YouTube hat ein Redesign erhalten, inklusive neuem Logo. Wir haben Designexperten um ihre Einschätzung gebeten.
Wenig revolutionär, aber clever; nicht mutig genug; handwerklich gut gemacht; subtile Ausbesserung, besseres UX Design: Die Experten sind sich in ihrer Einschätzung relativ einig und schätzen das YouTube-Redesign als wenig aufregend, aber solide ein:
Mechthild Bertram, Executive Director, Peter Schmidt Group
Eine konservative Evolution
Meine erste Reaktion: Hat sich was geändert? Es sieht doch eigentlich aus wie vorher. Ach so, der Playbutton ist jetzt das Bildzeichen und die Schrift ist marginal fetter geworden. Das war es aber auch. Irgendwie eine wenig überraschende, evolutionäre Entwicklung. Und dennoch eine clevere: YouTube besetzt den Playbutton als Logo – und schafft damit das, was Tempo mit dem Taschentuch gelang.
Stilistisch entsteht aus der Schrift und der Bildmarke in Form eines Röhrenfernsehers fast schon der Retro-Look eines Nachrichtenmagazins. Natürlich umfasst die Änderung aber nicht nur das Logo, sondern setzt sich auch beim Material Design von Google fort. Alles ohne größere Überraschungen, Haken dran. Ganz ehrlich: Ich frage mich, was mit solche einer Marktdurchdringung wie bei YouTube eigentlich alles möglich gewesen wäre. Etwas mehr Inspiration zum Beispiel. Manchmal sind die digitalen Marken fast noch konservativer, als die aus der Old Economy.
Olaf Stein, Partner Branding, Factor
»Excellent Craftmanship«
Dem aufmerksamen YouTube-User wird bereits aufgefallen sein, dass sich das UX-Design – auch hier setzt YouTube unter anderem auf den Material Design Ansatz – in den letzten Monaten verändert hat und wir auch mit weiteren Veränderungen rechnen können. Im Zuge der Weiterentwicklung hat sich das interne Designteam auch des YouTube-Logos angenommen, das seit der Einführung von YouTube vor 12 Jahren bisher nie verändert wurde.
Das Ergebnis des Projekts hat mich überzeugt, da die Weiterentwicklung in allen Kanälen, in denen uns die Marke heute begegnet, in der neuen Form seine ganze Kraft entfalten kann und die Designer nun die Möglichkeit haben, sie viel integrierter einsetzen zu können. Der Fokus liegt nun, und das zu Recht, auf der bekannten roten Play-Taste. Die Typografie des Schriftzuges, vormals ein Schnitt der Alternate Gothic, wurde überarbeitet und steht nun ganz klar und selbstbewusst neben der Bildmarke. Das Logo kann jetzt, egal ob mit oder ohne Bildmarke, insbesondere auf kleinen Screens sehr gut eingesetzt werden. YouTube hat für mein Dafürhalten einen handwerklich sehr guten Job gemacht und stellt sich seinen rund 1,5 Milliarden Usern in Zukunft endlich in gebührender Form dar.
Laura Müller, UX Lead, MetaDesign
Das neue YouTube-Logo hat den Mut, die zentrale Funktionalität der Plattform in das Logo zu integrieren. Die Trennung von Wort- und Bildmarke ermöglicht einen flexibleren Einsatz über alle Kanäle. Ohnehin hat das Play-Element schon vor der Logoumstellung einen eigenständigen Charakter angenommen, die Anpassung ist daher konsequent und richtig.
Was für mich jedoch stärker im Zentrum des neuen YouTube-Designs steht, ist die Verbesserung der User Experience. Das cleanere Design ermöglicht es dem Nutzer, sich stärker auf den Content zu fokussieren. Insbesondere der hinzugefügte Nachtmodus demonstriert die nutzerzentrierte Umstellung des Designs.
YouTube hat erkannt: Um als Marke erfolgreich zu sein, reicht es nicht aus, nur das Corporate Design zu überarbeiten. Erst durch eine ganzheitlich gedachte User Experience macht die Marke wirklich einen Schritt nach vorne.
Rüdiger Götz, Geschäftsführer Kreation, KW43 Branddesign
Solides Handwerk statt visionärem Design
Auf den ersten Blick ist das YouTube Redesign alles andere als spektakulär und die Frage, ob dieser Schritt wirklich nötig gewesen wäre, drängt sich auf. Denn eine differenzierende Aussage über die Leistung des sozialen Netzwerks wurde weder im alten Zeichen kommuniziert, noch wird sie im neuen Zeichen sichtbar, das sich weiterhin visuell auf den Namen und eine piktogrammhafte Symbolik beschränkt.
Einige Kinderkrankheiten des Markenbildes wurden jedoch subtil ausgebessert und können der Marke langfristig helfen: Der leicht verschobene visuelle Fokus, weg vom Begriff »tube« zugunsten des Markennamens »YouTube« und das neue Bildzeichen machen durchaus Sinn. Denn der Begriff »Tube« wird wohl von den meisten Anwendern weder dekodiert noch mit dem Angebot in Verbindung gebracht.
Vor allem aber bekommt das neue Bildzeichen seinen logischen und prominenten Platz im Kern-Branding der globalen Marke und erhöht die Durchgängigkeit des Markenauftritts. Die konsequente grafische Koppelung von Marke und Produkt war für eine Marke dieser Größenordnung überfällig. In diesem Schritt liegt das strategisch größte Potential des Relaunchs. Schon wie bei Instagram versucht hier eines der großen Sozialen Netzwerke seine Marktmacht durch ein Design zu unterstreichen, das bewusst auf individuelle und emotionale Signale verzichtet. Stattdessen wird durch das Besetzen eines plakativen Piktogramms mit universeller Symbolik versucht, ein Alleinstellungsanspruch als globale Institution zu festigen.
Youtube und Co. haben mit ihren Angeboten und Plattformen unsere Medienwahrnehmung und das Medienverhalten revolutioniert und sind noch dabei. Aber in Bezug auf die eigene Markenführung entwickeln sie zunehmend eine konservative Konzern-Sicht und verlassen sich auf ein sensibles, solides Designhandwerk der kleinen Schritte.
YouTube, einst Revolutionär der New Economy, wird nun durch den Erfolg selbst zu einem der vorsichtigen Konzerne der Old Economy. Nicht alles muss in Bezug auf unsere Wahrnehmung neu erfunden werden. Markenprofessionalität ist somit im Jahre 2017 keine Revolution.
Merken
Merken
Merken
Merken
Merken
Merken
Merken