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Workflow: Art Direktion mit KI

Midjourney, Stable Diffusion, ChatGPT – welche Tools kommen im Designalltag wirklich zum Einsatz? Artdirektorin Stephany Schlappkohl zeigt uns ihren Workflow – und wann sie lieber auf KI verzichtet

Stephany Schlappkohl ist Art Direktorin bei David+Martin München. Die gebürtige Kolumbianerin fühlt sich mittlerweile in den neuen KI-Tools zu Hause und nutzt Midjourney und Co, um ihre Ideen aus dem Kopf »zu Papier« zu bringen.

Die Kreativen der Werbeagentur David+Martin waren unter den ersten deutschen Designer:innen, die KI-generierten Output in kommerziellen Projekten einsetzten und gemeinsam den Umgang mit den neuen Tools trainierten. Heute weist jedoch nur noch ein Bruchteil der finalen Arbeiten die gehypte KI-Ästhetik auf.

KI: Nur ein weiteres Tool?

Das liegt vor allem an einem Umdenken innerhalb der Agentur: Denn schon während der ersten Trendwelle hat das Team von David+Martin gelernt, mit den KI-Tools umzugehen und ihren Nutzen zu evaluieren – und der liegt nicht im Output, sondern im Prozess.

Die Münchner Art Direktorin Stephany Schlappkohl experimentiert bereits seit 2022 mit KI. Sie nimmt uns mit in ihren Workflow für die Art Direktion von Werbe-Clips und zeigt ihre meistgenutzten Tools und Hacks – und wann sie lieber auf traditionelle Designprogramme setzt.

Impuls: Doing KI

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KI wird für sie dabei mehr und mehr zum Alltag: »Durch das intensive KI-Training bei David+Martin weiß ich intuitiv, wann KI mich effizienter macht und wann gängige Tools schneller zum Ergebnis führen«, so Stephany. »KI steht für mich jetzt auf derselben Ebene wie Photoshop oder Illustrator. Aber um diesen Punkt zu erreichen, musste ich erst die Technologie beherrschen.«

 

Manchmal muss man die verrückten Ideen einfach sehen, um zu wissen, ob sie funktionieren. Für Rauch Eistee – einer der wenigen Kunden, für die David+Martin mit KI-generiertem Output arbeitet – promptete Stephany eine ganze Welt aus Zitronen mit einer Platzhalter-Dose, die sie später in Photoshop durch das richtige Produktbild ersetzte

1. Konzeption: Generisches schneller ausschließen

In der ersten Phase ihres Designprozesses sammelt Stephany Inspiration und recherchiert zum Briefing, bevor sie Ideen anskizziert.

Zur Konzeption gehören für sie mittlerweile auch KI-Tools: »ChatGPT nimmt mir die Angst vor dem weißen Blatt, indem es mir die offensichtlichen Ideen vorlegt. So kann ich direkt mit meiner eigenen Kreativität einsteigen.«

Oft inspirieren die generierten Ideen neue, eigene Ansätze, die weiter weg von konventionellen Lösungen und Assoziationen mit dem Problem liegen.

AI HACK | ChatGPT wird in der Konzeption zu einem Ventil für offensichtliche Ideen. Füttert dazu die KI mit dem Designproblem oder der Aufgabe aus dem Briefing und lasst euch zehn Lösungsansätze geben. Davon könnt ihr euch inspirieren lassen oder bewusst distanzieren, um euch an ausgefallenere Ideen zu wagen.

2. Ideenvisualisierung: Effizienz und Evaluation

Im nächsten Schritt geht es an die Visualisierung unterschiedlicher Ideen und die interne Abstimmung, welche Entwürfe den Kund:innen vorgelegt werden. »KI kann in der Ideenphase die Gedanken von Kreativen sichtbar machen, die sich schwertun, ihre Ideen in Worte zu fassen«, so Stephany. »Besonders bei internen Abstimmungen kann das enorm hilfreich sein, um auch die introvertierteren Teammitglieder einzubeziehen.«

Sie selbst setzt heute KI in fast allen Projekten ein, um ihre Ideen so präzise wie möglich in Bilder umzusetzen. Klassische Moodboards lehnt sie ab – sie schränken sie zu sehr ein, weil sie an bestehenden Bildern nur einzelne Aspekte hervorheben könnte, was im Gespräch mit Kund:innen oft zu Verwirrung führt.

Um schnell das Potenzial einer Idee auszuloten prompted Stephany gerne Varianten in Midjourney. So sieht sie sofort, welche Möglichkeiten sich in eine Ansatz verbergen.

KI ermöglicht ihr eine höhere Genauigkeit in der visuellen Umsetzung. Allerdings nutzt sie dazu nicht unbedingt das Tool mit den meisten Kontrollmöglichkeiten, sondern das, was sich für sie am besten bedienen lässt: »Bei der Auswahl der Tools kommt es stark auf Praktikabilität an. Stable Diffusion kann präziser sein, ist aber für die meisten Dinge, die ich mache, zu komplex«, erklärt die Art Direktorin. »Midjourney dagegen erlaubt mir, schnell meinem mentalen Bild nahe zu kommen, um dann bewerten zu können, ob eine Idee überhaupt funktioniert.«

AI HACK | Introvertierte Teammitglieder können mit KI ihre Ideen visuell konkreter aufbereiten, und müssen so weniger in Worte fassen oder präsentieren, was sie sich vorstellen. Auch bei Sprachbarrieren zwischen Kreativen und Kund:in kann eine klarere Visualisierung mit KI hilfreich sein.

