Informationsdesign nutzt schematische Bilder und grafische Gestaltung, um Informationen visuell zu vermitteln. Was das genau bedeutet und wie man Informationsdesigner wird …
Seit der Jahrtausendwende erleben Infografiken einen ungeahnten Aufschwung. Sie sind schön anzusehen und funktionieren in vielerlei Zusammenhängen: als anspruchsvolle Datengrafiken in Zeitungen, als informativer Bestandteil politischer Kampagnen, aber auch als bunte »Infohappen« auf Webseiten. Als Kommunikationsform sind Infografiken schon viele Jahrhunderte alt, aber erst im 20. Jahrhundert fanden sie massenhafte Verbreitung in den Medien: in Büchern, Zeitungen und Zeitschriften sowie in der Werbung. Mit dem Siegeszug der digitalen Medien hat die Popularität von Infografiken in den vergangenen zwanzig Jahren noch einmal enorm zugenommen. Heute gelten sie als äußerst zeitgemäßes Werkzeug, um komplexe Fakten zu vermitteln.
Aber worum handelt es sich eigentlich? Infografiken sind schematisierte Bilder, die Informationen vermitteln sollen. Zum Einsatz kommen dabei nicht nur Methoden der grafischen Gestaltung (wie der Entwurf eines Layouts oder der Einsatz von Schrift und Farben), sondern gelegentlich auch Illustrationen und geometrische oder kartografische Verfahren (in Diagrammen und Karten). Auch wenn die Grenzen zwischen Infografik und Datenvisualisierung fließend sind, kann man dahingehend unterscheiden, dass Infografiken auf einem kleinen, handverlesenen Set von Informationen oder Daten aufbauen. Diese werden in eine statische oder einfache interaktive Grafik umgesetzt, die in den meisten Fällen zuletzt händisch bearbeitet wird, also in den üblichen Grafikprogrammen.
Infografiker sind am besten alles auf einmal: Allrounder, Designer mit Forscherdrang, Teamplayer und Detailfanatiker.
Im Unterschied dazu ist das Ziel einer Datenvisualisierung einen umfassenden Datensatz im Ganzen zugänglich zu machen. Dabei hat man es mit Datenmengen zu tun, die man nicht mehr manuell bearbeiten kann – deshalb kommt hier Software für die visuelle Darstellung zum Einsatz. Die Gestaltungsleistung besteht in diesem Fall darin, die Regeln der Darstellung so zu entwerfen und zu testen, dass die angezeigte Visualisierung am Ende gut lesbar und interpretierbar ist – und natürlich soll sie auch gut aussehen. Das erfordert zumeist einige Programmierkenntnisse und einen komplexen, iterativen Gestaltungsprozess.
Vielfältige Einsatzmöglichkeiten von Infografiken
Doch was genau können Infografiken und Visualisierungen und zu welchem Zweck werden sie angefertigt? Schon im 19. Jahrhundert warben verschiedene Wissenschaftler für die Praxis der grafischen Darstellung und betonten, dass Infografiken dabei helfen, Dinge »auf einen Blick zu begreifen« – Zusammenhänge, die sich der Leser durch Text nur sehr langsam und mühevoll erschließen könnte. Dass wir Statistiken deutlich schneller lesen und interpretieren können, wenn sie visualisiert sind, gilt heute als Grundkonsens.
Gleichzeitig sind heute viel mehr Stolperfallen und Fehlerquellen bekannt – unsere Sicht auf die Potenziale von Infografiken ist insgesamt wesentlich differenzierter geworden. Theoretiker der Informationsvisualisierung beschäftigen sich nicht nur mit der Korrektheit von Visualisierungen (also ob Sachverhalte und Zahlenverhältnisse durch die gewählten Verfahren sachlich richtig ausgedrückt wurden), sondern auch mit Wahrnehmungsprozessen bei den Lesern oder der Frage, welche Voraussetzungen diese für das Verständnis von Infografiken mitbringen müssen (zum Beispiel unter dem Stichwort »Data Literacy«).
