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»Man arbeitet nicht weniger, man ist nur weniger anwesend«

Wir sprachen mit Mieke Haase, Partnerin und Kreativgeschäftsführerin von loved …

Mieke Haase, Partnerin und Kreativgeschäftsführerin von loved, ist eine der wenigen weiblichen Füh­rungskräfte in Deutschlands Kreativbranche, die seit 2011 in Teilzeit eine Agentur leitet. Und das sehr erfolgreich. Sie führte ihr Team zu vielen internatio­na­len Auszeichnungen von ADC bis One Show und war selbst schon Juryvorsitzende bei so renommier­ten Wettbewerben wie den D&AD Awards. Als Mieke Haase bei loved einstieg, wollte sie eigentlich weniger ar­bei­ten und mehr verdienen (als in ihrer eigenen Firma) – nun verdient sie mehr und arbeitet immerhin ein bisschen we­niger. Wir haben sie gefragt, wie sie als Krea­tivgeschäftsführerin 45 Mitarbeiter und die Arbeit für Kun­den wie Audi, Görtz, Quantum, REWE, Tom Tai­lor und Wempe organisiert.

Wie kamst du überhaupt in einer Führungs­position zu einem Teilzeitjob?
Mieke Haase: Damals habe ich genau das gedacht, was ihr als Titel der Story gewählt habt: »Weniger ar­beiten, mehr verdienen«. Ich hatte eine eigene Fir­ma und habe sehr viel gearbeitet, aber sehr wenig verdient. Dann bekamen wir ein Kind, und mein Mann hat irgendwann auf die Bremse getreten und klar­ge­stellt, dass er nicht alles übernehmen kann – Haus­halt, Kind und Arbeiten, um Geld zu verdienen –, wäh­rend ich mit hohem Einsatz ein ziemlich un­wirt­schaft­liches Unternehmen am Leben erhalte. Also entschied ich mich für eine Festanstellung – zurück ins normale Leben! Als ich Michael Trautmann, damals Chef der Werbeagentur kempertraut­mann (seit 2012 thjnk), erzählte, dass ich meine Firma schließen würde, unterbreitete er mir ein Angebot: Egal, wie viel ich arbeiten wolle, und egal, was ich ver­dienen wolle, ich solle bei ihm anfangen. Welch glückliche Fügung!

Ein Angebot, das man kaum ablehnen kann!
Ja, das war 2007. Und natürlich habe ich da zu­ge­schla­gen. In Teilzeit als Kreativgeschäftsführerin, mit ei­nem tollen Gehalt – mein Traum wurde wahr! Aber es hat fast zehn Jahre gedauert, bis es wirklich Teilzeit war und ich es mir erlauben konnte, tatsächlich nur 60 Prozent zu arbeiten. Eine Führungsposition in Teilzeit ist zwar eigentlich super, aber man nimmt trotzdem alles mit nach Hause. Mit den Jahren ist es besser geworden.

Der eigene Feind ist man selber, weil man die Verantwortung auch in der Freizeit nicht loslassen kann.

Wie organisierst du dich?
Ich habe es mit zwei Modellen versucht. Das eine war eine 3-Tage-Woche, die ich perfekt fand, die aber nur funktioniert, wenn der Mann zu Hause ist und den modernen Mann gibt. Das ist sehr effizient, weil man in den drei Tagen wirklich für das Team da ist und Montag und Freitag eine Auszeit hat, ohne dass ständig jemand anruft. Seit mein Mann wieder mehr arbeitet, sieht es so aus, dass ich vier Tage bis 13 Uhr in der Agentur bin und einen Tag Vollzeit arbeite, der meist für Reisen und Kundentermine verplant ist. Das verlangt sehr viel Disziplin vom Team, denn vor­mittags bin ich nur noch in Meetings, und der Tag ist kom­plett durchgetaktet. Wenn ich dann sage, ich wür­de etwas gern noch einmal sehen, ist es eben meine eigene Schuld, wenn ich am Nachmittag noch etwas zu tun habe. Meist gehe ich aber nicht ans Tele­fon, man muss loslassen können. Als Kontrollfreak kann man nicht in Teilzeit arbeiten, dafür braucht man starkes Vertrauen zu seinen Leuten und muss ihnen viel Verantwortung übergeben.

Wie kommunizierst du mit deinem Team, wenn du nicht anwesend bist?
Ich erledige alles übers iPhone 7 Plus. Ich schaue mir darauf auch Layouts an, die ich per Mail bekomme. Sonst nutzen wir noch Google Docs. Dokumente, die unter einem Non-Disclosure Agreement stehen, verschicken wir nicht, die muss ich am nächsten Tag vor Ort sichten. Aber auch sonst schaue ich nicht alles an. Es gibt eine Art Gentlemen’s Agreement mit meiner Assistentin Suse Beyer. Wenn sie mir eine Mail schickt, bedeutet das: »Schau es dir an. Wenn du nicht reagierst, machen wir so weiter.« Schickt sie mir eine SMS, ist es eine Aufforderung, mir die Angelegenheit sofort anzuschauen. E-Mails gehe ich abends noch einmal durch, um mich auf Besprechun­gen am Folgetag vorzubereiten, Abstimmun­gen erfolgen dann am Vormittag. Nachmittags telefonie­re ich öfters noch mit meinen zwei Partner-Geschäfts­führern Peter Matz und Michael Jacobs, weil ich vormittags dazu gar keine Zeit finde.

