Seit 30 Jahren ist »Gitarre & Bass« die deutschsprachige Fachbibel für Musiker. Der Kölner MM-Musik-Media-Verlag erweiterte den Printtitel erfolgreich zur Multichannel-Marke.
Signierte Bandposter an den Wänden, Instrumentenzubehör auf den Schreibtischen, Verstärker auf dem Boden – und natürlich Gitarren und Bässe in jedem Zimmer: In den Redaktionsräumen des Musikerfachmagazins »Gitarre & Bass« in Köln spürt man gleich, dass Fachmänner am Werk sind. Und zwar solche, die Musik und das zugehörige Equipment mindestens genauso lieben, wie es ihre Zielgruppe tut.
Leidenschaft und fachliches Know-how gehören ebenso zum Erfolg der wichtigsten Medienmarke des MM-Musik-Media-Verlags wie zeitgemäße Journalismus- und Marketingkompetenz. Seit das Magazin im März 1986 gegründet wurde – damals noch unter dem Namen »Musiker« –, hat sich viel verändert in der Medienlandschaft und im Nutzerverhalten. Zig (digitale) Kanäle sind dazugekommen, die es adäquat zu bespielen gilt, und die Herausforderung, das Beste aus den Inhalten herauszuholen, steigt stetig. Das Team um Herausgeber und Chefredakteur Dieter Roesberg produziert nicht mehr nur ein Printmagazin, sondern betreibt auch eine Website, erstellt Sonderhefte, verschickt tägliche und wöchentliche Newsletter, unterhält diverse Social-Media-Accounts, dreht Videos, veranstaltet Events und arbeitet mit heute unverzichtbaren Tools wie Searchmetrics und Google Analytics.
Jeder Inhalt muss ein Ziel erfüllen: Reach, Conversion oder Visibility. Content ohne Zielsetzung ist Ressourcen-verschwendung
Transaktion: Wissen, worauf es ankommt
Einfach drauflosschreiben ist passé. Content muss heute gut geplant sein und die Zielgruppe dann erreichen, wenn sie ihn sucht beziehungsweise benötigt. Außerdem muss er zu messbaren Reaktionen führen. Das ist das Ziel der Strategie, die der Mutterkonzern Ebner Verlag GmbH & Co. KG in Ulm im Jahr 2011 ausrief, um die Profitabilität seiner rund 30 Fachredaktionen zu sichern. Dabei geht es im Wesentlichen darum, dass Content zu Interaktionen und anschließenden Transaktionen führen soll. So können Leser und Nutzer sich weitere Inhalte zum Thema anschauen, kostenlose und kostenpflichtige Informationen herunterladen, Tickets für Messen kaufen, Webinare buchen, sich für Newsletter anmelden oder Produkte im Onlineshop von »Gitarre & Bass« kaufen.
Um solche Reaktionen zu erzielen, muss man wissen, was die Leute sehen, lesen und hören wollen – und eine ausgeklügelte Produktions- und Distributionsstrategie haben. Diese verfolgt das Redaktionsteam, bestehend aus Roesberg, den festen Redakteuren Stefan Braunschmidt, Florian Erhart, Lothar Trampert und dem Volontär Eugen Lyubavskyy mit Unterstützung des Sales-Teams, zusätzlichen Content-Managern und zahlreichen Autoren, ziemlich erfolgreich.
Keyword-Universum: Wissen, was gesucht wird
Herzstück der Marke »Gitarre & Bass« ist das monatlich erscheinende Printmagazin. Darin gibt es traditionell drei inhaltliche Bereiche: Florian Erhart und Lothar Trampert betreuen die Formate Equipment-Tests und Musikerstorys, Stefan Braunschmidt verantwortet den Bereich Workshops und kümmert sich um die Website www.gitarrebass.de inklusive Reporting. Unterstützt wird er dabei von Eugen Lyubavskyy, der zudem die Social-Media-Accounts verantwortet – vor allem Facebook, Instagram, YouTube und SoundCloud.
Die Inhalte bestimmen größtenteils der Herstellermarkt mit Equipment-Neuheiten sowie aktuelle Musikertourneen. Dazu kommen regelmäßige Formate wie FAQs zu Instrumenten, Playalongs samt Noten (auch online zum Download) sowie Themenschwerpunkte, wie Vintage-Gitarren oder die NAMM Show, die die National Association of Music Merchants jährlich in Anaheim, Kalifornien, ausrichtet.
