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Neustarthilfe für Soloselbständige: An der Lebensrealität vorbei?

Die Bundesregierung will Soloselbständigen Coronahilfen in Form eines »unbürokratischen Zuschusses« von maximal 5.000 Euro geben. »Zu wenig, zu spät und falsch gedacht«, sagt der Selbständigenverband VGSD dazu.

Corona-Neustarthilfe für Soloselbständige

In einer gemeinsamen Pressemitteilung kündigten Bundesfinanzminister Olaf Scholz und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier am vergangenen Freitag eine Neustarthilfe für Soloselbständige an. Sie ist Bestandteil der Überbrückungshilfe III mit einer Laufzeit von Januar bis Juni 2021.

Die Neustarthilfe ist eine einmalige Betriebskostenpauschale von bis zu 5.000 Euro, die Soloselbständige für den Zeitraum Januar bis Juni 2021 als steuerbaren Zuschuss erhalten können.

Genauer: Damit können Soloselbständige, die im Rahmen der Überbrückungshilfen III sonst keine Fixkosten geltend machen können, aber dennoch hohe Umsatzeinbrüche hinnehmen müssen, einmalig 25 Prozent des Umsatzes des entsprechenden Vorkrisenzeitraums 2019 erhalten.

Laut Ministerien handelt es sich dabei um einen »unbürokratischen und schnellen Zuschuss, der – wenn die Antragsvoraussetzungen vorliegen – nicht zurückzuzahlen ist.«

Wer ist antragsberechtigt?

Antragsberechtigt sind Soloselbständige, die ansonsten im Rahmen der Überbrückungshilfen III keine Fixkosten geltend machen bzw. geltend machen können und die ihr Einkommen im Referenzzeitraum (im Normalfall das Jahr 2019) zu mindestens 51 Prozent aus selbständiger Tätigkeit erzielt haben.

Die volle Betriebskostenpauschale wird gewährt, wenn der Umsatz während der siebenmonatigen Laufzeit Dezember 2020 bis Juni 2021 im Vergleich zu einem siebenmonatigen Referenzumsatz 2019 um mehr als 50 Prozent zurückgegangen ist.

Höhe der Neustarthilfe

Die Betriebskostenpauschale beträgt einmalig 25 Prozent des siebenmonatigen Referenzumsatzes, maximal aber 5.000 Euro. Um den Referenzumsatz 2019 zu bestimmen, wird der durchschnittliche monatliche Umsatz des Jahres 2019 zugrunde gelegt (Referenzmonatsumsatz). Der Referenzumsatz ist das Siebenfache dieses Referenzmonatsumsatzes.

Beispielrechnungen gibt es auf der BMWi-Website.

Die Neustarthilfe soll als Vorschuss ausgezahlt werden – also dann, wenn die konkreten Umsatzbußen während der Laufzeit noch nicht feststehen. Läuft das Geschäft besser und der Umsatz liegt höher als erwartet, muss man die Vorschusszahlungen anteilig zurückzahlen. Auch hierzu finden sich Beispiele beim BMWi. Die Endabrechnung müssen die Begünstigten am Ende der Laufzeit selbst machen – und Rückzahlungen unaufgefordert mitteilen und überweisen. »Zur Bekämpfung von Subventionsbetrug finden Nachprüfungen statt«, heißt es.

Zeitpunkt der Antragstellung

Die Überbrückungshilfe III, zu der die Neustarthilfe gehört, soll ab dem 1. Januar 2021 gelten. Anträge können allerdings wegen nötiger Abstimmungen und Programmierungen erst einige Wochen nach dem Programmstart gestellt werden. Die Ministerien wollen dazu in den nächsten Wochen mehr Details mitteilen.

Kommentar des VGSD: »Zu wenig, zu spät und falsch gedacht«

Der Verband der Gründer und Selbständigen Deutschland (VGSD) ist von der Neustarthilfe nicht überzeugt: »Leider werden die Betroffenen von der Regierung abermals enttäuscht«, sagt VGSD-Vorstand Andreas Lutz.

»Im Verhältnis zu dem finanziellen Schaden, der ihnen ja letztlich zum Schutz der Allgemeinheit aufgebürdet wird, sind 714 Euro pro Monat zu wenig.«

Und weiter: »Seit Beginn der Krise sind zudem fast neun Monate vergangen. Über den Gesamtzeitraum gerechnet erhalten die Betroffenen aus der Neustarthilfe also gerade einmal 313 Euro pro Monat, auf die dann auch Steuern und Beiträge zu zahlen sind. Zugleich ist die Hilfe so ausgestaltet, dass sie andere Hilfen bis auf die Grundsicherung ausschließt.«

Man beachte: Diese Berechnung gilt auch nur dann, wenn man den Maximalbetrag von 5.000 Euro erhält.

Der VGSD setzt sich stattdessen für einen Unternehmerlohn ein, wie ihn etwa Baden-Württemberg eingeführt hat. »Dort blieb man mit 1.180 Euro Unternehmerlohn zwar deutlich hinter anderen EU-Ländern zurück, und der Betrag reicht in Großstädten oft noch nicht einmal für die Miete, aber damit hätte man die Situation befrieden können. Diese Chance wurde von der Regierung vertan. Dass sie der Regierung noch nicht einmal für die Zukunft diesen Betrag wert sind, verbittert viele Selbstständige.«

Den Maßnahmen liege ein Bild von Soloselbständigen als (Lebens-) Künstler und prekäre Existenzen zugrunde, so Lutz. Wer Hartz IV bezieht, werde sich über den Zuschuss freuen. Aber die große Mehrheit der Soloselbständigen habe keinen Anspruch auf Grundsicherung, da sie privat fürs Alter vorgesorgt hat. Sie müssten ihre – durch staatliche Maßnahmen verursachten – Honorarausfälle also selber auffangen und dabei noch Vertragsstrafen in Kauf nehmen.

»Die Neustarthilfe ist angesichts dessen viel zu niedrig, sie kommt zu spät und geht einmal mehr an unserer Lebensrealität vorbei«, so Lutz.

Kommentar des Deutschen Designtages: »Unsicherheiten und Schwächen bleiben erkennbar«

Der Deutsche Designtag begrüßt zwar ausdrücklich die zuletzt mehrfach öffentlich dokumentierte Anerkennung der Kultur- und Kreativwirtschaft als eine von der Pandemie besonders betroffene Branche. Jedoch gehen auch diesem Verband die Maßnahmen nicht weit genug. Er kritisiert ebenfalls die zu späte Hilfe, den zu niedrigen Betrag, und dass man sich seitens der Politik weigert, die Lebenshaltungskosten von Solo-Selbstständigen anzuerkennen und damit de facto ein ganzes Geschäftsmodell ablehnt.

»Nicht die progressiven, innovativen Branchen müssen sich den Strukturen und Prozessen konventioneller Industrien anpassen, sondern umgekehrt«, so Boris Kochan, Präsident des Deutschen Designtags.

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