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Talents in der Selbstständigkeit: »Gründen ist immer Stress. Aber es eröffnet auch Freiräume«

Wie Luis Klemt und Felix Bahr Schritt für Schritt in die Selbstständigkeit starten und warum sie mit Büro Bobr auf flexible Arbeitsstrukturen setzen

zwei junge Männer sitzen auf einer Treppe vor roten fliesen und schauen mit witzigen grimmasen in die Kamera
links: Felix Bahr | rechts: Luis Klemt | Bild: Kendra Schlegel Bild: Felix Bahr

Die Idee für die eigene Agentur entstand schon im ersten gemeinsamen Studien-Projekt. Sechs Jahre später ließen Felix Bahr und Luis Klemt sie mit einem Namen aus dem viralen Bobr-Meme, viel gemeinsamer Projekterfahrung aus dem Studium und Schwerpunkt auf digitalem Design, digitalen Produkten und generativer KI Realität werden.

Werdegang: vom Berufskolleg zum Master

Felix (25) und Luis (27) lernten sich 2018 im ersten Semester Kommunikationdesign an der HTWG Konstanz kennen. Luis hatte zu dem Zeitpunkt bereits eine Ausbildung zum staatlich geprüften Grafikdesigner und über ein Jahr Berufserfahrung hinter sich. Heute ist er in den letzten Zügen seines Masters an der HTWG.

Für Felix ging es nach dem Bachelor weiter in Richtung Informatik – schon im Studium spezialisierte er sich auf Creative Engineering. Trotz – oder vielleicht gerade wegen – der verschiedenen Werdegänge haben die beiden beschlossen, sich zusammen selbstständig zu machen.

»Die Grafikdesignausbildung hat mir nicht gereicht. Ich wollte mehr über Konzeption kompletter Projekte wissen, und nicht nur Teile der Umsetzung«

Luis Klemt, Creative Direction Büro Bobr, Konstanz

 

Designstudium: Workflows testen

Ihre Rollenverteilung haben sie bereits im Studium gefunden und an zahlreichen gemeinsamen Projekten erprobt. Heute wissen sie, wie sie effektiv zusammenarbeiten und welche Schwerpunkte ihnen liegen.

Die Skills im Projektmanagement dagegen stammen aus ihren Praxiserfahrungen: Luis´Ausbildung und ersten Jobs, dem Praxissemester im Studium, Nebenjobs und ersten Freelance-Projekten.

»Das Studium erlaubt mit seiner offenen Struktur, sich auszuprobieren«, so Felix. »Systematische Projektplanung weicht dabei aber oft dem Perfektionismus – und verleitet so zur Prokrastination bis zur letzten Minute. Das macht das Studium oft stressiger, als es sein müsste.«

Für Luis ist das aber völlig in Ordnung: »Ein Studium ist Erwachsenenbildung. Man muss es auch selbst in die Hand nehmen.« So haben beide gelernt, sich selbst zu organisieren und im Bachelor-Studium ihre eigenen Schwerpunkte gefunden, die sich heute perfekt in einer Mischung aus klassischem Kommunikationsdesign und Programmier-Skills ergänzen.

ein Plakat für die Werkschau an der HTWG Konstanz
An der Werkschau-Identity für das Sommersemester arbeiteten Luis und Felix über einen längeren Zeitraum zusammen mit David Maas (3D) und Lara Böhm (Konzept & Design). Luis vertiefte seine Skills im 3D-Modelling, Projektmanagement und Design, Felix verwirklichte sich an der Website, die das Kommunikationsdesign-Gebäude als 3D-Raum im Netz erlebbar machte

»Die offene Struktur im Studium erlaubt, sich auszuprobieren, verleitet Perfektionist:innen aber auch oft zur Prokrastination«

Felix Bahr, Technical Lead Büro Bobr, Konstanz

Praxis: Agenturstrukturen engen ein

Aus dem Studium und ihren gesammelten Joberfahrungen nehmen Luis und Felix einige Ideen mit, wie sie ihre eigene Zukunft gestalten wollen. Besonders Flexibilität ist ihnen in ihrem Arbeitsleben wichtig: »Eine starre 40-Stunden-Woche ist meiner Meinung nach nicht geeignet, um kreativ zu arbeiten«, so Felix. »Ich begrüße in der Branche jeden Schritt weg von der Hustle Culture und hin zu Arbeitskonzepten, die der Kreativität mehr Freiraum lassen.«

Luis hat mit flexibleren Strukturen bereits positiven Erfahrungen gemacht, und ist überzeugt von neuen Arbeitsmodellen: »Remote Work und Konzepte, wie zum Beispiel unbegrenzte Urlaubstage haben dafür gesorgt, dass ich auch während des Studiums weiter Arbeiten konnte.«

ein handy zeigt eine offene app mit grünem Hintergrund

»Ich begrüße in der Branche jeden Schritt weg von der Hustle Culture«

Felix Bahr, Technical Lead Büro Bobr, Konstanz

Berufseinstieg: Selbstständigkeit zusammen meistern

Mit diesen Anforderungen an ihre künftige Arbeitsstruktur begannen Felix und Luis in einer gemeinsamen Mindmap zu planen, wie ihre Zukunft aussehen sollte.

