Interview: Job-Chancen für Generalist:innen und Neugierige
Wir sprechen mit den Geschäftsführern der Kreativpersonal-Vermittlung Designerdock über kreative Jobs und Skills, die gerade besonders gefragt sind
Thomas Zich, Geschäftsführer DESIGNERDOCK, Düsseldorf und Hamburg
Welche Kompetenzen sind denn gerade besonders gefragt?
Alexander Haase: Das ist im Design immer schwer zu definieren, da sich die gefragten Skills je nach konkretem Umfeld stark unterscheiden, auch wenn die Jobbezeichnung dieselbe ist. Zwei Mitarbeitende mit dem Titel Art Director machen eventuell zwei völlig unterschiedliche Jobs.
Übergreifend beschäftigen natürlich die Digitalisierung und technologische Entwicklung – KI, Metaverse, AR und VR – alle Arbeitgeber. Außerdem richten sich die Skills nun vielmehr nach den verschiedenen Ausgabemedien und Kommunikationskanälen, die es zu gestalten gilt. Dazu gehören Social-Media-Kompetenzen und konzeptionelle oder strategische Stärken.
In Unternehmen werden oft Kreative für die Lösung eines spezifischen Problems gesucht. Da fehlt aber meistens die Kenntnis der Designbranche, um genau zu benennen, welche Skills und Jobprofile dafür infrage kämen. Wir bei Designerdock steuern dann manchmal noch nach und formulieren ein konkreteres Profil. Meistens stellt sich dabei heraus, dass hochspezialisierte Fachkräfte gefragt sind.
In kleinen und mittelgroßen Agenturen wird von Kreativen dagegen erwartet, immer universellere Aufgaben zu übernehmen. Da kommt dann zum Webdesign auch mal Texten und SEO, zur Artdirektion verschiedene Marketingaufgaben und eine möglichst breite Palette an technischen Skills und Programmen.
Job-Skills: KI und Gen Z
Sind bereits auch KI-Skills gefordert?
Alexander Haase: Nein, so direkt formuliert wird es bisher eher selten. Aber wenn wir mit Kandidat:innen sprechen, fragen wir ihre Erfahrungen mit KI-Tools ab und versuchen einzuschätzen, wo sie gerade stehen. In ein bis zwei Jahren wird es aber sicher Standard sein, dass in Jobbeschreibungen Midjourney oder Stable Diffusion genauso drinstehen wie die Creative Cloud.
KI wächst rapide und ist erst einmal sehr beeindruckend. Es ist aber zu früh, sich jetzt schon voll darauf zu spezialisieren. Denn man darf nicht vergessen, dass die Substanz, die Qualität immer noch von klassisch ausgebildeten Kreativen geschaffen wird. Und die brauchen wir auch weiterhin.
Generell würden wir Agenturen und Unternehmen raten, das Thema etwas unaufgeregter anzugehen. KI ist zum jetzigen Zeitpunkt weder das Problem, das viele befürchten, noch die Lösung, die sich manche erhoffen. Wir erleben gerade sehr viel Hype, der nicht zuletzt von den KI-Firmen selbst mit immer vollmundigeren Ankündigungen befeuert wird, weil natürlich niemand auf diesem Zukunftsmarkt schlecht dastehen will. Im Arbeitsalltag geht es jetzt aber vielmehr darum, die Mitarbeitenden ganz pragmatisch an die Hand zu nehmen, zu schulen und ihnen die Fähigkeiten an die Hand zu geben, um mit den neuen Tools umzugehen.
KI wächst rapide und ist erst einmal sehr beeindruckend. Es ist aber zu früh, sich jetzt schon voll darauf zu spezialisieren. Denn man darf nicht vergessen, dass die Substanz, die Qualität immer noch von klassisch ausgebildeten Kreativen geschaffen wird. Und die brauchen wir auch weiterhin.
Alexander Haase, Geschäftsführer Designerdock, Frankfurt und Stuttgart
Fachkräftemangel in der Kreativbranche
Gibt es auch in der Kreativbranche Fachkräftemangel?
Thomas Zich: Ein Problem, dem viele Arbeitgeber:innen aus der Kreativbranche begegnen ist momentan, dass eine sehr kleine Gruppe Nachwuchskreativer eine verhältnismäßig große Gruppe an Seniors ersetzen soll. Gleichzeitig wird der Designjob immer vielfältiger und es gibt unzählige kleine, spezialisierte Agenturen. Die jungen Kreativen suchen sich da natürlich die attraktivsten aus. Und das ist dann eventuell eben nicht mehr die Agentur, in der man sieben Tage die Woche rund um die Uhr arbeitet.
