Radical AI Design
Exzellentem Design wohnt kritisches Bewusstsein inne. 50 Jahre nach Mendini revolutioniert KI die Branche und wird von Kreativen gebändigt
Außerdem stehen Fragen zu Urheberrecht, Authentizität und künstlerischer Integrität noch kaum beantwortet im Raum. Auf kreativer Ebene erreichen Tools wie Midjourney oder Stable Diffusion längst noch nicht die hohe Qualität, die menschliche Kreativität erreichen kann. Bildwissenschaftler sprechen eher von Imitation, Mittelmäßigkeit und Mainstream.
Darüber hinaus kommen fast wöchentlich neue Tools oder Features heraus, die besser sind als die vorherigen. Kreative müssen permanent ihre Technologie-Stacks prüfen und hinterfragen. Das macht es nicht einfacher, aber im Sinne von Schrumpeters schöpferischen Zerstörung absolut interessant. Der Disruptor hat die Branche erfasst und wer sich nicht anpasst, bleibt auf der Strecke.

Kreative Potentiale
Denn KI hat neben all ihren schlechten Einsatzmöglichkeiten und Schwächen das Potential, Agenturen mehr Zeit und Ressourcen zu verschaffen. Indem sie repetitive Aufgaben wie Dateneingabe, Berichtserstellung oder A/B-Tests übernimmt, bei der Texterstellung, Video- und Audioproduktion unterstützt oder Datenanalyse liefert, verschlankt sie alltägliche Prozesse und steigert die Effizienz. Das bedeutet nicht, dass Kreativen nun weniger arbeiten, sondern zielgerichteter, genauer und anspruchsvoller.
Während Idee und Konzeption von Kampagnen und Produkten weiterhin den Menschen obliegt, berichten uns Kreative immer wieder davon, wie sie Kunden mit KI generierten Visuals schneller und einfacher überzeugen, wie ChatGPT ihnen hilft Code zu schreiben oder komplexe KI-Paper zu verstehen. Es geht aber weniger darum, jeden technischen Aspekt von Machine Learning im Detail zu begreifen, als darum das Potential von generativer KI im Schaffensprozess zu nutzen.
Kollege KI
Die Kreativbranche wird weiterhin Texter, digitale Künstler und Entwickler brauchen, aber sie braucht besonders KI-Kompetenz. Große Agenturen wie die Peter Schmidt Group, Jung von Matt oder Mutabor haben längst KI-Trainingsprogramme und Schulungen für ihre Mitarbeiter ausgerollt, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Für die gesamte Kreativbranche wird es langfristig darum gehen, einen Platz für KI innerhalb der eigenen Ausrichtung, Arbeitskultur und Struktur zu finden. KI wird als Kollege und Kollaborationspartner dienen. Dazu haben Prof. Peter Kabel und Nina Haller in ihrem KI-Whitepaper letztes Jahr eine interessante und ziemlich wahrscheinliche These aufgestellt:
»Je kollaborativer die angewandten KI-Systeme und je nahtloser die Interaktion von Mensch und Maschine, desto erfolgreicher ist das Agenturmodell.«
Und wie sich zeigt, sind nach Chatbots wie ChatGPT inzwischen KI-Agenten auf dem Vormarsch. Sie generieren nicht nur neue Inhalte, sondern lösen selbstlernend komplexe Aufgaben, beispielsweise das Entwickeln oder Bedienen von Apps, wie Cognition-Labs mit Devin oder Jesse Lyu mit dem rabbit r1 kürzlich demonstrierten.
Radical AI Design
In diesem Sinne haben wir das Titelbild dieses Beitrags – eine Hommage an den italienischen Designer Alessandro Mendini – mit verschiedenen KIs generiert. Sein Cover für das Magazin Casabella wurde zum Sinnbild für das »Radical Design«, eine der wichtigsten Avantgardebewegungen in der Designgeschichte. Eine Bewegung, die kritisches Design-Denken proklamierte und sich von Architektur über Grafik bis Produktdesign erstreckte.
ChatGPT und DALL-E, die KI-Revolution im Design hat der 2019 verstorbene Mendini nicht mehr erlebt. Ob er sie begrüßt oder abgelehnt hätte, wissen wir nicht. Aber so wie das wilde Biest des italienischen Designs Anfang der 70er, ist auch generative KI längst im Begriff von Kreativen gebändigt zu werden. Und darum dreht sich alles in unserem Impuls No.1.
Nicht Reglementierung und Ablehnung, sondern Bildung ist der beste Weg nach vorn: solange wir bei der Interaktion mit KI-Technologien kritisch denken, Informationen überprüfen und ethisch verantwortungsbewusste Entscheidungen treffen, kann sie uns nicht so schnell gefährlich werden. Bleiben wir neugierig, hinterfragen die Hypes und designen schöne Dinge!
Dieser Beitrag wurde erstmals am 4. April veröffentlicht.