Um die Interessen der Zielgruppe zu ermitteln, greift die Redaktion unter anderem auf die Keyword-Recherche in Searchmetrics zurück. Das Programm erfasst, welche Suchbegriffe in ihrem Markt relevant sind, wie www.gitarrebass.de dazu bei den Google-Suchergebnissen rankt – und wie die Seite im Vergleich zu ihren Wettbewerbern dasteht. Diese Begriffe bilden das Keyword-Universum von »Gitarre & Bass«, das die Redaktion sowohl bei der Themensuche als auch bei der Suchmaschinenoptimierung (SEO) der Inhalte unterstützt. Für Letztere verwenden die Redakteure die entsprechenden Schlüsselbegriffe in ihren Onlineartikeln – immer mit dem Ziel, auf der ersten Seite der Google-Suchergebnisse zu landen.
Daneben zählt natürlich das Bauchgefühl der Redaktionsmitglieder, die teilweise schon sehr lange an Bord und alle selbst Musiker sind. »Wir haben ein Gespür für Themen, weil Musik unser Hobby und unsere Leidenschaft ist«, sagt Eugen Lyubavskyy. Zusätzlich sorgt die gute Vernetzung mit der Community dafür, dass sie Trends früh erkennen und mit prägen können. So sei »Gitarre & Bass« laut Braunschmidt bekannt dafür, neue Gitarrenbauer zu entdecken, und habe schon manchen Karriereweg geprägt.
Content muss heute gut geplant sein und zu messbaren Reaktionen führen
Personas: Wissen, für wen man schreibt
Beim Verfassen der Inhalte orientieren sich Braunschmidt, Erhart und Co an speziell für »Gitarre & Bass« erstellten Personas. Diese stellen greifbare, aber fiktive Prototypen von Usern dar, die bestimmte Eigenschaften und Nutzungsverhalten haben. Konkret sind das: Siggi Sammler, Flo Fun, Peter Profi und Teddy Tüftler. Entwickelt hat die Redaktion diese Personas gemeinsam mit der verlagsübergreifenden Abteilung Audience Development anhand von Beobachtungen und Befragungen. Ihre Profile hängen laminiert in den Redaktionsräumen und sind somit immer in den Köpfen der Redakteure präsent.
Alle Inhalte aus der Printausgabe – bis hin zu den Leserbriefen – wandern drei Monate nach Erscheinen des Hefts Stück für Stück auf die Website www.gitarrebass.de. Ergänzt werden sie um tagesaktuelle News, die sich hauptsächlich um Instrumentenneuheiten sowie Messe- und Konzerttermine drehen. Darüber hinaus findet man eine Menge älterer Artikel aus der dreißigjährigen Geschichte des Magazins auf der Website – selbstverständlich regelmäßig überarbeitet und aktualisiert.
Von den Themen seien viele in der Branche einfach zeitlos, erklärt Stefan Braunschmidt: »In manchen Bereichen hat sich der State of the Art seit den 1960er Jahren nicht gravierend verändert.« Viele Leser seien nach wie vor an den traditionellen Gitarrenmodellen wie der Fender Stratocaster interessiert – einer der meistgesuchten Begriffe im Keyword-Universum von »Gitarre & Bass«.
Evergreens: Wissen, was relevant bleibt
Diese Langlebigkeit vieler »Gitarre & Bass«-Inhalte ist ein Segen im Sinne der Evergreen-Strategie des Verlags: Nach diesem Konzept wird Content, der zeitlich unbeschränkt relevant ist, mehrfach veröffentlicht. In regelmäßigen Abständen heben die Redakteure die Inhalte erneut auf die Startseite und teilen sie in den Social-Media-Kanälen – natürlich nicht, ohne vorher ihre Richtigkeit zu überprüfen und sie eventuell um aktuelle Fakten zu ergänzen sowie mit thematisch passenden Inhalten zu verknüpfen. So stellt Lyubavskyy beispielsweise anlässlich von Musikergeburts- oder Todestagen Onlineartikel neu zusammen und verwertet Geschichten mehrfach. »Write and reuse« lautet das Motto – im Gegensatz zum früheren »Print and forget«. Mit dem Leitspruch »Produce and market it« geht die Redaktion noch einen Schritt weiter, denn ihren Content verbreitet sie mittlerweile nicht mehr nur in schriftlicher Form und vertreibt ihn zudem über diverse Plattformen.