Wo liegen die Stolpersteine?
Ich bin der Stolperstein. Ich kann nicht mit Material zum Kunden gehen, hinter dem ich nicht zu 100 Pro­zent stehe. Das heißt, ich muss wissen, was wir da eigentlich machen, und mich entsprechend wahnsinnig gut informieren. Die Zeit außerhalb der Agen­tur nutze ich deshalb viel, um mich in die Materie einzulesen und hineinzudenken. Auch in der sogenannten Freizeit bleibt der Job weiter im Kopf. Ich koche, gärtnere und töpfere sehr gern, das sind ausgleichende Hobbys, bei denen ich gut über Aufgaben in der Agentur nachdenken kann.

Was würdest du anderen Frauen in Teilzeit-Führungspositionen empfehlen?
Frauen sind ja nur selten in Führungspositio­nen und dort noch seltener in Teilzeit. Dabei bieten sich diese geradezu an, denn hier kann man sich selbst organisieren. Frauen müssen solche Verein­ba­rungen aktiv einfordern, so etwas wird einem nicht angeboten. Und sie dürfen nicht so schnell aufgeben, wenn sie es in den ersten Jahren nicht schaffen. Denn am Ende ist es immer noch besser, wenn man 60 Prozent ver­einbart hat und 80 Prozent arbeitet, als wenn man einen vollen Job bekleidet und 120 Pro­zent arbeitet. Allerdings muss man diesen Deal kon­se­quent einhalten. Wenn man die Grenzen nicht klar genug zieht, wird man permanent angerufen.

Wenn man nicht konsequent ist und Teilzeit nicht ernst nimmt, funk­tioniert es nicht.

Außerdem braucht man ein gu­tes Team. Ich habe Topleute, die teilweise bereits zehn Jahre bei mir sind. So muss ich nicht den Kontrollfreak geben, sondern führe die Mitarbeiter und lasse sie machen.

Wie führst du dein Team?
Die drei Kreativdirektoren leiten eigene Gruppen und Teams. Sie kommen nur zu mir, wenn sie ein Prob­lem haben oder ich mir die Arbeit gern noch einmal anschauen möchte, weil ich etwas entdeckt habe, mit dem ich nicht einverstanden bin. Den Fashionbereich teile ich mir mit meiner Kreativdirektorin, die auch in Teilzeit ist. Bei den anderen bin ich eher Sparringspartner. Eine weitere Aufgabe ist die des Problemlösers. Wenn wir uns beispielsweise etwas ausgedacht haben und der Kunde meint, es würde nicht funktionieren. Da muss man eben schnell Ent­scheidungen treffen.

Wie kannst du Entscheidungen treffen, wenn du nicht da bist?
Das Team kümmert sich darum, dass schnell ein Ter­min zu­stande kommt. Oder ich erhalte eine Nachricht von unserer Assistenz. Je nach Relevanz reagiere ich dann sofort oder löse das Problem am folgenden Vormittag. Suse Beyer ist ein Filter – das ist super, weil sie auch gleich die Termine koordiniert. Wir drei Geschäftsführer teilen uns die Assistentin, und sie macht uns besser und effizienter. Manch­mal bekomme ich auch eine SMS von den Kreativ­direk­toren, was vollkommen in Ordnung ist. Aber man muss als Teilzeitführungskraft aufpassen: Be­ant­wor­te ich jede Nachricht sofort, werden es immer mehr.

In meiner Freizeit muss ich eine Wand aufbauen, die mich schützt.

Ist dein Wunsch »Weniger arbeiten, mehr verdienen« aufgegangen?
In einer Führungsposition ist das ein Trugschluss. Man arbeitet nicht weniger, man ist nur weniger anwesend. Je mehr Verantwortung man trägt, desto schwerer wiegt die Arbeit. Ich arbeite nicht weniger, aber ich verdiene mehr. In einfach allem. Allerdings habe ich in den elf Jahren gelernt: Je effizienter ich arbeite, desto mehr Zeit habe ich für mich. Trotzdem bin ich in den eigenen Ansprüchen gefangen.

Mehr zum Thema flexible Arbeitsmodelle gibt’s in der Titelstory »Weniger arbeiten, mehr verdienen« in PAGE 03.2019. 

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Kommentar zu diesem Artikel

  1. “Egal, wie viel ich arbeiten wolle, und egal, was ich ver­dienen wolle, ich solle bei ihm anfangen. ”
    Ein schöner Satz aus dem normalen Leben einer Mutter, die in Teilzeit arbeiten möchte.

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