Das Besondere an Infografiken sind ihre vielfältigen Einsatzmöglichkeiten. Sie werden seit Jahrzehnten für die journalistische Berichterstattung genutzt, etwa als Diagramme ergänzend zu Wirtschaftsnachrichten oder Wahlergebnissen. Neu ist, dass Infografiken heute auch eigenständige, bildstarke und erzählerische Formate bilden, beispielsweise die ganzseitigen Infografiken in der »ZEIT« oder doppelseitige Schaubilder in Infografikbüchern.
Neu ist ebenso, dass Infografiken und interaktive Visualisierungen Bestandteile einer integrierten Berichterstattung werden, wie etwa in dem investigativen Dossier der »Süddeutschen Zeitung« über die »Panama Papers«. Unter dem Stichwort »Datenjournalismus« haben spezialisierte Journalisten ihre übliche Rechercheweise gewandelt und nutzen verstärkt öffentlich verfügbare – oder durch Data-Leaks offengelegte – Datensätze als Grundlage ihrer Berichterstattung. So unterhält etwa die Funke Mediengruppe ein spezialisiertes Interaktivteam bei der »Berliner Morgenpost«, das regelmäßig umfassende interaktive Visualisierungsprojekte online veröffentlicht. Zu den international führenden Vorreitern gehören hier seit Jahren die »New York Times« (besonders in ihrem Ableger für analytischen Journalismus »The Upshot«), die »Washington Post« und der britische »Guardian«.
Dass wir Statistiken deutlich schneller lesen und interpretieren können, wenn sie visualisiert sind, gilt heute als Grundkonsens.
Auch die Sportredaktionen testen, welche Ergebnisse und Informationen sich für die grafische Berichterstattung eignen (etwa die »Taktiktafeln« bei Spiegel Online). Zudem erfreuen sich Infografiken zu lustigen Popthemen großer Beliebtheit, wie die Poster des New Yorker Designstudios Pop Chart Lab. Ein besonders dankbares Publikum sind Kinder und Jugendliche. Und so setzen Verlage, Zeitschriften und Museen Infografiken viel und gern als »Geheimwaffe« in der Wissensvermittlung ein – etwa in Aufklärungs- und Anatomiebüchern.
Komplexe Erstellung verständlicher Infografiken
Hinter leicht verständlichen Infografiken steckt ein ausgesprochen komplexer Prozess aus Recherche, Konzept und gestalterischer Umsetzung. Der italienische Designer Francesco Franchi bezeichnete Infografiken einmal als »Unmöglichkeit in Reinform«, denn die Ansprüche an Gestaltung und Inhalt sind enorm hoch. Infografiken sind wie ein vieldimensionaler Raum. Es gibt viele Variablen in ihrer Gestaltung, die eine enorme Bandbreite ermöglichen: Wie viele Informationen fließen in die Arbeit ein? Wie werden Formen und Farben eingesetzt? Gibt es unterhaltsame Details? An welches Publikum richtet man sich? In welchem Ton spricht eine Arbeit zum Publikum: humorvoll, seriös, wissenschaftlich, journalistisch, mahnend, unterhaltend? Braucht es Illustrationen oder Karten? Steht eine Grafik für sich allein oder ist sie in einen Kontext eingebunden? Und so weiter.
Infografiker sind daher am besten alles auf einmal: Allrounder, Designer mit Forscherdrang, Teamplayer und Detailfanatiker. Neben der gestalterischen Kompetenz braucht es jedoch vor allem eines: eine konzeptionelle Denkweise, denn der erste und schwierigste Schritt ist es, zu einem gegebenen Thema einen Ansatz zu entwickeln. Oft ist ein ungeordneter Haufen an Informationen vorhanden, und es muss zunächst eine Pointe gefunden werden, auf die man die Geschichte zuschneidet. Im nächsten Schritt stellt sich manchmal heraus, dass Informationen fehlen, sodass weitere Recherche nötig ist. Sodann stellen sich gestalterische Fragen, Skizzen werden angefertigt, Formate ausprobiert. Absolut nötig ist auch ein gewisser Perfektionismus – nicht nur soll das Ergebnis ästhetisch zufriedenstellen, sondern es muss in jedem Schritt der Gestaltung wieder und wieder geprüft werden, ob die visuelle Umsetzung auch faktisch korrekt ist. Schnell schleichen sich Fehler ein, wenn etwa Zahlenverhältnisse in einen Flächenvergleich umgesetzt werden.
