit Lebensmitteln allgemein an und beziehen uns direkt auf den Umgang mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum. Hier haben wir drei Kühlschrankmagneten gestaltet, die in kurzen knappen Aussagen daran erinnern sollen, nicht nur auf ein gedrucktes Datum sondern eher auf die eigenen Sinne zu vertrauen.
Im Laufe des Projektes sind auch noch weitere Ideen und Entwürfe für Produkte entstanden. Es wäre also durchaus denkbar, das Paket noch auszubauen.
Wie und nach welchem Konzept habt ihr die einzelnen Elemente gestaltet?
Da der Nutzen und eine einfache Handhabung der einzelnen Produkte im Vordergrund stand, hat dies teilweise Einfluss auf die Gestaltung genommen. Die Kreisform als Symbol für den Kreislauf dient gemeinsam mit der Grundinformation – dem Anteil an weggeworfenen Lebensmitteln – als Grundelement der grafischen Gestaltung. Sie findet sich auch im Logo wieder.
Die Farbigkeit der Elemente orientiert sich am Kontrast von naturnahen Materialien und Farbtönen, zu kräftigen Farbflächen. Auch die Auswahl der Schriften basiert auf dem Kontrast von grober, selbst gemacht wirkender Optik zu fein ausgestalteten Elementen.
Im Textbereich war es wichtig, kurz und knapp wichtige Informationen zu vermitteln. Es sollte leicht fallen, die einzelnen Informationen aufzunehmen und auch getrennt vom restlichen Inhalt verstehen zu können. Die einzelnen, teilweise ungewohnt getrennten Headlines, sollen neugierig machen und zum Weiterlesen animieren.
Habt ihr Pläne, das Projekt zu realisieren, es also auf den Markt zu bringen?
Erst einmal freuen wir uns riesig, dass unser Konzept und die Umsetzungsentwürfe so gut ankommen. Über eine Realisierung haben wir uns insoweit Gedanken gemacht, dass alle Produkte leicht in Serie zu produzieren wären und eine Form und Größe besitzen, in der sie transportabel und gut anzubieten sind. Die Boxen z.B. würden zu handlicher Form gefaltet bereit stehen und sind so konstruiert, dass sie leicht und ohne umständliches Kleben oder Schneiden zusammengebaut werden können.
Trotzdem darf man nicht vergessen: Die Arbeit ist als Entwurfsprojekt entstanden. Auch wenn das Konzept ziemlich detailreich ausgearbeitet ist, fehlen doch noch ein paar Schritte bis zur professionellen Umsetzung. Auch wenn sich für uns bisher noch keine realistische Finanzierungsmöglichkeit bietet, würde uns eine Umsetzung des Projektes natürlich sehr freuen und stolz machen.
Denkt ihr, dass Design eine wichtige Rolle dabei spielen sollte, unser Leben nachhaltiger zu machen? Haben Designer die Verantwortung, dafür zu sorgen?
Designer haben das Potential und die Fähigkeit, wichtige und relevante Informationen zu vermitteln. Sie sollten sich jederzeit bewusst sein, welche Verantwortung sie damit tragen. Wir denken, dass sie diese Möglichkeiten, wann immer sich die Situation bietet, nutzen sollten, um gesellschaftsrelevante Themen, wie zum Beispiel Nachhaltigkeit, zu fördern bzw. bewusst zu machen.
Um dieses Potential voll auszunutzen ist es übrigens wichtig, dass Designer nicht erst bei der Frage zur ästhetischen Umsetzung einbezogen werden, sondern vollständig an der Konzeption beteiligt sind.