Ob Bio-Laden, Technik- oder Drogeriemarkt – überall sind Verpackungen neuen Stils zu sehen. Wir haben uns umgesehen.
Übrigens: Wer mehr übers Thema Verpackungsdesign lesen will, kann zu PAGE 11.2017 greifen. Da gibt es eine ganze Titelgeschichte zu aktuellen Entwicklungen im Packaging. Doch jetzt zu unserer Trendschau, bei der es sich übrigens nicht um irgendwelche utopisch schönen Designs handelt, die bloß auf Designblogs zu sehen sind … Alles steht wirklich im Regal (oder gibt’s online zu kaufen)!
Lifestyle Brands
Das Wichtigste vorweg: Jedes Produkt, sei es noch so schnöde, hat heute das Potential, eine Lifestyle-Marke zu werden – auch dank Verpackungsdesign. Das gilt sogar für Reinigungs- und Geschirrspülmittel, wie etwa die neue Mapa-Spontex-Marke You. Unter www.you-natuerlichstark.de heißt es dazu: »Kein Grund mehr, die Reinigungsmittel hinten im Schrank zu verstecken. Sie enthalten nicht nur 100% pflanzliche Wirkstoffe, sondern sehen auch gut aus! Lassen Sie sie ruhig auf der Spüle stehen!« Man könnte hinzufügen: »Oder fotografieren Sie sie für Instagram!«
Dekorative Muster
Statt mit den üblichen Produktfotos arbeitet modernes Packaging gern mit Mustern, ob geometrisch gekachelt oder verspielt. Ausdrücklich um für die Millenials attraktiv zu werden, ließ Häagen-Dazs jüngst sein Packaging von Love aus Manchester überarbeiten. Die Designer testeten die knapp fünfzig Sorten des Eisherstellers und entwickelten daraus Beschreibungen und Mood Boards für Kreative in aller Welt, darunter Digitalkünstler Santtu Mustonen, Textildesignerin Cassie Byrnes, Pattern-Spezialist Kustaa Saksi oder Illustratorin Marina Esmeraldo.
Technik made easy
Wie gesagt, das Packaging technischer Geräte sieht häufig aus, als hätten die Techniker es selbst gestaltet. Wie macht man gerade kompliziertere Produkte nahbar? Der Agentur Wolff Olins gelingt das beim Smart-Home-Anbieter Hive mit auffallenden Farben und einem entspannt dynamischen Design. So sieht Technik, vor der viele noch zurückschrecken, freundlich und kinderleicht aus … Es verwundert, wie wenige Techniklabels es bisher schaffen, sich auch vom Packaging her ebenso stylisch wie zugänglich zu inszenieren. Dabei hat Apple doch wahrlich vorgemacht, wie das geht.
Editorial Design
Erstaunlich wenig innovatives Packaging-Design findet man in Mediamärkten. Bestenfalls regiert schlichte Funktionalität – also Produktfoto plus technische Infos. B&O Play, die junge Marke von Bang & Olufsen, wollte emotionaler auftreten. Die Inspiration holte sich die Agentur Pearlfisher von edlen Printmagazinen à la »Kinfolk«. Eine narrative Bildsprache deutet das Erlebnis des Musikhörens an, ebenso elegant ist die Typo, die eher mit Lese- als mit Displayschriften arbeitet. Letzteres ist übrigens auch häufig bei Kosmetikmarken zu sehen, dann gerne linksbündig.
Vornehme Zurückhaltung
Bisher ging es in den Regalen eher darum, welche Verpackung lauter schreit. Von der üblichen Massenware setzen sich neue Marken gern durch einen reduzierten Look und dezente Farben ab. Um den gewünschten Premium-Appeal zu erreichen und tatsächlich als herausragend gegenüber der Konkurrenz zu wirken, muss dieser gestalterische Purismus aber gekonnt sein … Wie bei Hermann Fleischlos. Die Agentur d.signwerk aus Linz sorgte für Branding und Packaging der Marke – und setzten das Motto »Weniger ist mehr« plakativ um.