»Produce and market it« statt »Print and forget«
Damit geht ein weiteres Format einher, die Minimum Information Unit (MIU). Der Gedanke dahinter: Jeder längere Artikel lässt sich in kleinere Informationseinheiten zerlegen – etwa Top-Listen, Interviewausschnitte in Text oder Video, Bildergalerien, Infografiken et cetera. Diese spielt die Redaktion über ihre vielzähligen Kanäle aus und erreicht so mehr und neue Nutzer, die wiederum auf weitere Inhalte und Angebote von »Gitarre & Bass« aufmerksam werden. So nimmt sie beispielsweise anlässlich einer aktuellen Tournee aus einem älteren Interview mit Gitarrenvirtuose Joe Bonamassa die knackigsten Zitate heraus und veröffentlicht sie über Facebook oder Instagram – und verweist auf die Website, wo man das komplette Interview lesen kann. Eine solche Strategie erfordert einen guten Überblick über vorhandene Inhalte, einen klaren Workflow und eine durchdachte Planung. All dies vereint der Content Planner, eine digitale Anwendung, die der Ebner Verlag jüngst inhouse programmierte und mit dem inzwischen alle Marken des Verlags arbeiten (siehe Seite 22 f).
Reporting: Wissen, was wirkt
Im Ebner Verlag sollen Inhalte bestimmte Ziele erfüllen, die sogenannten Content Goals: Reach (Reichweite), Conversion (Lead Generation oder Abverkauf) oder Visibility (Position der Inhalte auf Suchmaschinenseiten). Ob diese Ziele erreicht werden, messen Redaktion, Sales-Abteilung und die redaktionsübergreifende Content-Managerin Rosa Hecker mit diversen Tools. Die Visibility überprüft das Team etwa in Google Analytics. Hier lässt sich unter anderem ablesen, wie viele einmalige und wiederkehrende Nutzer die Website aufsuchen, über welche Geräte und von welchen anderen Seiten sie auf die Inhalte zugreifen, wie lange sie auf einer Seite verweilen und natürlich, welcher Content am besten läuft – und welcher gar nicht.
Conversions verfolgt man, indem man Calls-to-Action (»Bestellen Sie unser Sonderheft!«) mit Tracking-Links versieht und nachvollzieht, wie viele Käufe ein Artikel ausgelöst hat. Um die Gesamtreichweite zu erfahren, wertet man alle Kanäle aus (Daten von Facebook, YouTube et cetera). Die Ergebnisse bündelt Rosa Hecker in regelmäßigen Reportings und präsentiert sie in Objektkonferenzen ihren Kollegen. So kann das Team einschätzen, wie und wo sich seine Arbeit auszahlt, und entsprechend anpassen und optimieren – zum Beispiel indem es mehr oder weniger von bestimmten Formaten online stellt, diese über andere Kanäle ausspielt oder sie verstärkt über Newsletter bewirbt.
Sales: Wissen, was sich auszahlt
Reichweite und Sichtbarkeit sind wichtig, zahlen aber noch keine Rechnungen. Sie müssen in Verkäufe umgesetzt werden, seien es Abonnements, Sonderhefte, Lehrbücher, gebrandete Gitarrensaiten oder natürlich Kampagnen für Hersteller und Vertriebe. Wie bei vielen anderen (Fach-)Magazinen sind Anzeigen eine wichtige Einnahmequelle von »Gitarre & Bass«, jedoch sind die Absätze hier – ebenso wie bei anderen Verlagen – rückläufig. Neue Modelle sind gefragt, und das erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Sales-Abteilung und Redaktion.
Advertorials, Stand-alone-Newsletter, Sponsored Articles, Native Advertising: Die neue Angebotspalette für werbende Unternehmen erfordert nicht selten eine Beratung bei Kunden und immer eine gute Koordination – insbesondere dann, wenn die Aufgabe darin besteht, Print und Online miteinander verzahnt und Kampagnen über mehrere Kanäle auszuspielen. »Nächste Woche fahre ich mit einer Sales-Kollegin zu einem großen Musikvertrieb, und wir erklären ihm gemeinsam, was bei uns digital möglich ist«, berichtet Stefan Braunschmidt.
Inhalte sind keine kompakten, feststehenden Einheiten, sie lassen sich in einzelne Bestandteile zerlegen
Ein wichtiges Thema für den Verlag ist Native Advertising, also Content Marketing im Kundenauftrag. Hier geht es darum, gemeinsam mit Kunden Themen zu finden, die für die Leser interessant, relevant und redaktionell hochwertig sind und – ohne werblich zu sein – das werbende Unternehmen einbinden, und sei es nur als Sponsor eines lesenswerten Artikels.