Generell wird sich die Kreativbranche mit ihren Konditionen und der Organisation von Arbeit auf die Anforderungen der Gen Z weiter einstellen müssen, um als Arbeitgeber attraktiv zu bleiben. Wer da nicht mitgeht, wird es schwer haben, Fachkräfte für sich zu gewinnen.
Welche Bereiche wachsen, welche verschwinden oder ändern sich?
Alexander Haase: Was verschwinden wird? Die Antwort war in der Regel: Print. Print ist aber immer noch da – und gerade junge Kreative finden es zunehmend spannend, mit nicht digitalen Medien zu experimentieren, analoge Druckprozesse und Ästhetiken wiederzubeleben. Prognosen bleiben also schwierig. Ansonsten gilt: Alle Bereiche ändern sich. Immer.
Thomas Zich: Der Bereich der Bildbearbeitung generell hat in Deutschland kaum Bestand. Dieser wird schon seit einiger Zeit ausgelagert in Ländern mit günstigen Löhnen, und hier ist die KI auch heute schon eine wichtige Stütze.
Schwierig wird es auch für Kreative im Zeitungswesen, in Redaktionen und im Produktdesign. Satz und Layout wird heute schon oft KI-gestützt »produziert«. Durch die Verlagerung von Messen in den digitalen Raum wurden in den letzten Jahren im Bereich Live-Kommunikation auch weniger Stellen angeboten, das scheint sich gerade aber wieder auszugleichen.
Gute Entwicklungen gibt es im Bereich Packaging Design. Dafür bauen Agenturen momentan auch eigene Units aus. Und alles, was mit Social Media, digitalem Marketing und Branding zu tun hat, ist stark gefragt. TikTok wird jetzt Mainstream, auch Herr Scholz macht mit. Die Frage wird sein, was kommt als Nächstes und wer ist dann dabei.
Generalistisch aufgestellte Kreative sind dabei im Vorteil. Spezialisierungen sind meist nur on top gewünscht, denn die Grundlagen müssen einfach stimmen, damit man mit neuen Tools oder in spezifischen Bereichen erfolgreich sein kann.
Alexander Haase, Geschäftsführer Designerdock, Frankfurt und Stuttgart
Was würdet ihr Kreativen also jetzt für ihre Weiterentwicklung raten?
Alexander Haase: Dasselbe wie immer: Sucht euch das aus, was euch wirklich interessiert und begeistert. Jetzt ist auch ein guter Zeitpunkt für Neues, denn im Moment ist alles in der Branche im Fluss – und sowohl Freelance, als auch in Unternehmen tun sich bald wegen des Generationenwechsels neue Möglichkeiten auf. Auch die aktuelle Agentur kann Chancen bereithalten, denn mit dem Wandel wird es auch dort neue Kompetenzen brauchen.
Offenheit und Neugier sind dabei immer wertvolle Skills, und man muss sich auch darüber bewusst werden, dass Design niemals der Job sein wird, in dem man irgendwann aufhört zu lernen. Wir üben einen wundervollen Beruf aus, der sich rapide wandelt. Und nur wer dranbleibt, kann auch auf Dauer erfolgreich sein.
Generalistisch aufgestellte Kreative sind dabei im Vorteil. Spezialisierungen sind meist nur on top gewünscht, denn die Grundlagen müssen einfach stimmen, damit man mit neuen Tools oder in spezifischen Bereichen erfolgreich sein kann.
Wichtig ist, dass Kreative das große Ganze nicht aus den Augen verlieren: Was ist eigentlich gute Kommunikation? Wie funktionieren Marken in der aktuellen gesellschaftlichen, ökologischen und wirtschaftlichen Entwicklung? Und wie kann ich mich als Kreative oder Kreativer aufstellen, um diese Bedürfnisse zu bedienen?
Das kann im Tagesrauschen des Agenturlebens schnell untergehen oder standardisierten Prozessen zum Opfer fallen. Und genau hier ist es wichtig, dass Kreative sich darauf besinnen, was eigentlich ihr Job ist – und der bleibt derselbe – unabhängig von den jeweils aktuellen Tools.
Dieser Beitrag ist erstmals am 22. Mai 2024 erschienen.