Wie lässt sich all dies in einer einzigen Person vereinen? Meist ist das gar nicht nötig. Infografiken zu erstellen ist eine interdisziplinäre Angelegenheit, in der das kleinste denkbare Team meist aus einem Redakteur oder Wissenschaftler besteht, der sich im Thema auskennt, und einem Designer, der eine Menge Standardformate der Informationsvisualisierung kennt und gleichzeitig nie um eine neue Idee verlegen ist. In Agenturen oder Redaktionen arbeiten die Experten oft in größeren Teams, sodass verschiedene Expertisen zusammenkommen: Rechercheerfahrung, gestalterisches Wissen, Bildideen, journalistisches Gespür, wissenschaftliche Strenge oder auch eine humorvolle Perspektive.
Mit dem Siegeszug der digitalen Medien hat die Popularität von Infografiken in den vergangenen 20 Jahren enorm zugenommen.
Information Designer: Berufsbild im Wandel
Das Berufsbild des Information Designers ist in diesem Sinne noch neu – vor allem weil es erst seit einigen Jahren eine solch verstärkte Nachfrage nach Infografiken gibt. Heute bildet sich aus unterschiedlich spezialisierten Gestaltern, Redakteuren, Datenjournalisten und Programmierern eine neue Berufsgruppe heraus. Unter den Designern gibt es viele, die programmieren können oder sich zumindest in der Nutzung einiger anspruchsvoller Programme und Librarys auskennen. Andere wiederum beschränken sich auf die klassischen Gestaltungswerkzeuge – vom Bleistift bis zu Adobe Illustrator. Beide Spezialisierungen werden in der Informationsvisualisierung weiter gebraucht. Gerade künstlerische Ideen und Illustrationen sind verstärkt gefragt. So entstanden in den vergangenen Jahren – auch als Gegenbewegung zur stark automatisierten Datenvisualisierung – viele handgemachte oder gebastelte Infografiken, wie etwa die charmanten Postkarten von Giorgia Lupi und Stefanie Posavec (»Dear Data«).
Neu ist, dass Infografiken heute auch eigenständige, bildstarke und erzählerische Formate bilden. Die Ansprüche an Gestaltung und Inhalt sind enorm hoch.
Wie in allen Berufsfeldern, die stark in Bewegung sind, kann man sich als Informationsdesigner nicht auf dem Erreichten ausruhen. Die technischen Tools entwickeln sich ununterbrochen weiter, und die Ansprüche der Verlage und des Publikums werden höher. Eines bleibt bei allem Wandel immer gültig: Wer mit Leib und Seele Designer ist und seinen Kopf gern zum Denken benutzt, wird in diesem Beruf belohnt. Denn am Ende geht es immer um eine gelungene Verbindung zwischen guter Gestaltung und anspruchsvollen Inhalten.
Die Autorin
Sandra Rendgen ist Autorin mit dem Schwerpunkt Data Visualization und Interactive Media. Sie ist Herausgeberin des Bands »Information Graphics« im TASCHEN Verlag.
Ich habe 1980 eine Festanstellung bei Coordt von Mannstein angeboten bekommen, um eine Abteilung in seiner Agentur für Informations- und Systemdesign aufzubauen. Ganz so neu ist dieses Geschäftfeld also nicht.
Hab dank, sehr informativ 🙂
Welche Seiten oder Bücher können Sie noch empfehlen, z.b. mehr über Farben- & Schriftwirkung lesen?
Vielen Dank noch mal für Ihren Beitrag!
Ich habe 1980 eine Festanstellung bei Coordt von Mannstein angeboten bekommen, um eine Abteilung in seiner Agentur für Informations- und Systemdesign aufzubauen. Ganz so neu ist dieses Geschäftfeld also nicht.
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