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Radical AI Design

Exzellentem Design wohnt kritisches Bewusstsein inne. 50 Jahre nach Mendini revolutioniert KI die Branche und wird von Kreativen gebändigt

featuring a gorilla beating its chest tattooed in red with the words “Radical AI Design” embodied
Die neue Referenzfunktion –cref von Midjourney haben wir an Mendinis Gorilla getetstet.

Die Meinungen zu KI sind zahlreich, komplex und vielschichtig – mal ignorant, mal dystopisch, mal überschwänglich, je nach Kontext und Anwendungsfall. Die Hauptsache ist, dass es einen breiten gesellschaftlichen Diskurs gibt, an dem sich Designer:innen aktiv und verantwortlich beteiligen.

So las ich in einem Newsletter der Digitalagentur Resn aus Neuseeland vor einigen Monaten die lustige Formulierung Schrödingers KI, weil sie uns gleichzeitig die Jobs stiehlt und neue erschafft. Der Verfasser betonte den allgegenwärtigen Einfluss von KI auf die Gesellschaft und wunderte sich damals darüber, dass kaum jemand danach fragte, wie Kreativagenturen KI nutzen.

PAGE berichtet spätestens seit 2018 über generative KI und ihr Potenzial in der Kreation und in Agenturen. In Deutschland zeigen innovative Designer wie Christian Mio Loclair, Sebastian Zimmerhackl, Mario Klingemann, Tim Rodenbröker oder Klaas Bollhöfer bereits seit vielen Jahren, wie man Daten und Machine Learning für kreative Kampagnen nutzt und auch bei den Kollegen von Resn auf der anderen Seite des Erdballs ist KI nichts Neues.

Impuls: Doing KI

Analyse: Radical AI Design | Interview: KI-Recht | Geschäftsmodell: Untertitel, die Emotionen zeigen |  KI in Motion: Identity für kultur{}botschaft | Workflow: Art Direktion mit KI | Making-Of: Journee AI Lens | PAGE Umfrage: Doing KI

KI in Deutschlands Agenturen

Neu sind die Zahlen der GWA zur Implementierung von KI in Deutschlands größten Kommunikationsagenturen: demnach verwenden alle der über 100 befragten Geschäftsführer:innen bereits regelmäßig ChatGPT. Aber auch Midjourney ist bei fast 90 Prozent regelmäßig im Einsatz. Noch deutlich seltener werden laut GWA Frühjahrsmonitor Modelle wie DALL E, Stable Diffusion oder BARD genutzt.

Zwei Diagramme aus dem GWA Frühjahrsmonitor 2024.
Der GWA Frühjahrsmonitor 2024 enthält aktuelle Umfrageergebnisse zum Sonderthema KI. Unter anderem zum Einfluss auf Arbeitsprozesse und die verschiedenen Arbeitsbereiche. Kreative sind in Agenturen am stärksten vom KI-Trend betroffen.

Bei einem Drittel der Agenturen verändern sich dadurch alle Arbeitsprozesse, bei einem weiteren Drittel nur einige Bereiche, allen voran die Kreation. Aber auch bei der Umsetzung von Kampagnen, in der IT und im Personalbereich macht sich der Einsatz von KI bemerkbar. Nur bei einem Drittel der Agenturen hat KI bisher keinen Einfluss auf die Prozesse. Es gibt offenbar Player im Markt, die sich vom technologischen Fortschritt nicht verrückt machen lassen wollen und jeder Veränderung trotzen.

Schöpferische Zerstörung

Ihre Vorbehalte sind nicht grundlos: generative KI kann uns im großen, unbekannten Maß schaden. Wir sehen, wie Midjourney und Co. gesellschaftliche Vorurteile verstärken und von politischen Akteuren perfide für die Produktion von Fakenews genutzt werden. Das Risiko durch manipulative Prompt-Injection bei LLMs bei der Verwendung ihrer APIs ist für viele Agenturen kaum abzuschätzen.

 

Außerdem stehen Fragen zu Urheberrecht, Authentizität und künstlerischer Integrität noch kaum beantwortet im Raum. Auf kreativer Ebene erreichen Tools wie Midjourney oder Stable Diffusion längst noch nicht die hohe Qualität, die menschliche Kreativität erreichen kann. Bildwissenschaftler sprechen eher von Imitation, Mittelmäßigkeit und Mainstream.