Klar war: sie wollen der Selbstständigkeit eine Chance geben, aber sich vorsichtig herantasten. Dabei versuchen sie, den Druck herauszunehmen und sich Zeit zu geben, immer wieder zu evaluieren, wo sie stehen.

So starteten sie Anfang 2024 während Luis noch studiert und Felix einen festen Job als Software Developer bei der Software-Agentur user generated design GmbH in Konstanz hat, ihrem Netzwerk von Büro Bobr zu erzählen und Projekte aus dem Studium zu posten.

 

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Hinter dem Namen des frisch gegründeten Büros verbirgt sich ein Internet-Insider. Das virale Bobr Meme ist bis heute ein Beispiel für Humor, der sich nur Leuten eröffnet, die sich tiefer mit dem Internet und verschiedenen Digitaltrends beschäftigen. Und nach langer Überlegung haben Felix und Luis beschlossen, dass die Anspielung auf ein Meme genau die richtige Botschaft sendet: Büro Bobr ist jung, digital und auch mal für einen Lacher zu haben.

»Selbstständigkeit ist immer Stress. Aber zu zweit geht es leichter«

Luis Klemt, Creative Direction Büro Bobr, Konstanz

Zukunft: langsam wachsen und weiter lernen

Nach einem halben Jahr gemeinsamer Selbstständigkeit zieht Büro Bobr Bilanz. Davon leben können die beiden Kreativen noch nicht – doch sie wollen definitiv weitermachen, denn ihr erstes gemeinsames Projekt war ein voller Erfolg.

Dabei haben sie für den Zerspanungsbetrieb Huber Maschinenbauteile eine Identity und Website entwickelt – mit moderner und günstiger Open-Source-Software und schlicht elegantem User-Interface.

»Am Anfang braucht es viel Vitamin B und Vertrauen von Freunden und Bekannten, um an Aufträge zu kommen«, erklärt Luis. Außerdem hilft den beiden das langjährige Netzwerk aus Kreativen in Konstanz und über die Hochschule, die sie momentan als Coworking-Space nutzen.

In Zukunft könnten sie sich aber vorstellen, weiter zu wachsen und – wenn alles glattläuft – auch das Team zu erweitern. Wichtig ist ihnen dabei, die Freiheit zu behalten – schließlich will Felix vielleicht noch einen Master draufsetzen und alle beide würde gerne mal in die Hochschullehre, da diese den Raum bietet, weiterhin explorativ zu arbeiten, zu forschen und ihre Erfahrungen weiterzugeben.

ein aufgeklappter Laptop mit einem blauen fräseteil eine Nahaufnahme eines fräsegeräts in schwarz weißBild: Felix Bahr ein Handy Mockup mit einem blauen fräseteil und schlichter, großer Typo

Büro Bobr, was muss sich in der Brache ändern?

Liebe Talents, es muss nicht immer die große Agentur sein. Oft findet ihr die Spezialisierung eher in kleinen Teams, und wenn ihr euch komplett selbst verwirklichen wollt, traut euch einfach und gründet – aber baut euch vorher ein Netzwerk auf, findet eure Verbündeten und denkt dran, dass ihr nicht alles allein machen müsst.

Liebe Agenturen, wenn junge Kreative mit einem Hochschulabschluss zu euch kommen, haben sie wirklich etwas auf dem Kasten. Setzt sie entsprechen ein, fördert sie und bezahlt sie auch so – dann können sie alles Neue, was sie im Studium ausprobiert und getestet haben auch bei euch implementieren.

Liebe Hochschulen, ein paar mehr Reality-Checks im Studium würden den Studierenden dabei helfen, nicht ganz blauäugig in die Branche zu gehen. Mehr Projektstruktur, regelmäßige Feedbacks und ja – auch etwas strengere Bewertung wären eine gute Vorbereitung auf den Praxisalltag.

zwei junge Männer sitzen auf einer Treppe vor roten fliesen und schauen ernst in die kameraBild: Kendra Schlegel

Website: bobr.digital

LinkedIn: Felix Bahr | Luis Klemt | Büro Bobr

Instagram: @buro.bobr

Dieser Beitrag ist erstmals am 19. Juli 2024 erschienen. 

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