3. Storyboarding: Mixed Workflow

Für die Umsetzung ihrer Ideen in Storyboards für Kampagnen und Werbeclips verwendet Stephany einen gemischten Workflow, bei dem sie flüssig zwischen KI und Creative Cloud wechselt. Sobald intern eine Idee festgelegt ist, beginnt sie mit Skizzen, die sie anschließend in Photoshop grob als Collage aufbaut.

Diese nutzt sie dann in Midjourney als Grundlage, um mit Prompts näher an das gewünschte Ergebnis zu kommen.

Dabei verwendet die Designerin immer wieder dieselben Keywords für Lichtstimmung, Kamerablende und Ort, um möglichst kohärente Bilder zu erzeugen. Wenn sie besonders viele Bilder in einem bestimmten Stil braucht, verwendet sie den Midjourney-Befehl /tune. 

Schnell in Photoshop zusammengebaut kann eine Collage als Grundlage für ein realistisches Bild in Midjourney dienen
Wenn die Stimmung eines Mood-Bildes auf eine Szene übertragen werden soll, verwendet Stephany das Bild als Referenz und prompted ihre gewünschten Elemente dazu.
Für Storyboards verwendet Stephany eine Kombination aus Midjourney und Photoshop. Die Basis erhält ihren einheitlichen Look durch die immer gleichen Parameter für Kamera, Blende und Licht.

AI HACK | Skizzen, Moods oder in Photoshop grob collagierte Bilder können als Grundlage für die Bildkomposition in Midjourney genutzt werden. Dazu muss das betreffende Bild auf Discord hochgeladen werden (via »+« im Textfeld). Anschließend kann man per Klick auf das Bild und Rechtsklick die Bildadresse kopieren, und diese im nächsten Prompt einsetzen. So nimmt Midjourney das Bild als Grundlage, erlaubt durch den »/imagine« Prompt aber Anpassungen oder Rendering in einem neuen Stil.

Wenn bekannte Persönlichkeiten oder Influencer:innen in den Spots auftauchen sollen, generiert sie eine Platzhalter-Person in ihren Bildern und tauscht die Gesichter mit dem Midjourney InsightFaceSwap-Bot aus.

Damit sind die Bilder aber noch nicht fertig: »Kein KI-generiertes Storyboard geht ohne händische Bearbeitung zum Kunden«, so Stephany. Sie zieht zum Abschluss alle Bilder noch einmal in Photoshop, bearbeitet die Farbgebung und retuschiert wo nötig mit Generative Fill. Den letzten Schliff verleiht sie ihren Bildern mit einem leichten Grain.

Wenn es schnell gehen muss kann der Midjourney InsightFaceSwap-Bot die Bilder mit bekannten Gesichtern versehen
Ganz wichtig: der Feinschliff in Photoshop mit Bilddetails, einem angepassten Format und einem leichten Grain für den kinematischen Effekt.

AI HACK | In Storyboards und überall dort, wo Charaktere immer wieder auftauchen und erkennbar sein müssen, kann der Midjourney InsightFaceSwap-Bot leisten. Das neue Midjourney Feature Character Reference kann diesen Workflow in Zukunft aber etwas abkürzen. Hier geht es zum Tutorial.

4. Umsetzung: Handgemachtes Design

Nach Abstimmung des Storyboards mit Kund:innen geht es an die Umsetzung. Diese realisieren die Kreativen von David+Martin fast ausschließlich in traditionellen Designtools. Auch für Stephany Schlappkhol ist nach zwei Jahren intensiver Arbeit mit KI klar: »KI kann die menschliche Kreativität und das Designhandwerk nicht ersetzen. Man sieht den Unterschied immer.«

Etwa in Gesichtszügen, die immer etwas generisch und weichgezeichnet wirken, in unstimmigen Farbpaletten und inkonsistenten Stilen. Besonders im Werbe-Bereich sei die Handschrift der Kreativen laut Stephany besonders wichtig. »Wir werden so von Bildern und Videos überflutet, dass alles untergeht, was qualitativ und empathisch nicht absolut stimmt.«

Ob und wann KI-generierter Output es tatsächlich ins finale Design schafft, ist bei David+Martin eine sehr konzeptionelle Entscheidung. Diese besondere Ästhetik kommt aber nur noch selten zum Einsatz, schließlich geht es auch darum zu zeigen, was die Agentur kann und immer wieder mit menschlicher Kreativität zu überraschen. KI ist dabei mehr das Tool, das ihre ausgefalleneren Ideen sichtbar und für Kund:innen greifbar macht.

Dieser Artikel ist erstmals am 4. April 2024 erschienen. 

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