Christine Lischka, Managing Director bei Serviceplan Design Hamburg, über die Evolution von Private Labels.
Ich weiß nicht mehr, wann genau ich als Konsument das erste Mal über eine Handelsmarke gestolpert bin. Was ich jedoch behalten habe, war das Gefühl, dass da etwas falsch ist. So eine Art optische Täuschung oder ein »Finde den Fehler«.
Und dann waren sie plötzlich überall: Produkte mit komischen Fantasienamen, die so aussahen wie Marken, die man gut kannte. Ich habe das damals total übel genommen.
Wer wollte schon einen Abklatsch kaufen?
Oder genauer gesagt: Wie erklärte man seiner Mutter, dass die Turnschuhe mit den zwei Streifen einfach nicht nur einen Streifen weniger hatten, sondern dass der fehlende Streifen darüber entschied, ob man den gleichen Status und Rang wie die anderen Peergroup-Mitglieder hatte. Das muss irgendwann in den 80ern gewesen sein.
Diese Ära der Handelsmarken oder auch Private Labels ist Gott sei Dank lange vorbei. Denn die Private Labels in Supermärkten, Drogeriemärkten, Bau- und Gartenmärkten haben sich seitdem kontinuierlich weiterentwickelt.
Rückblickend kann man vier Phasen in der Evolution der Handelsmarke ausmachen:
1. Phase: cheap
Ihren Anfang nahmen Handelsmarken in den 70er Jahren. Sie waren das billigere Angebot, oft weiß, gekennzeichnet durch minderwertige Qualität und auf den funktionalen Nutzen begrenzt. Davon gibt es heute nur noch vereinzelte Vertreter, die ich hier gar nicht nennen möchte.
2. Phase: me too
Die Botschaft dieser Kopien: Vielleicht merkt’s ja keiner
Danach kam die Phase, die sich, wie schon beschrieben, durch das Kopieren von Marken kennzeichnete, meistens war es die Marktführermarke. Dieses Phänomen hatte seinen Höhepunkt in den 90ern. Die Qualität der Produkte wurde zwar besser. Dennoch war die Botschaft dieser Kopien: Vielleicht merkt’s ja keiner. Richtig gut gefühlt hat sich beim Kauf bestimmt niemand. Sie waren einfach günstiger als die Marke. Ich kann mich noch an Leute erinnern, die ständig argumentierten, dass die Qualität die gleiche sei wie bei der »echten Marke«. Das erhöhte meine Zuneigung aber nicht wirklich.
3. Phase: image builder
Der nächste Evolutions-Schritt wurde durch die Marken eingeleitet, die sich auf ihre Handelsmarke bezogen – also den Absender deutlich kommunizierten. In Holland war zum Beispiel Albert Heijn einer der ersten Händler, der sein Unternehmenslogo oben auf der Packung platzierte. Darunter wurden Produkte in allen Kategorien angeboten. Das Packungsdesign war viel kreativer, eigenständiger und unterhaltsamer im Vergleich zu Markenpackungen.
Diese Phase muss ungefähr zeitgleich zu meinem Einstieg ins aktive Designerleben gewesen sein. Ich war völlig begeistert und wollte unbedingt Packungen gestalten, die so aussahen wie die von Albert Heijn – besser noch für Albert Heijn direkt arbeiten. Dann kamen auch noch die britischen Private Label Brands von Tesco, Sainsbury, boots etc. in mein Blickfeld. Das war für einen jungen ambitionierten Designer wie mich der Hammer.
Die Handelsmarke wurde zum Imageträger und Loyalitätstool
Aber auch für die Konsumenten änderte sich etwas. Diese Generation von Eigenmarken vermittelte nicht nur eine bessere Produktqualität, sondern gab auch die Haltung und die Identität des Händlers preis. Damit entstand eine emotionale Bindung der Konsumenten zu ihrem Händler. Die Handelsmarke wurde quasi zum Imageträger des Unternehmens und zum Loyalitätstool.
In meiner Wahrnehmung war dm einer der ersten Händler in Deutschland, der sich die Möglichkeit, Themen spezifisch zu adressieren, zu Nutze machte. Marken mit programmatischen Namen wie z. B. »Denk mit« für den Haushalt oder »das gesunde Plus« als Gesundheitsmarke sind gute Beispiele dafür. Auch das Thema Innovationen wurde von den Eigenmarken gepusht, und zwar so sehr, dass Marken oft das Nachsehen hatten. Der Händler war oft einfach schneller in Entscheidung und Umsetzung.
4. Phase: challenger
Seit 2000 sind wir in einem ausdifferenzierten Werteabstufungssystem innerhalb der Handelsmarken angekommen. Egal ob im Supermarkt, Drogeriemarkt, Bau-oder Gartencenter, es gibt bei allen Eigenmarken »good – better – best« Architekturen.
Handelsmarken sind mittlerweile im Packaging Design oft zeitgemäßer, unterhaltsamer und präziser in der Kommunikation ihrer Benefits als Marken
Handelsmarken sind mittlerweile im Packaging Design oft zeitgemäßer, unterhaltsamer und präziser in der Kommunikation ihrer Benefits als Marken.
Innovationen sind eine Selbstverständlichkeit und es gibt Kategorien, da beträgt der Anteil von Handelsmarken fast 70 Prozent.
Die Qualität des Designs hat seit den 90ern noch einmal einen riesigen Sprung gemacht. Nicht nur in Großbritannien, überall in Europa sind die Eigenmarken absolut top aufgestellt.
In der Schweiz ist coop von einem total sympatischen »good«-Angebot, nämlich prix garantie, bis hin zum »best«-Angebot, fine food, ein prima Beispiel. In Schweden bekommen alle Designer feuchte Augen, wenn sie ICA sehen. Von Albert Heijn will ich erst gar nicht reden und selbst in Deutschland wird der Staub abgeschüttelt.
Eines der progressivsten Beispiele ist für mich zurzeit Eroski aus Spanien. Hier ist ein involvierendes, junges Design mit einem Convinience- und Service-Gedanken verknüpft worden. Ganz klar adressiert an eine Zielgruppe, die sich ihr Menü sonst in der digitalen Welt zusammenstellt, dabei aber nicht auf Frische und Transparenz verzichten möchte.
Es bleibt spannend!
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