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So entwickeln sich die Gehälter 2022 in der Designbranche

Der Jobmarkt für Kreative zieht wieder an. Dadurch steigen die Gehälter – aber auch die Chance, andere für die eigene Lebensgestaltung wichtige Punkte zu vereinbaren. Damit Sie gut auf die nächste Gehaltsverhandlung vorbereitet sind, finden Sie hier eine aktuelle Übersicht über die Entwicklung der Gehälter in der Designbranche

Gehälter PAGE 01.2022

Es sieht gut aus für Kreative. Nachdem viele Agenturen und Unternehmen in den letzten anderthalb Jahren bei Neueinstellungen vorsichtiger waren, ihre Belegschaft in Kurzarbeit schickten oder sich in einigen Fällen sogar ganz von Teilen ihrer Teams trennten, hat sich die Lage wieder zum Positiven gewendet. »Der Nach­holbedarf nach der Corona-Pandemie ist groß«, meldet der Zentralverband der Deutschen Werbewirtschaft. Dessen Trendanalyse auf Basis aktueller Stellenanzeigen zeigt, dass vor allem Bedarf im Bereich Marktforschung, Marketing und Text, aber auch an Art Directors, Grafik- und Mediendesigner:innen besteht. »Der Fachkräfte­mangel war auch zu Pandemiezeiten eines der größten Wachstumshemmnisse der Agenturbranche«, sagt Benjamin Minack, Präsident des Gesamtverband Kom­munikationsagenturen GWA. »Er verstärkt sich nun weiter, da die Auftragslage wieder anzieht.« Aus seiner Sicht sind derzeit Talente für fast alle Felder und besonders Expert:innen für digitale Transformation und Onlinekommunikation gefragt.

Personalvermittler:innen bestätigen diese Einschät­zung. Arbeitgeber investierten nun wieder in neue Ge­schäfts­felder und in Mitarbeiter:innen, während diese nicht mehr so vorsichtig und eher bereit für einen Wechsel seien, meint Daniel Wellschmiedt, der als Head­hunter Kreative und Agenturen zusammenbringt. Bei den Dis­ziplinen gebe es nichts, was nicht gesucht werde. Insbesondere in der Kreation, im Digital- und im Führungsbereich besetzt Wellschmiedt aktuell Stellen. Laut Robert Mende, Inhaber und Geschäftsführer der Personalvermittlung Designerdock, hat die Bedeutung von Social-Media-Kompetenz zugenommen – so sind inzwischen auch Unternehmen aus dem B-to-B-Bereich an Mitarbeiter:innen mit entsprechendem Know-­how interessiert.

»Digitale Skills sind natürlich sehr gefragt, weil hier sämtliche Branchen um die Talente werben«, sagt auch Burkhard Müller, Geschäftsführer der Designagentur Mutabor in Hamburg. »Ganz besonders werden bei uns aber Account- und Projektmanager:innen gesucht, die unter den für viele neuen Remote-Bedingungen Projekte professionell steuern.« Die »händeringende« ­Suche nach Personal, die den Agenturen attestiert wird, bedeutet allerdings nicht, dass die Ansprüche an Kreative sinken – weder fachlich noch persönlich. Ganz im Gegenteil: »Das Zwischenmenschliche ist wichtiger geworden«, sagt Daniel Wellschmiedt. »Die Teams schauen jetzt noch genauer, wer Teil von ihnen werden soll.«

»Die wichtigsten ­Verhandlungsinhalte sind für mich Freiheit und Verantwortung. Mit mehr Eigenverant­wortung steigt nicht nur der kreative Output in den einzelnen Projekten, sondern auch die Zufriedenheit im Job«

Lars Kreyenhagen, Geschäftsführer bei ­Markenpersonal, Hamburg.

Designbranche: Gehälter steigen moderat

Fest steht: Die vielen offenen Stellen sowie die Veränderungen der Arbeitswelt durch Corona haben neue Bedingungen für Gehaltsverhandlungen geschaffen. Laut einer Sonderauswertung von Gehalt.de für PAGE sind die Gehälter für die einschlägigen kreativen Positio­nen 2021 gestiegen und gehen, so die Prognose, 2022 noch weiter nach oben (siehe Tabelle unten). Peter Post, Geschäftsführer der Digitalagentur Scholz & Volkmer in Wiesbaden, berichtet, dass er die Einstiegsgehälter im vergangenen Jahr um 5 bis 10 Prozent angehoben hat, weil diese gerade beim Nachwuchs zu niedrig waren. Ein Geschäftsführer einer kleineren Designagentur, der anonym bleiben möchte, berichtet, dass bei den Gehältern der geschäftsführenden Partner »nicht viel passiert sei«. Die der Mitarbeiter:innen habe man jedoch um rund 10 Prozent erhöht. Vermutlich werden sie in diesem Jahr noch einmal steigen.

