In der neuen Ausgabe seiner KI-Kolumne beschreibt Karel Golta die Formen der Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine – und welche wichtige Rolle Design dabei spielt.
Jede Revolution verspricht Aufbruchstimmung und große Veränderung. Selten geht da ein klar strukturierter Prozess einher. Und wenn sich das Ganze ein wenig beruhigt, der Staub sich gelegt hat, dann wird es Zeit den neuen Status zu festigen. So auch in Sachen KI. Polemisch könnte man formulieren: »Die Erstürmung der Bastille, genannt Narrow AI, ist geschafft und bevor die Oktoberrevolution Broad AI in einigen Jahren oder länger folgt, ist der Moment gekommen ein wenig Ordnung zu schaffen.«
Das Verhältnis Mensch und Maschine hat sich in den letzten 20 Jahren massiv verändert. Heute tragen wir fast nonstop einen Hochleistungsrechner mit oder an uns. Design hat dies erst ermöglicht, indem es die Schnittstelle zwischen Menschen und Maschinen nutzbar und erstrebenswert machte. In Zukunft wird dieses Zusammenspiel essenziell: Für die Gesellschaft, das Ökosystem und die Wirtschaft. Deshalb macht es Sinn, wenn wir die Kollaboration zwischen Mensch und Maschine (wie von meinem Kollegen Kevin McCullagh, dem Gründer Produktstrategie-Beratung Plan, vorgeschlagen) in fünf Arten unterteilen, und in Sachen Design entsprechende Anforderungen, Prozesse und Methoden definieren.
Die 5 Kollaborations-Typen
Übertragung
Der Nutzer überträgt ganz konkrete Arbeitsschritte und Subroutinen an die Maschine. Dabei wird keine weitere Unterstützung durch den Menschen benötigt. Diese Art finden wir heute bei Fabrikrobotern oder in gewissen Funktionen im Auto, wie ein Stauassistent.
Die Rolle des Designs liegt in der verständlichen und einfachen Übertragung der Aufgabe an die KI sowie in der Sinnhaftigkeit der Auslagerung.
Überwachung
Hier werden vollständig automatisierte Arbeits- und Entscheidungsprozesse, wie etwa der Autopilot, von Nutzern nur noch überwacht. Die Maschine muss relevante Informationen an den Menschen kommunizieren und bei Problemen oder Gefahr den Menschen auffordern zu reagieren.
Design definiert das Verhältnis zwischen Beaufsichtigung und dem tatsächlichen Eingreifen im Ernstfall, wobei es das Individuum grundsätzlich in seiner Handlungsfähigkeit unterstützen sollte. Denn im Zuge der Automatisierung werden wir gewisse Fertigkeit so selten ausüben, dass wir sie im erforderlichen Fall unter Umständen nicht mehr ausreichend gut beherrschen.
Harmonisches Nebeneinander
Das Zusammenspiel von Mensch und Roboter im selben Raum und zur selben Zeit erfordert seine eigenen Regeln. So müssen Maschinen menschliche Absichten und Bedürfnisse erkennen und automatisch darauf eingehen. Gleichzeitig müssen sie, um effektiv arbeiten zu können, den gemeinsam genutzten Raum sinnvoll behaupten können. Ein Delivery-Roboter muss schon heute darauf vertrauen können, dass er nicht böswillig an seiner Arbeit gehindert wird.
Designer werden hier zukünftig empathisch auch im Sinne der Roboter denken müssen. Maschinen werden Teil der Stakeholder-Landschaft und Design wird noch stärker hoch komplexe Service-Systeme auf ihre Sinnhaftigkeit hin gestalten.
Unterstützung
Der Mensch wird mental und/oder physisch von Maschinen befähigt sein eigenes Tun und Handeln um ein Vielfaches schneller, einfacher und besser zu erledigen. Dabei erkennt KI selbstständig unsere Ziele und Präferenzen und hilft dem Nutzer gänzlich neue Fähigkeiten zu erlangen. Die Prothetik ist ein erstes Wirkungsfeld, doch zukünftig wird der Fantasie wohl kaum Grenzen gesetzt werden.
Vielleicht das größte Tätigkeitsfeld von Design: Kreativität und lösungsorientiertes Denken ist gefragt, um die Herausforderungen unseres Zeitalters mit gänzlich neuen Fähigkeiten entgegenzutreten und gleichzeitig dem Menschen zu entsprechen.
Verschmelzung
Dies ist die intimste Art der Kollaboration und funktioniert konsequenterweise nur auf Gegenseitigkeit. So wird zum Beispiel der Mensch das strategische Denken beibehalten, damit er Meister seiner eigenen Persönlichkeit bleibt. Die taktischen Handlungsoptionen jedoch, werden durch die Maschine bestimmt. Befeuert durch die Errungenschaften in der Biotechnology muss uns bewusst sein, dass hier der Weg zum Transhumanismus geebnet wird.
An diesem Punkt liegt die aktuelle Rolle des Designs im Erlebbar-Machen von Zukunftsszenarien, damit die Menschen bewusste und ethisch vertretbar Entscheidungen fällen können.
Fazit: Design ist elementar
Es ist noch gar nicht abzusehen, wie viele Aufgaben Menschen und Maschinen gemeinsam erobern. Doch überall wird Design gebraucht: Hinausgehend über die äußerliche Gestaltung eines Objekts hin zur gezielten Auseinandersetzung mit der Funktion von und Interaktion an Mensch-Maschine-Schnittstellen.
Design wird elementar sein, um die Kollaboration machbar, sinnvoll und wünschenswert zu gestalten. Wobei die Unterteilung der Mensch-Maschine-Interaktion in fünf Arten uns auch in der Designlehre helfen werden, neue Prozesse zu etablieren und in Sachen Designethik ein neues Bewusstsein zu schaffen.
Denn am Ende geht es ja nicht darum Freundschaften zu gestalten. Sondern klar zu strukturieren wo und wie Sinn entsteht.
Lesen Sie auch:
Teil 2 der KI-Kolumne: »Daten machen Krach«
Auftakt zu Karel Goltas KI-Kolumne: »Design for President?«
eDossier »Die Zukunft von Design im Zeitalter von Künstlicher Intelligenz«
Webinar-Video »Die Zukunft von Design im Zeitalter von Künstlicher Intelligenz«
[8385]