Interessante Konferenzen, tolle Parties und jetzt auch ein Live-Blog: Das ZEITmagazin setzt auch auf der Fashion Week 2014 Akzente. Wir sprachen mit Style Director Tillmann Prüfer über Selfie Couture, Friedrich Liechtenstein – und wie das Internet die Mode verändert.
Interessante Konferenzen, tolle Parties und jetzt auch ein Live-Blog: Das ZEITmagazin setzt auch auf der Fashion Week 2014 Akzente. Wir sprachen mit Style Director Tillmann Prüfer über Selfie Couture, Friedrich Liechtenstein – und wie das Internet die Mode verändert.
Das Thema Ihrer ZEITmagazin-Konferenz heißt »Selfie Couture«. Ist die Eitelkeit, die heute besonders ausgeprägt zu sein scheint und speziell auch im Internet gelebt wird, eine entscheidende Voraussetzung für den Einfluss des Internets auf die Mode?
Tillmann Prüfer: Unsere »ZEITmagazin Konferenz Mode & Stil« ist der Auftakt der Mercedes Benz Fashion Week – und wir setzen stets einen Focus auf Erscheinungen, die Mode und Kultur gerade besonders bewegen. Diesmal sind dies Selfies und die Ästhetik im Internet. Eitelkeit war ja schon immer untrennbar mit Mode verbunden, sogar ihre Voraussetzung. Ich glaube nicht, dass Eitelkeit heute stärker ausgeprägt ist als in anderen Zeiten. Das Interessante ist eher, wie die Eitelkeit sich verändert hat. Heute drückt sie sich durch die Kultur der Selfies aus. Man fotografiert sich, verschickt das Bild – und ist so gleichzeitig an mehreren Orten präsent. Man fotografiert sich etwa bei einem Konzert, am besten noch mit der Band im Hintergrund, und verteilt sein Bild über soziale Medien in die ganze Welt. Die Selbstdarstellung ist dabei mit einem Ort und einer Zeit verknüpft. So hält man sein Leben wie im Liveticker fest.
Das Selfie ist also eine andere Art des Selbstporträts?
Das Porträt, wie wir es aus der Malerei und auch noch aus der Fotografie kennen, ist ja immer der Blick von außen, der Blick eines anderen, der auf uns fällt. In analogen Zeiten war er zudem rar. Mit der digitalen Fotografie und der von ihr ausgelösten Bilderflut, der Möglichkeit, das Foto sofort zu sehen und wieder zu verwerfen, hat sich das radikal verändert: Beim Selfie haben wir die Kontrolle über das eigene Bild. Erstmals können die Menschen ständig Fotos von sich machen und verbreiten, die so sind, wie sie sich selbst sehen. Im aktuellen ZEITmagazin, das zur Fashion Week erscheint, haben wir eine interessante Bilderstrecke von Johannes Löwe, der zwischen 2003 und 2013 mehr als 5000 analoge Selfies in Berlin gemacht hat. Auf ihnen ist zu sehen, was es für ein Unterschied ist, wenn man sich selbst fotografiert oder jemand von außen den Blick auf einen wirft. Diese Fotoserie, aus der wir die besten Aufnahmen zeigen, nimmt die heutige Selbstbespiegelung bereits voraus.
Welche Höhen diese erreicht, konnte man ja kaum ahnen …
Dass wir uns heute so bewusst darüber sind, wie wir gerade aussehen, ist eine kulturelle Entwicklung. Heute gibt eine Bilderflut von uns, die wir gar nicht mehr kontrollieren können. Wir surfen auf einem Flow von Bildern. Und, schaut man sich die Themen der Konferenz an, wirkt sich das auch auf den Stil aus. Dieses Überbewusstmachen des eigenen Äußeren mündet zum Beispiel in unheimlich vielen modischen Ausdrucksweisen, die wir wiederum auf vielen Bildschirmen sehen und uns neu davon inspirieren lassen.
Inwieweit prägt das Internet dabei die Mode?
Das Internet ist heute der wichtigste Moderaum. Früher war es der Salon, für den man sich – dem Anlass und der Klasse entsprechend – in feine Garderobe geworfen hat. Mit dem Streetstyle wurde die Straße zum wichtigsten Moderaum, Trendscouts haben sich dort und in den Clubs umgeschaut. Durch die Kultur der Selfies hat das Internet die Straße abgelöst. Heute zieht man sich nicht mehr nur dafür an, in einem Club zu gehen, sondern auch, um sein Selfie im Internet zu präsentieren. Das wiederum muss eine gewisse Präsenz haben, um auch auf einem kleinen Display gut zu wirken und um in kürzester Zeit erfassbar zu sein. Das prägt die Mode.
Auf der Konferenz werden Sie das auch »Kleid der Zukunft« vorstellen. Können Sie schon verraten, wie es aussieht?
Dabei handelt es sich um eine Kreation des Modelabels Akris, bei der Elektronik und Handwerkskunst aufeinandertreffen. Es ist ein schwarzes Kleid mit aufwändigen Applikationen versehen, in denen sich LEDs verbergen. Auf Knopfdruck verwandelt es sich in einen leuchtenden Sternenhimmel. So erweckt es größte Aufmerksamkeit und ist natürlich auch auf einem Screen gut zu sehen.
Neben Modemachern und Fotografen wie Jonas Unger ist auch Friedrich Liechtenstein auf der Konferenz zu Gast. Was ist sein Beitrag zu dem Thema?
Friedrich Liechtenstein kann natürlich viel über Selfies erzählen. Darüber, wie die Leute nach seine großen Erfolg mit »Supergeil« sich plötzlich an seine Schulter werfen, um sich mit ihm zu fotografieren. Die Armlänge Abstand, aus der Selfies geschossen werden, suggeriert im Internet eine Nahbarkeit und intime Nähe. Das wirkt sich wiederum auf den Alltag aus. Möglicherweise haben wir dann auch im wirklichen Leben weniger Scheu. Uns jemandem an die Brust zu werfen, den wir nur aus dem Internet kennen.
Das Key-Visual der ZEITmagazin Konferenz gestaltete das Bureau Mirko Borsche, das ebenfalls die ARtdirektion für das ZEITmagazin hat. Mehr Arbeiten hier: Bureau Mirko Borsche entwirft Musashi, Blick ins Studio: Bureau Mirko Borsche, Musikkunst für die Staatsoper, Die neue Weltkunst
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