Moderater Anstieg Eigens für PAGE hat Gehalt.de die Entwicklung der Gehälter in der Kreativbranche ermittelt. Gesucht werden Mitarbeiterinnen in allen Disziplinen – entsprechend passen die Arbeitgeber die Vergütung an. Besonders gefragt sind Spezialist:innen mit Digitalfokus, das spiegelt sich etwa in den Gehältern von UX/UI-Designer:innen wider, aber auch in den anderen Feldern können Kreative 2022 mit etwas mehr Geld rechnen.

So weit ein Blitzlicht in die Branche, das zeigt: Mehr Geld – ja, aber in Grenzen. Sina Wellschmiedt, Group Director People & Organisation bei der Hirschen Group, stellt fest, »dass Gehaltsniveaus steigen, allerdings sehr moderat«. Wobei es neben der Höhe des Fixgehalts noch auf viele andere Faktoren ankäme. »Hier gibt es bei uns eine große Bandbreite an Möglichkeiten. Das fängt bei Remote Work und technischer Ausstattung, Vertrauensurlaub und Sabbaticals an und geht über Weiter­bildungs- und Entwicklungsangebote bis hin zu externer Unterstützung für Mitarbeitende in allen Lebenslagen«, so Sina Wellschmiedt.

Bewerber:innen gehen das Thema Gehalt derzeit recht unterschiedlich an. Für Führungspositionen lägen die Forderungen bei einem Jobwechsel deutlich über Vor-Corona-Niveau – manchmal absurd hoch. Das müsse man dann auch mal zurechtrücken und klarmachen, dass es hier Grenzen gibt, sagt Daniel Wellschmiedt. Nicht alles ist für Unternehmen nach der Pandemie und in Zeiten steigender Nachhaltigkeit möglich. Aber ebenso gibt es eher »defensive« Arbeitnehmer:innen. »Oft schwingen die Irritationen der letzten Jahre noch nach, und vielen ist Stabilität wichtiger als mehr Gehalt«, so Robert Mende. Sein Rat für Kreative, sowohl bei Bewerbungen für eine neue Stelle als auch in be­stehenden Jobs: Sich monetär nicht unter Wert ver­kaufen, bei Verhandlungen aber durchaus auch andere Punkte berücksichtigen, Teilzeitmodelle, Remote Work oder Weiterbildungen beispielsweise.

»Wo früher der Wunsch nach einer Teilzeitstelle ein Ausschlusskriterium sein konnte, nehmen Agenturen heute, gute Leute lieber zu 70 Prozent als gar nicht«

Robert Mende, Geschäftsführer von Designerdock, Hamburg

Eigenverantwortung als Verhandlungsinhalt

Fragt man in Agenturen, so war all das – theoretisch – auch schon vor Corona möglich. In der Praxis haben der Lockdown und die Homeoffice-Pflicht den Trend zum selbstbestimmteren, flexibleren Arbeiten definitiv beschleunigt. Das wirkt sich auch auf die Forderungen aus, die Angestellte und Bewerber:innen stellen können. »Ortsunabhängiges Arbeiten können Kreative heute ohne Probleme aushandeln«, sagt Lars Kreyenhagen, Geschäftsführer bei Markenpersonal in Hamburg. Die wichtigsten Verhandlungsinhalte sind für ihn jedoch Freiheit und Verantwortung. »Ich sehe, dass Agentur­en hier offener werden und ihren Mitarbeiter:innen stärker vertrauen«, so Kreyenhagen. Das sei auch sinnvoll, denn mit mehr Eigenverantwortung steige nicht nur der kreative Output in den einzelnen Projekten, sondern auch die Zufriedenheit im Job – was wiederum zu weniger Fluktuation in den Teams führt. »Meiner Meinung nach könnten Agenturen hier eine noch viel stärkere Vorreiterrolle einnehmen«, so Kreyenhagen. »Ich den­ke etwa an Arbeitsverträge, in denen gar keine festen Wochenstunden mehr stehen und die stattdessen komplett auf Selbstbestimmung setzen.«

Verträge ohne Arbeitszeiten sind ein Zukunftsszenario, das sich wohl nicht für jede Firma und alle Arbeit­nehmer:innen eignet – es zeigt aber: Strukturen brechen auf und Dinge, die früher in der Kreativbranche unvorstellbar waren, werden möglich. »Flexible Arbeitszeiten sind realistischer geworden, auch andere alternative Arbeitsmodelle wie die 4-Tage-Woche oder Job-Tandems kommen inzwischen öfter vor«, beobachtet Daniel Wellschmiedt. Die Einflussmöglichkeiten der Arbeitnehmer:innen seien hier deutlich gestiegen, sagt auch Robert Mende von Designerdock. Wo früher der Wunsch nach einer Teilzeitstelle ein Ausschlusskriteri­um für Kandidat:innen sein konnte, nähmen Agenturen heute »gute Leute lieber zu 70 Prozent als gar nicht«.

