Eugen Gerbert fotografierte seine Frau Gerti über vierzig Jahre lang nackt. Philip Widmann und Karsten Krause machten darüber den Film »Die Frau des Fotografen« und wurden im Wettbewerb für Abschlussfilme deutschsprachiger Filmschulen ausgezeichnet.
Eugen Gerbert fotografierte seine Frau Gerti über vierzig Jahre lang nackt. Philip Widmann und Karsten Krause machten darüber den Film »Die Frau des Fotografen« und wurden im Wettbewerb für Abschlussfilme deutschsprachiger Filmschulen ausgezeichnet.
Die »First Steps Awards« zeichnen jährlich die besten Abschlussfilme von Studierenden der Filmschulen in deutschsprachigen Ländern aus.
Insgesamt werden 72.000 Euro Preisgeld von drei Jurys in fünf Sparten vergeben: Spielfilme werden in drei Längen ausgezeichnet, hinzu kommt ein Preis für Dokumentarfilme und der »First Steps Commercial Award« für Werbefilme.
In der Sparte Dokumentarfilm gewannen dieses Jahr unter anderem Karsten Krause und Philip Widmann mit ihrem Film »Die Frau des Fotografen«. Der Film beleuchtet Gerti Gerbert, die von ihrem Mann Eugen über mehr als vierzig Jahre hinweg fotografiert wurde. Dabei entstanden neben den obligatorischen Familienfotos zahllose Bilder von Gerti – in Unterwäsche, in selbstgenähten Sommerkleidern oder nackt am Strand, im Wald, im Auto oder zuhause auf dem Fußboden. Karsten Krause und Philip Widmann entwickelten ihren Film anhand des Bildarchivs der Gerberts, Gesprächen mit Gerti und Aufzeichnungen von Eugen.
Wir sprachen mit Karsten Krause über den Film, der sein Diplomprojekt an der Hochschule für bildende Künste Hamburg war.
Karsten Krause (links), Philip Widmann (rechts)
PAGE: Was ist die Idee hinter »Die Frau des Fotografen«?
Karsten Krause: Der Film hat sich aus unserer Faszination für Privatarchive entwickelt. Die Fotografien von Eugen und Gerti Gerbert sind sehr außergewöhnlich, gerade im Bereich der Aktfotografie. Eugen hat Gerti über 40 Jahre lang nackt fotografiert, bis ins hohe Alter. Diese Art von Aktfotografie findet man selten. Dieses Interesse war der Anfang des Films. Alles andere hat sich erst mit Zeit entwickelt. Es dauert ja eine Weile, bis man sich kennenlernt und einen Überblick über ein solch großes Fotoarchiv bekommt.
Was haben Sie aus der Arbeit an dem Film gelernt?
Der Film hat viel mit dem Thema Vergänglichkeit zu tun. Gerti sagte einmal: »Wenn man jung ist, hat man so viel vor und dann ist die Zeit plötzlich vorbei. Was bleibt davon übrig?« Ich denke zwar nicht, dass die Fotografie als perfekte Erinnerung dienen kann – das ist eine Utopie – aber sie kann als Abbild verschiedener Lebensabschnitte dienen.
Wie sind Sie auf Eugen und Gerti Gerbert aufmerksam geworden?
Ein Galerist aus Hamburg, der sehr an besonderen Privatarchiven interessiert ist, hat den Kontakt für uns hergestellt. Er lernte Gerti Gerbert auf einer Fotomesse kennen, als sie ihn ansprach und ihm von den Fotos ihres Mannes erzählte. Er hat ihr schließlich über 1.200 Negative abgekauft.
»Die Frau des Fotografen« ist Ihre Abschlussarbeit. Wie lange haben Sie insgesamt an dem Film gearbeitet?
Zum ersten Mal haben wir Gerti Gerbert im Dezember 2009 in Karlsruhe besucht. Dann sind wir noch mehrere Male hingefahren und haben bei ihr gedreht. Es hat lange gedauert, weil sie sich anfangs vor unserer Kamera nicht sehr wohl gefühlt hat. Sie war unsicher, weil sie Angst hatte, dem Film nicht gerecht zu werden. Sie wollte ein gutes Bild abgeben. Aber das hat sie dann auch. Mit der Auswertung der Treffen, der Arbeit am Drehbuch und dem Schnitt waren wir im Dezember 2010 fertig. Aber danach folgte noch die Postproduktion. Komplett abgeschlossen war unsere Arbeit zur Premiere im April 2011.
Sie haben den Film zusammen mit Widmann gemacht. Wie war Ihre Zusammenarbeit?
Philip Widmann ist ein guter Freund von mir, der im Nebenfach auch an der HFBK in Hamburg studiert hat. Als ich ihn gefragt habe, ob er mit mir zusammen an dem Projekt arbeiten möchte, war noch gar nicht klar, dass es mein Diplomfilm werden würde. Wir haben die Arbeit dann entsprechend unseren Stärken aufgeteilt: Ich habe die Kamera übernommen, er das Drehbuch. Regie und Schnitt haben wir zusammen gemacht. Die Produktion hat auch Philip Widmann übernommen, weil er dafür externe Fördergelder erhalten hat.
Welche Mittel standen Ihnen denn bei der Filmproduktion und Nachbearbeitung zur Verfügung?
Die HFBK vergibt seit 2010 Fördergelder für Abschlussfilme. Zudem erhielten wir Förderung vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.
Der Film wurde bereits mit mehreren Preisen ausgezeichnet – zuletzt mit dem »First Steps« Nachwuchspreis. Was bedeuten Ihnen diese Auszeichnungen?
Wir hätten die Premiere von »Die Frau des Fotografen« gerne auf der Berlinale gefeiert, aber das hat leider nicht geklappt. Dennoch hatten wir großes Glück: Die Premiere war dann in Nyon, auf einem der größten Dokumentarfilmfestivals Europas. Darauf sind direkt noch einige andere Festivals gefolgt. Der »First Steps« Award bringt zusätzliche Aufmerksamkeit, von Medien, aber auch von Werbeagenturen. Ich bin offen für neue Projekte, insbesondere, weil ich durch mein Studium an der HFBK im Bereich Filmemachen frei und flexibel geworden bin. Es wäre schön, wenn die Auszeichnungen dazu führten, dass »Die Frau des Fotografen« im deutschen Fernsehen gezeigt wird.
Filmstill aus »Die Frau des Fotografen«
Alle anderen Gewinner der »First Steps Awards« 2011 können Sie hier einsehen.