Darüber hinaus kommen fast wöchentlich neue Tools oder Features heraus, die besser sind als die vorherigen. Kreative müssen permanent ihre Technologie-Stacks prüfen und hinterfragen. Das macht es nicht einfacher, aber im Sinne von Schrumpeters schöpferischen Zerstörung absolut interessant. Der Disruptor hat die Branche erfasst und wer sich nicht anpasst, bleibt auf der Strecke.

Screenshot Sora OpenAI Person in Raumanzug auf Planetenoberfläche. Wolken im Hintergrund, blauer Himmel.
Widen your horizons: In dieser Open.AI Demo des text-to-video models Sora wandert eine Person im Raumanzug auf einer Salzwüste richtung blue sky. Über neue Tools im Bereich KI berichten wir bei PAGE in der Rubrik Tools & Technik. Bild: Screenshot Sora-Demo Open.ai

Kreative Potentiale

Denn KI hat neben all ihren schlechten Einsatzmöglichkeiten und Schwächen das Potential, Agenturen mehr Zeit und Ressourcen zu verschaffen. Indem sie repetitive Aufgaben wie Dateneingabe, Berichtserstellung oder A/B-Tests übernimmt, bei der Texterstellung, Video- und Audioproduktion unterstützt oder Datenanalyse liefert, verschlankt sie alltägliche Prozesse und steigert die Effizienz. Das bedeutet nicht, dass Kreativen nun weniger arbeiten, sondern zielgerichteter, genauer und anspruchsvoller.

Während Idee und Konzeption von Kampagnen und Produkten weiterhin den Menschen obliegt, berichten uns Kreative immer wieder davon, wie sie Kunden mit KI generierten Visuals schneller und einfacher überzeugen, wie ChatGPT ihnen hilft Code zu schreiben oder komplexe KI-Paper zu verstehen. Es geht aber weniger darum, jeden technischen Aspekt von Machine Learning im Detail zu begreifen, als darum das Potential von generativer KI im Schaffensprozess zu nutzen.

Kollege KI

Die Kreativbranche wird weiterhin Texter, digitale Künstler und Entwickler brauchen, aber sie braucht besonders KI-Kompetenz. Große Agenturen wie die Peter Schmidt Group, Jung von Matt oder Mutabor haben längst KI-Trainingsprogramme und Schulungen für ihre Mitarbeiter ausgerollt, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Für die gesamte Kreativbranche wird es langfristig darum gehen, einen Platz für KI innerhalb der eigenen Ausrichtung, Arbeitskultur und Struktur zu finden. KI wird als Kollege und Kollaborationspartner dienen. Dazu haben Prof. Peter Kabel und Nina Haller in ihrem KI-Whitepaper letztes Jahr eine interessante und ziemlich wahrscheinliche These aufgestellt:

»Je kollaborativer die angewandten KI-Systeme und je nahtloser die Interaktion von Mensch und Maschine, desto erfolgreicher ist das Agenturmodell.«

Und wie sich zeigt, sind nach Chatbots wie ChatGPT inzwischen KI-Agenten auf dem Vormarsch. Sie generieren nicht nur neue Inhalte, sondern lösen selbstlernend komplexe Aufgaben, beispielsweise das Entwickeln oder Bedienen von Apps, wie Cognition-Labs mit Devin oder Jesse Lyu mit dem rabbit r1 kürzlich demonstrierten.

Radical AI Design

In diesem Sinne haben wir das Titelbild dieses Beitrags – eine Hommage an den italienischen Designer Alessandro Mendini – mit verschiedenen KIs generiert. Sein Cover für das Magazin Casabella wurde zum Sinnbild für das »Radical Design«, eine der wichtigsten Avantgardebewegungen in der Designgeschichte. Eine Bewegung, die kritisches Design-Denken proklamierte und sich von Architektur über Grafik bis Produktdesign erstreckte.

ChatGPT und DALL-E, die KI-Revolution im Design hat der 2019 verstorbene Mendini nicht mehr erlebt. Ob er sie begrüßt oder abgelehnt hätte, wissen wir nicht. Aber so wie das wilde Biest des italienischen Designs Anfang der 70er, ist auch generative KI längst im Begriff von Kreativen gebändigt zu werden. Und darum dreht sich alles in unserem Impuls No.1.

Nicht Reglementierung und Ablehnung, sondern Bildung ist der beste Weg nach vorn: solange wir bei der Interaktion mit KI-Technologien kritisch denken, Informationen überprüfen und ethisch verantwortungsbewusste Entscheidungen treffen, kann sie uns nicht so schnell gefährlich werden. Bleiben wir neugierig, hinterfragen die Hypes und designen schöne Dinge!

Dieser Beitrag wurde erstmals am 4. April veröffentlicht. 

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