Viel versprechendes Wording
Im Drogeriemarkt geht es poetisch zu, Texter sind für die in der Packagingbranche sogenannte »romance copy« schwer gefragt. Sie nennen Duschgels »Hallo Glückstag« (»spürbar erheiternder, pflegender Duschgenuss«), versprechen »ein wolkiges Gefühl von Beschütztheit« für Schaumbäder namens »Geborgenheit« et cetera. Andere versuchen es mit Witz. Baleas neue Kosmetikreihe »Born to be lazy« ist mit einer süüüßen Faultier-Illu und der Einladung zum »lässigen Chillen« versehen. Auf der Facebook-Seite von Balea fanden die Faultier-Produkte viele Fans, manche wollten gleich das ganze Sortiment kaufen …
Kleine Kostbarkeiten
Nespresso hat vorgemacht, wie man möglichst wenig Produkt möglichst aufwändig verpackt. Mit der Marke waterdrop™, dem »ersten Microdrink der Welt«, geht Kvell aus Österreich ähnliche Wege, aber mit umweltfreundlichem Anspruch. Statt Millionen Kunststoffflaschen mit Getränken zu verbrauchen, kann man mit waterdrop™ schlichtem Wasser Superfood-Extrakte, Vitamine und Geschmack zuführen. Christoph Hermann, ehemals Mitarbeiter im Designstudio von Ross Lovegrove, gestaltete die Packung aus biologisch abbaubarem Paper Foam. Dafür gab’s sogar einen Dieline Award für »Sustainable Packaging«. Noch ökologischer wäre allerdings, etwa Zitronensaft zu benutzen …
Deplastify Your Life
Schon mal darüber nachgedacht, statt Shampoo aus der Plastikflasche einfach Haarseife zu nehmen? Die kommt nämlich mit einer Verpackung aus Papier aus und ist einer neuesten Trends beim sogenannten Plastic Detox. Tatsächlich haben immer mehr Leute keine Lust auf Plastikorgien, benutzen Seife statt Duschgel oder Waschpulver statt Flüssigwaschmittel. Das spart auch CO2, denn die unzähligen Plastikflaschen, die kreuz und quer durch Europa gekarrt werden, enthalten vor allem Wasser.
Haarseife, Deo-Steine oder Zahnputztabletten, die man zerbeißt und dann damit putzt, erweitern die Optionen. Die britische Firma Lush beweist mit fast tausend Filialen in aller Welt und knapp fünfzig in Deutschland bereits, wie erfolgreich solche Produkte sein können. Nach eigenen Angaben hat Lush, die einen ziemlich schrillen Auftritt pflegt, nur durch ihre Haarseifen schon sechs Millionen Shampoo-Flaschen überflüssig gemacht. Jetzt ziehen kleine hiesige Hersteller nach, ihre Produkte sind oft noch – nicht sonderlich nachhaltig – nur online bei Anbietern wie www.zerowasteladen.de oder www.natural-and-pure-solids.de zu haben.
Besonders charmant geht Lamazuna aus Frankreich das Thema Müllvermeidung an. Der Name bedeutet auf Georgisch junges, schönes Mädchen. Das Packaging zieren Pflanzenmuster im Retro-Look, worunter sich Elemente mischen, die auf den Inhalt hindeuten. Wie hier bei der Zahnpasta am Stiel. Diese funktioniert übrigens ganz einfach: Zahnbürste anfeuchten, über den Zahnpastablock streichen und wie gewohnt putzen.
Von allen Trends, die wir hier vorgestellt haben, ist dieser wohl der revolutionärste – und eigentlich simpelste. Es wäre nichts dagegen einzuwenden, wenn Mainstream-Kosmetikhersteller auf den Zug aufspringen.
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Eine spannende Übersicht, die mir viel Inspiration und Eindrücke über aktuelle Trends gibt. Besonders interessant ist es zu sehen, welche verschiedenen Trends sich durchzusetzen scheinen. Mein persönlicher Favorit in der Übersicht ist das Design von Hive. Es sprüht gerade so vor Dynamik und wirkt durch die verwendeten Farben sehr frisch und eben dynamisch. Im Gegensatz dazu ist der Entwurf vom d.signwerk aus Linz eher schlicht und zielt wie angesprochen auf das Premiumsegment ab. Hier fasziniert mich besonders die Schlichheit des Designs. Trotzdem zieht es meine Aufmerksamkeit auf sich. Das habe ich in ähnlicher Form bis jetzt nur hier bei diesen Briefhüllen gesehen (brief-huellen.de/kuvertierumschlaege). Dass das Wording auch einen großen Beitrag zum Design leistet, zeigt das Beispiel der Drogeriekette. Der Slogan passt gut zum Produkt und Design, auch wenn es mich persönlich nicht zu stark anspricht. Die Zielgruppe tut es aber auf jeden Fall.