»Das Zwischenmenschliche ist wichtiger geworden. Die Teams schauen jetzt noch genauer, wer Teil von ihnen werden soll«

Daniel Wellschmiedt, Gründer von Where’s Mitch Creative Recruiting, Hamburg

Mehr Offenheit für flexible Arbeitszeitmodelle

»Der Wunsch nach Flexibilität war bereits vor Corona Thema, aber in den Köpfen der Bewer­be­r:in­­nen mehr Sehnsucht als realistische Option«, sagt Burkhard Müller. Heute lässt Mutabor den Festangestellten die Wahl zwischen drei Modellen: klassisch fünf Tage vor Ort im Büro, 50:50 oder komplett remote. »Das gibt uns die Möglichkeit, unsere Flächen zu planen, und erlaubt es den Mitarbeitenden, sich für das Arbeitsmodell zu ent­scheiden, das am besten zu ihrem Leben passt.«

Die Akzeptanz für private Belange – oft die Betreuung von Kindern, aber auch anderes – ist in der Branche generell größer geworden, so Daniel Wellschmiedt. Dazu passt, dass Scholz & Friends die Kernarbeitszeiten gerade auf 10 bis 15 Uhr angleicht. »Corona hat einige Entwicklungen stark beschleunigt. Wir haben im März 2020 einen Quantensprung in Sachen Digitalisierung und virtuellem Arbeiten gemacht«, erklärt Nele Schnieder, Managing Director People & Culture bei der Agenturgruppe. »Durch die bis dato positive Erfahrung mit Remote Work und dem Vorhandensein der technisch notwendigen Infrastruktur können wir mehr Flexibilität bei Arbeitsort und -zeit bieten. Potenzielle Mitarbeitende können dadurch individuellere Pakete aushandeln.«

»Aus interner Perspektive haben Projektmanagement- und Teambuilding-Skills stark an Bedeutung gewonnen. Struktur- und kulturgebende Menschen sind in einer Remote-Arbeitswelt nochmals deutlich im Wert gestiegen«

Burkhard Müller, Geschäftsführer von Mutabor, Hamburg

Weiterbildung fordern

Ein weiterer Punkt, auf den Kreative bei der Ausgestaltung einer Zusammenarbeit bestehen können, sind Fort- und Weiterbildungen. In vielen Stellenbeschreibungen ist er bereits fester Bestandteil. »Wenn nicht, kann man die Teilnahme an Konferenzen et cetera durch­aus zur Verhandlungsmasse machen«, rät Lars Kreyenhagen. Auch in bestehenden Arbeitsverhältnissen ist jetzt die Zeit, auf Weiterbildung zu pochen. Zum einen fachlich, um das eigene Profil zu stärken und sich etwa in Sachen Digitalisierung weiterzuentwickeln. Zum an­deren aber auch, um neue Tools für die Kollaboration und die Organisation des Arbeitsalltags zu erlernen.

Auch hier hat Corona verstärkt, was bereits vorher klar war: Ohne Digitalkompetenz kann man sich in der Kreativbranche kaum weiterentwickeln. Zum Beispiel müssten sich Designer:innen heute mit der Konzeption und Umsetzung von Designsystemen für digitale Ökosysteme auskennen, so Burkhard Müller. »Nach wie vor bleiben aber Beratung und Kundenverständnis zwei der wichtigsten Güter, weil diese im Gegensatz zu hand­werklichen Skills nur sehr schwer austauschbar sind. Und aus interner Perspektive haben Projektmanagement- und Teambuilding-Skills stark an Bedeutung ge­wonnen. Struktur- und kulturgebende Menschen sind in einer Remote-Arbeitswelt nochmals deutlich im Wert gestiegen.«

Heißt: Die Agenturen und Unternehmen brauchen diese Skills und sind auch bereit, in entsprechende Trai­nings zu investieren. Wer allerdings denkt, mit jeder neuen Fähigkeit könne er sein Gehalt anheben, liegt falsch. »Die Arbeit in unserer Branche ist grundsätzlich mit Neugier und Motivation verbunden, es sollte also das intrinsische Anliegen aller Arbeitneh­mer:in­nen sein, sich permanent weiterzubilden und dies dann eben auch bei den Arbeitgeber:innen einzufordern«, betont Robert Mende.

Und die Konditionen für Remote Work?

Eine Frage, bei der viele noch in der Luft hängen, ist die nach den monetären Konditionen für Remote Work. Gibt es Extrageld dafür, dass man keinen Schreibtisch vor Ort besetzt? Wer zahlt Internet, Druckerkosten – oder auch Kaffee und Toilettenpapier? In den meisten Fällen ist Remote Work oder Homeoffice eine freiwillige Option, für die es keine Sonderzahlungen gibt. »Das fordert aber eigentlich auch niemand ein«, so Robert Mende. Viel wichtiger sei es, so Lars Kreyenhagen, eine Infrastruktur zu schaffen, in der reibungsloses orts­unabhängiges Arbeiten überhaupt möglich ist. Also sichere Zugänge zu Kollaborationstools et cetera. »Das ist nicht nur die Grundlage für gute Arbeitsergebnisse, sondern zeigt auch die Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitenden.« Und Wertschätzung ist etwas, das Kreative heute in jedem Fall erwarten sollten!

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