Ausblick: Wissen, was wichtig wird
Eines ist klar: Die Arbeit der »Gitarre & Bass«-Mannschaft wird bestimmt nicht langweilig. Immer wieder kommen neue Aufgaben und Tätigkeitsfelder hinzu. Unterstützung bekommt das Team dabei unter anderem von der verlagsübergreifenden Ebner Academy. Hier geben beispielsweise das Social-Media- und das Audience-Development-Team Webinare zu Themen wie Instagram Stories, XING-Newsseiten und Snapchat sowie zu Google Analytics, Searchmetrics und Co.
Die neueste große Herausforderung ist das erste selbst ausgerichtete Live-Event, der Guitar Summit, mit dem sich der
MM-Musik-Media-Verlag einen neuen Geschäftsbereich erschließt. Vorgefühlt hatte das Team bereits mit einer Pedal-Show, einer Ausstellung zum Thema Effektpedale. Die Learnings im Kleinen können Sales-Abteilung und Redaktion nun nutzen, um einen Schritt weiter zu gehen und eine neue Eventreihe zu etablieren.
So sichert das Team hinter »Gitarre & Bass« mit neuen Ideen und innovativen Strategien die Zukunft der traditionsreichen Marke – und hat dabei auch noch eine Menge Spaß.
Der Content Planner: Gut geplant ist halb gewonnen
Redaktionelle Inhalte sind für Verlage kein Selbstzweck. Sie müssen Reaktionen erzeugen und Umsätze generieren. Um das zu erreichen, braucht es eine Strategie zur planmäßigen Erstellung und Distribution des Contents. Dafür hat der Ebner Verlag, Mutterkonzern des MM-Musik-Media-Verlags, ein Tool entwickelt, das die redaktionelle Arbeit lenkt. Der Content Planner fordert von Redaktionen, fünf konkrete Fragen zu beantworten, bevor sie einen Inhalt erstellen:
1 Für wen erschaffe ich den Content? Personas bilden die Subsegmente einer Zielgruppe. Sie sind als fiktive, aber greifbare Personen konzipiert und mit konkreten Eigenschaften und Nutzungsverhalten versehen. Diese Charaktere hat das Team von »Gitarre & Bass« – ebenso wie alle anderen Medienmarken des Verlags – gemeinsam mit der Audience-Development-Abteilung entwickelt. Die Redakteure müssen sich im Content Planner entscheiden, ob sie für Siggi Sammler, Flo Fun, Peter Profi oder Teddy Tüftler schreiben – es darf jeweils nur eine Persona ausgewählt werden.
2 Was will ich mit dem Content erreichen? Die Redaktionen haben die Wahl zwischen drei »Content Goals«: Reach (Reichweite), Conversion (Lead Generation oder Abverkauf) und Visibility (Position der Inhalte auf Suchmaschinenseiten). Jedes dieser Ziele erfordert andere Formate und eine eigene Tonalität. Ob die Ziele erreicht werden, kann man messen, und die Inhalte lassen sich gegebenenfalls nachsteuern. Content ohne konkrete Zielsetzung ist nach Ansicht des Verlags Ressourcenverschwendung.
3 Was will die Zielgruppe wissen? Jeder Content muss sich auf genau definierte Zielgruppenbedürfnisse konzentrieren. Diese bestimmt die Redaktion mithilfe von Keyword-Analysen sowie der Beobachtung in Social Media. Auch ein Blick auf die Seiten der Wettbewerber und Influencer im jeweiligen Themenbereich gibt Aufschluss. Im Content Planner müssen Nutzer für jeden Inhalt mindestens drei Keywords aus einer Liste auswählen, die sie gemeinsam mit dem Audience-Development-Team erstellt haben.
4 Welchen Content habe ich? Inhalte sind keine kompakten, feststehenden Einheiten, sondern lassen sich in einzelne Bestandteile zerlegen. Diese Minimum Information Units (MIU) können zum Beispiel Top-Listen, Interview-Ausschnitte in Text und Video, Bildergalerien oder Infografiken sein. All diese Formate hält die Redaktion im Content Planner fest.
5 Wo will ich den Content distribuieren? In diesem Schritt definiert man, welche Inhalte wann über welche Kanäle ausgespielt werden sollen. Zu den Touchpoints von »Gitarre & Bass« gehören neben dem Printmagazin und der Website www.gitarrebass.de außerdem Newsletter sowie Facebook, YouTube, Instagram, Twitter und Pinterest. Für B2B-Marken sind auch die Businessplattformen XING und LinkedIn interessant.
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